Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Muss Jürgen Hardt um sein Bundestags­mandat bangen?

In Berlin werden Nachwahlen angeordnet. Verliert die CDU dort viele Stimmen, ist unsicher, ob der bergische CDU-Abgeordnet­e noch im Parlament sitzt.

- VON BJÖRN BOCH

SOLINGEN Das deutsche Wahlrecht ist komplex. So komplex, dass eine Wiederholu­ng der Bundestags­wahl in 431 Berliner Wahllokale­n dazu führen könnte, dass das Bergische Land einen Bundestags­abgeordnet­en verliert.

Treffen würde es – Stand heute – CDU-Mann Jürgen Hardt. Er hatte die Direktwahl gegen Ingo Schäfer (SPD) verloren, war aber über die Landeslist­e in den Bundestag eingezogen. Fest stand das erst Wochen nach der Wahl. Sah es zunächst danach aus, dass Hardt den Einzug knapp verpassen würde, erhielt die NRW-CDU – wegen falsch gemeldeter Zahlen aus Schleswig-Holstein – aber ein Mandat mehr. Es war der

Listenplat­z von Hardt. Wie gesagt: Das Wahlrecht ist komplex.

Verliert Hardt sein Mandat nun aber wieder aufgrund der Chaoswahle­n in Berlin? „Ich halte das für sehr unwahrsche­inlich“, berichtet er auf Anfrage der Redaktion. Die CDU würde nach den jetzigen Umfragen sogar besser abschneide­n als 2021. Das Problem ist: Es geht um die absoluten, nicht die relativen Stimmen. Selbst wenn die CDU also mehr Prozente holt, könnten es absolut weniger Stimmen sein, weil weniger Menschen zur Wahl gehen. Bei einer Wiederholu­ngswahl gilt das als wahrschein­lich.

215.000 Berliner Wahlberech­tigte könnten in den 431 Wahllokale­n abstimmen, hat die „Süddeutsch­e Zeitung“ausgerechn­et. „Ein paar Tausend

Stimmen müssten wir schon verlieren“, sagt Jürgen Hardt, der sich nicht zu viele Gedanken machen will.

Ob und wann diese Nachwahl durchgefüh­rt werde, sei ja auch noch völlig unklar. Geplant ist sie für Anfang 2023. Hardt rechnet aber damit, dass sich das Bundesverf­assungsger­icht damit befassen muss. Die Wahl könnte also wesentlich später stattfinde­n.

Und Hardt hat noch ganz andere Bedenken: Die Wahl werde ja wiederholt, weil in vielen Berliner Wahllokale­n noch nach 18 Uhr Stimmen abgegeben wurden. Das verstößt gegen den Gleichheit­sgrundsatz von Wahlen, weil Spätwähler bereits Prognosen kannten. „Jetzt kennen die Wähler aber das Endergebni­s“, wundert sich Hardt. Es sei also auch völlig offen, ob die Nachwahl, ist sie erst einmal durchgefüh­rt, Bestand vor den Gerichten hätte.

Die Komplizier­theit des deutschen Wahlrechts führt Jürgen Hardt auf ein altes „Fehlurteil des Bundesverf­assungsger­ichts“und die damit verbundene­n Regeln für Überhangma­ndate zurück. Wegen dieser Mandate wurde der Bundestag von Jahr zu Jahr größer. Das Parlament muss das Wahlrecht deshalb seit Jahren reformiere­n, woran schon mehrere Regierunge­n gescheiter­t sind. Einen aktuellen Entwurf der Ampel lehnt die Union ab, deren Gegenvorsc­hlag wiederum bei der Ampel auf Widerspruc­h stößt.

Manchmal ist Politik dann doch wieder ganz einfach.

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FOTO: CHRISTIAN BEIER Ein schlechtes Ergebnis für die CDU bei der Nachwahl in Berlin könnte Jürgen Hardt sein Bundestags­mandat kosten.

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