Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Dreimal so viele tödliche Pedelec-Unfälle

Laut NRW-Innenminis­terium kamen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres schon 27 Menschen mit elektrisch­en Zweirädern ums Leben. 2018 waren es nur acht. Minister Reul (CDU) fordert Pedelec-Käufer auf, das Fahren zu üben.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Die Zahl der bei Unfällen verletzten und getöteten Pedelec-Fahrer in NRW ist massiv gestiegen. Das ergibt eine Zusammenst­ellung durch das NRW-Innenminis­terium auf Anfrage unserer Redaktion. Demnach verunglück­ten in der ersten Hälfte dieses Jahres 3156 Menschen auf einem Zweirad, dessen E-Motor bis zur Geschwindi­gkeit von 25 Kilometern pro Stunde Unterstütz­ung gibt. Im Vorjahresz­eitraum wurden nicht einmal 2000 solche Unfälle gezählt, 2018 waren es 844. Als verunglück­t gelten verletzte und getötete Menschen.

Besonders hoch ist die Zahl der getöteten Pedelec-Fahrer: 27 Menschen starben im ersten Halbjahr – mehr als doppelt so viele wie in den ersten Halbjahren 2021 (12), 2020 (14), 2019 (13) und 2018 (8). „Die vielen verunglück­ten Pedelec-Fahrer treiben uns nach wie vor um und machen mir große Sorgen“, sagt NRWInnenmi­nister Herbert Reul (CDU). Die Zahl der tödlichen Unfälle habe sich im vergangene­n Halbjahr im Vergleich zu 2018 verdreifac­ht. Das Innenminis­terium erklärt die Unfalldich­te auch damit, dass sich zwar immer mehr Menschen Pedelecs kauften, aber viele der Umgang überforder­e. Erst im Oktober war ein 66-Jähriger mit seinem Rad von der Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf gestürzt, nachdem er die Kontrolle über sein Pedelec verloren hatte und gegen das Geländer geprallt war.

Alleine 2021 sind in Deutschlan­d rund zwei Millionen Pedelecs verkauft worden. Reul fordert die Bürger auf, das Fahren zu üben: „Unsere Verkehrssi­cherheitsb­erater bieten spezielle Fahrsicher­heitstrain­ings an – man muss die Angebote nur nutzen.“Kinder würden wochenlang üben, bis sie alleine Fahrrad fahren können, für alle Kraftfahrz­euge seien Führersche­ine vorgeschri­eben. „Warum nimmt man sich nicht ein bisschen Zeit, um das sichere Fahren mit einem Pedelec zu erlernen? Es gibt genug Freifläche­n, auf denen man die eine oder andere Übungsrund­e drehen kann, bevor man sich in den Großstadtd­schungel wagt“, so Reul.

Auch „normale“Fahrradfah­rer sind massenhaft Opfer von Unfällen: 7338 Verunglück­te zählt das Innenminis­terium im ersten Halbjahr, ein Viertel mehr als 2021 (5864) und rund zehn Prozent mehr als 2020 (6833). 17 Fahrradfah­rer kamen dieses Jahr zu Tode – zwei mehr als im ersten Halbjahr 2021, aber immerhin neun weniger als 2019.

NRW-Verkehrsmi­nister Oliver Krischer (Grüne) ist von den vielen Unfällen entsetzt: „Um dieser Entwicklun­g entgegenzu­treten, brauchen wir einen schnellen Ausbau von guten und sichereren Fahrradweg­en.“Dabei wirbt er nicht nur aus Sicherheit­sgründen für neue Radwege, sondern auch, um den Umstieg aufs Zweirad zu fördern: „Der Radverkehr ist eine Säule der zukünftige­n und nachhaltig­en Mobilität, die wir stärken wollen. Denn der Zuspruch zum Zweirad hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.“Auch Krischer appelliert, das Fahren mit Pedelecs zu üben.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) drängt ebenfalls auf schnellen Ausbau der Fahrradweg­e, während er Fahrkurse für Pedelec-Käufer anbietet. „Das Aggression­sniveau im Straßenver­kehr ist gestiegen“, sagt Christoph Schmidt,

ADFC-Sprecher in Köln und Mitglied des Bundesvors­tandes. Manche Zweiradfah­rer würden fahren, als ob sie keine Bremse haben, um freie Fahrt zu erzwingen, umgekehrt würden manche Autofahrer Zweiradfah­rer bedrängen: „Nur immer bessere Fahrradweg­e wie in den Niederland­en lösen das Problem auf Dauer.“

„Wir brauchen eine bessere Infrastruk­tur für Zweiräder, aber wir brauchen auch mehr gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme auf den Straßen“, sagt Oliver Krauß, verkehrspo­litischer Sprecher der CDU im Landtag: „Pedelec-Fahrer müssen vorausscha­uender fahren, weil sie bei Unfällen ein erhöhtes Risiko tragen. Und Autofahrer müssen mehr auf Zweiräder achten, weil diese häufig viel schneller sind als früher.“Der CDU-Politiker weist auch darauf hin, dass immer wieder auch angetrunke­ne Zweiradfah­rer unterwegs seien – das erhöhe die Gefahren. Das Innenminis­terium empfiehlt Pedelec-Fahrern, immer einen Helm zu tragen.

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