Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Eine neue kulturelle Heimat in Lennep
Geflüchtete Jugendliche wie Yana und Milana Mametzka werden in der Schule für Musik und Tanz kostenlos unterrichtet.
REMSCHEID Rund 80 aus der Ukraine geflüchtete Jugendliche haben in der Schule für Musik, Tanz und Theater im Rotationstheater eine neue kulturelle Heimat gefunden. Beim zweiten sogenannten WelcomeDay der Musikschule begrüßte David Schmidt einige der Schülerinnen und Schüler und machte die möglichen neuen Mitglieder der Musikschule mit den Dozenten bekannt. Kleine Darbietungen einiger Musikschüler schlossen sich an.
In besonderer Weise sind die Schwestern Yana und Milana Mametzka mit der Musikschule verbunden. Sie stammen aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew, sind seit März in Deutschland und genossen auch in ihrer Heimat Musikunterricht. Da Yana in der Schule Deutsch lernte, kann sie die Sprache etwas besser sprechen als ihre Schwester. Die 17-jährige Milana spielt Klavier, seit sie sechs Jahre alt war. „Ich wollte Gitarre, Geige oder Klavier lernen“, sagt die junge Frau, „aber in der Klavierklasse waren Plätze frei, und so habe ich mich darauf konzentriert.“
Ganz anders ist es ihrer vier Jahre älteren Schwester Yana ergangen. „Ich wollte unbedingt Klavier lernen“, berichtet sie, „aber es gab keinen Platz in der Klavierklasse. ‚Du kannst in die Klarinettenklasse gehen‘, haben sie gesagt. Und das habe ich dann auch gemacht. Ich spiele jetzt seit zwölf Jahren Klarinette.“Ihr ist bewusst, dass sich Milana, ihre jüngere Schwester, an ihr orientiert hat. „Weil ich Musikerin war, wollte sie auch eine werden“, sagt sie, und Milana nickt bedächtig.
Yana hat in der Ukraine den Bachelor gemacht und lehrt jetzt an der Musikschule musikalische Früherziehung. Für das Klarinettenspiel sind die Sechs- bis Siebenjährigen noch zu klein, aber auf der
Flöte können sie schon spielen. „So habe ich auch angefangen“, erinnert sie sich. Es ist ihr klar, dass es für die Klarinette nicht so viele komponierte Stücke gibt. Aber Mozarts und Webers Klarinettenkonzerte gibt es, von Carl Stamitz sind gleich zehn überliefert, Robert Schumann hat Stücke für Klavier und Klarinette geschrieben, außerdem Myroslaw Skorik, ein ukrainischer Komponist.
Da hat es Milana einfacher. Sie liebt Liszt, Rachmaninow und Bach besonders, hat aber keinen erklärten Lieblingskomponisten. Sie mag diverse Stücke von sehr unterschiedlichen Pianisten.
Im September spielten die Schwestern zum ersten Mal als Duo. Bei der Nacht der Kultur standen Claude Debussy, Camille SaintSaëns, Johann Sebastian Bach sowie George Nosow auf dem Programm. „Und das klappte gut“, sagen die beiden, wollen auch weiterhin zu zweit spielen, jeweils aber auch ihre Solo-Karrieren verfolgen.
„Hier in Deutschland“, sind sie sich einig, „ist das Lernen weniger streng als in der Ukraine, wo der Leistungsdruck schon größer ist. Hier ist es psychologisch einfacher.“Dazu kommt, dass sie sich zurzeit in Remscheid, wo sie seit April leben, wohlfühlen. „Hier ist es sehr angenehm, es ist ruhig und nicht gefährlich. Hier können wir uns gut entwickeln.“Die Ukraine sei jedoch ihre Heimat, und wenn ein sorgloses Leben dort wieder möglich sein sollte, werden sie zurückkehren.
Beim Welcome-Day in Lennep zeigten die Geschwister ihre Güte. Yanas Klarinettenton ist, insbesondere im Sonatensatz von SaintSaëns, kraftvoll und sensibel zur gleichen Zeit. Milana spielt eine Prelude von Debussy und eine andere von Bach, eine quirlige Studie aus dem 2. Buch des „Wohltemperierten Klaviers“, die voller technischer Höchstschwierigkeiten ist. In diesem jungen Alter über diese Reife zu verfügen, bedeutet für Yana und Milana, dass sie ihren musikalischen Weg gehen werden – wo auch immer es sein wird.
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