Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Adventszeit ist Ankunftszeit
Wer einen Gast erwartet, der bereitet sich besonders darauf vor.
Es gibt in meiner Familie diese Anekdote aus meiner Kindergartenzeit: Meine Mutter hat in meiner Abwesenheit die ganze Wohnung aufgeräumt und geputzt und weist mich bei meiner Rückkehr aus dem Kindergarten darauf hin. Sicher um mir zu sagen, dass ich nicht gleich wieder alles in Chaos versetzen soll. Und dass sie auch meinen Dreck weggewischt hat. Ich weiß nicht, mit welcher Reaktion sie gerechnet hat, als sie mir sagte, dass sie sauber gemacht hat, aber mit meiner bestimmt nicht: „Wer kommt?!“
Macht man das nicht so, wenn man Besuch erwartet? Die gute Stube wischen und die Dielen bohnern. Etwas Besonderes kochen. Den Tisch mit dem guten Geschirr decken. Und während der Braten im Ofen schmort, räumt man die Küche auf und damit alles, was hier auf Alltag hindeutet. Die Schuhe, die sonst kreuz und quer im Flur liegen, werden in Reih und Glied gestellt. Der Seifenspender im Bad, der sonst immer leer ist, wird endlich aufgefüllt. Und dann hängt man irgendwann die Schürze zurück an den Haken in der Küche, wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel und einen hektischen auf die Uhr und fragt sich: Wann kommt er endlich, der Besuch?
Adventszeit ist Ankunftszeit. Wir warten auf besonderen Besuch. Einen, der so besonders ist, dass für ihn alles extra besonders hergerichtet wird. Mit Kerzen, Lichtern und Kugeln. Mit Sternen aus Stroh und Papier, die man ins Fenster hängt. Mir gefällt die Vorstellung, dass der Gast, wenn er diesen Stern sieht, weiß, wo sein Zuhause ist.
Und dann klingelt es. Endlich. Dieser Moment. Dieses Geräusch ist Erlösung pur, wenn man sehnsüchtig auf den Besuch wartet. Mit der Hand auf der Klinke wirfst du einen Blick zurück in die Stube: Ja, es ist alles bereit. Und einen schnellen Blick in den Spiegel: Ja, ich bin es auch.
Dann atmest du tief durch und öffnest die Haustür. Schön, dass du da bist. Ein Satz wie eine Liebeserklärung.