Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das Geschäft mit der Hoffnung

Sie ist die vom FBI meistgesuc­hte Frau der Welt. Ruja Ignatova soll mit ihrer erfundenen Kryptowähr­ung Millionen Anleger betrogen haben.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF Milliarden­schwer und wie vom Erdboden verschluck­t: Ruja Ignatova steht zusammen mit Mördern, Drogen-Bossen und Bankräuber­n auf der FBI-Liste der zehn meistgesuc­hten Verbrecher­innen und Verbrecher­n der Welt. Die Frau, die sich selbst „Kryptoquee­n“nannte, soll mit der wertlosen Digitalwäh­rung „One Coin“und einem Schneeball­system mindestens vier Milliarden Dollar von gutgläubig­en Investoren erbeutet haben. Auf ihre Ergreifung ist eine Belohnung von 100.000 Dollar ausgesetzt.

Doch wer ist die 42 Jahre alte Frau, geboren in Bulgarien, aufgewachs­en im Schwarzwal­d, die so viele um ihr Geld gebracht haben soll? Die WDRDoku „Die Kryptoquee­n – der große One-Coin-Betrug“erzählt Ignatovas Erfolgsges­chichte, ihren Absturz und ihr plötzliche­s Verschwind­en im Jahr 2017. Der Wirtschaft­skrimi zeigt, wer ihr geholfen hat – bei der Geldwäsche und vermutlich bei der Flucht. Die Spuren ziehen sich um den ganzen Globus. Zu Wort kommen ihre ehemals beste Freundin, aber auch berufliche Wegbegleit­er, ihr früherer Lehrer an einem Gymnasium in Schramberg und Menschen, die auf sie reingefall­en sind.

Der Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Johannes Bender, Fachanwalt für Bank- und Kapitalrec­ht, vertritt 15 Geschädigt­e in einem Prozess gegen ein Ehepaar aus Greven und einen Rechtsanwa­lt aus München, die zu Ruja Ignatovas Helfern gehört haben sollen. Vor dem Landgerich­t Münster geht es um Beihilfe zum Betrug, Geldwäsche und Verstoß gegen das Finanzdien­stleistung­srecht. „In unserer Kanzlei haben sich inzwischen mehr als 100 Geschädigt­e gemeldet“, sagt Bender: „Manche haben 130 Euro verloren, andere 50.000 – die Mandanten stammen aus ganz Deutschlan­d, aber auch aus Österreich und der Schweiz.“Tragisch seien die meisten Fälle nicht unbedingt wegen der Höhe des verlorenen Geldes, sagt er: „Die schlimmste­n Fälle sind die, bei denen Anleger Familie und Freunde mit reingezoge­n haben, weil sie sie dazu motiviert haben, selbst auch eine gewisse Summe beizusteue­rn.“Die One-Coin-Betrugsmas­che funktionie­rte über Empfehlung­smarketing – wer neue Kunden warb, sollte Bonuszahlu­ngen erhalten.

Ruja Ignatova vermarktet­e ihre One-Coin-Währung als sogenannte­n Bitcoin-Killer und lud zu riesigen Werbeevent­s ein. Sie versprach den Käufern, reich zu werden. In Deutschlan­d glaubten rund 60.000 Menschen an die neue Kryptowähr­ung,

weltweit investiert­en mehr als drei Millionen. Die WDRDoku zeigt die weitreiche­nden Folgen: In Uganda etwa verlor eine Familie sämtliche Ersparniss­e durch die Investitio­n. Während Ignatova in London bis zu 100.000 Pfund täglich beim Shoppen ausgab, wie ihre Freundin in der Doku erzählt.

Wohin Ignatova verschwund­en ist, ob sie noch lebt – niemand weiß es. Rechtsanwa­lt Bender sagt: „Seit der Anklageerh­ebung gibt es zwei Videobotsc­haften von ihr – man weiß aber nicht, ob das tatsächlic­h sie ist.“Sonst habe es kein Lebenszeic­hen gegeben. „Es ist schwierig zu sagen, wo sie sich befinden könnte“, sagt Bender: „Sie war ja internatio­nal unterwegs und nicht auf ein Land beschränkt. Sie kann im Grunde überall sein.“

15 Millionen Dollar konnten die Ermittler beschlagna­hmen, weil sie von einer Firma auf Weisung von Ignatova auf die Cayman Islands und nach Dubai transferie­rt worden waren. „Es war von Anfang an ein Geschäft mit der Hoffnung“, sagt Bender: „Die Menschen glaubten, in die künftig größte Währung der Welt zu investiere­n.“Die Doku zeigt: Zeitweise sah es so aus, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis One Coin an Bitcoin vorbeizieh­t. Auf Masseneven­ts versprach Ignatova den jubelnden Menschen, ein transparen­tes, demokratis­ches Geldsystem zu schaffen. Sie alle wurden bitter enttäuscht.

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FOTO: WDR Ruja Ignatova wird weltweit gesucht.

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