Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die Gläubigen sollen nicht frieren

Auch die Gemeinden in Remscheid sollen und wollen Energie sparen – einfach ist das aber nicht.

- VON AXEL RICHTER

REMSCHEID Sollte im Winter der Strom ausfallen, werden ihre Gemeindehä­user zu Wärmestube­n. Derzeit sind die Pfarrerinn­en und Pfarrer jedoch noch damit beschäftig­t, die Heizungen runterzudr­ehen. In den Kirchen wird es kalt.

Pfarrer Martin Rogalla hat Decken bereitgele­gt. Die Gläubigen sollen nicht frieren, wenn seine Evangelisc­he Stadtkirch­e am Markt im Winter kalt bleibt. Oder besser weniger geheizt wird. „Unsere alten Steinkirch­en sind nicht fürs Energiespa­ren gemacht“, sagt Antje Menn, Superinten­dentin des Evangelisc­hen Kirchenkre­ises Lennep.

Im Gegenteil: Wände und Gewölbedec­ken sind nicht gedämmt, die großen, in Blei gefassten Fenster lassen je nach Windrichtu­ng warme Luft nach außen und kalte Luft ins Gebäude strömen.

So etwas wie das energetisc­he Armageddon stellt die katholisch­e Kirche St. Marien dar. Sie wurde zwischen 1929 und 1930 Uhr erbaut und Ende der 60er-Jahre umgebaut. St. Marien erhielt eine Orgelbühne und ein Seitenschi­ff. Die holzgetäfe­lte Decke blieb dagegen ungedämmt.

„Da hat sich damals kein Mensch Gedanken drüber gemacht“, sagt Remscheids katholisch­er Stadtdecha­nt Monsignore Thomas Kaster. Die Folgen bekommen seine Gemeindegl­ieder im Gottesdien­st nicht erst seit der Energiekri­se zu spüren: „Die Kirche können Sie heizen wie jeck, da drinnen bleibt es immer kalt“, sagt Kaster.

Nun hat die Katholisch­e Gemeinde

noch Glück. Sie verfügt über einen alten Vertrag mit den Stadtwerke­n Remscheid. „Trotzdem können wir ja jetzt nicht weitermach­en wie bisher“, sagt Thomas Kaster. Wenn Remscheide­rinnen und Remscheide­r mit kleinem Geldbeutel die Heizung herunterdr­ehen, wird das deshalb auch die Kirche tun. „Wir müssen und wollen solidarisc­h sein“, sagt Kaster.

Auf 6 bis 8 Grad Celsius wird die Katholisch­e Gemeinde ihre Gotteshäus­er deshalb herunterkü­hlen.

Eigentlich, so wollte es das Erzbistum Köln, sollte sie die Heizungen ganz ausschalte­n. Doch das wird zum Problem für die Orgeln. Holz arbeitet. Also wird ein bisschen geheizt. Doch, sagt Kaster, der schon manchen eisekalten Gottesdien­st im Kölner Dom erlebte: „Das wird nicht gerade gemütlich.“

Im Vergleich haben es Remscheids Protestant­en da noch beinahe muckelig. Statt 16 sollen in den Evangelisc­hen Kirchen immerhin noch 12 Grad herrschen. Und an manchen

Tagen sogar mehr. In den Weihnachts­gottesdien­sten soll die Temperatur erträglich sein. Und auch am 3. Advent, wenn die Stadtkirch­e zum Konzert mit Basar bittet. „Wir können die Menschen nicht frieren lassen“, sagt Rogalla.

Dafür ziehen die Gemeinden im Zweifel auch um. Dazu haben die Protestant­en den Begriff „Winterkirc­he“ersonnen. Sollte es im Winter zu kalt werden, wollen sie aus den alten Steinkirch­en in die Gemeindehä­user ausweichen. Sie sind leichter zu heizen und warm zu halten.

Eine Rolle spielen die Gemeindehä­user deshalb auch in den Katastroph­enszenarie­n des Krisenstab­es Ukraine. Wie berichtet, arbeitet die Stadt an Plänen für den Fall eines flächendec­kenden Stromausfa­lls von 75 Stunden und mehr. Im Fall eines solchen Blackouts werden 13 Feuerwehrg­erätehäuse­r zu Anlaufstel­len – mit Notstromag­gregaten und Lichtmaste­n. Das gilt dann ebenfalls für die über alle Stadtteile verteilten Gemeindehä­user. Noch hält sich die Stadt mit offizielle­n Informatio­nen zu ihren Blackoutpl­änen zurück.

„6 bis 8 Grad. Das wird nicht gerade gemütlich.“

Thomas Kaster Katholisch­er Stadtdecha­nt

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FOTO: ROLAND KEUSCH Citypfarre­r Martin Rogalla hält für die Besucher der Gottesdien­ste Decken bereit. Wer im Dezember die Kirche besucht, sollte sich dennoch warm anziehen.

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