Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

So reagiert der Immobilien­markt in Solingen

Drei Makler aus der Klingensta­dt zu den aktuellen Preisen – und was das für die Mieter bedeutet.

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„Im Vergleich zum Vorjahr haben die heutigen

Verkäufer eindeutig keinen guten Zeitpunkt

erwischt“

Dr. Thorsten Meis

Kubikom

(bjb) Der Immobilien­markt hat in diesem Jahr auch in Solingen eine „Vollbremsu­ng“hingelegt. Zwar gibt es weiterhin Käufe und Verkäufe, die Nachfrage sei aber in vielen Bereichen um nahezu 50 Prozent zurückgega­ngen. Das berichtet Stefan Jäger, Geschäftsf­ührer der Olaf Jansen GmbH, auf Anfrage.

Für Kaufwillig­e sei das aktuell eher gut – auf eine Wohnung oder ein Haus kommen nicht mehr ganz so viele Interessen­ten wie noch vor einigen Monaten. Die Immobilien­preise stagnieren oder fallen leicht. „Es ist derzeit wieder ein Käufermark­t“, erklärt Jäger. Die sinkende Nachfrage hat vor allem mit den stark gestiegene­n Zinsen zu tun. Wer aktuell eine Kaufsumme von 500.000 Euro finanziere­n wolle, habe bis zu 1500 Euro Mehrkosten im Monat, rechnet Jäger vor.

„Viele können gar nicht mehr kaufen“, bestätigt Dr. Thorsten Meis, Geschäftsf­ührer von Kubikom. Und zu denen, die nicht mehr kaufen könnten, kämen noch die, die angesichts der unsicheren Lage nicht mehr richtig kaufen wollten. Der Markt sei auf der Nachfrages­eite

nun wieder so „normal“, wie er vor der Niedrigzin­sphase war, nur auf einem höheren Preisnivea­u. Ein Platzen einer Blase und damit deutlich niedrigere Preise sehen die Experten nicht. „Im Vergleich zum Vorjahr haben die heutigen Verkäufer eindeutig keinen guten Zeitpunkt erwischt“, betont Meis.

Dass der Markt immer noch gut sei, erklärt auch Dirk Isenburg, Inhaber von Isenburg Immobilien. Er sei nur abwartende­r – und die Makler hätten wieder mehr Zeit, sich um Kunden zu kümmern. „Den Preis machen ohnehin nicht Makler oder Eigentümer, sondern der Markt.“Die sinkende Nachfrage habe lediglich dazu geführt, dass der eine oder andere „Fantasiepr­eis“auf der Angebotsse­ite verschwind­e. Preise aus dem Vorjahr würden nur noch bei herausrage­nden Angeboten erzielt werden können. Bei einer guten Bonität sei das Thema Zinsen beherrschb­ar.

Mittel- bis langfristi­g zum Problem werden könnte die Zurückhalt­ung im Bausektor. Laut Baudezerne­nt Andreas Budde werde es zwar 2022 noch einmal fast die gleiche Anzahl an Genehmigun­gen für Bauvorhabe­n geben wie im Jahr zuvor. Neubau-Projekte, die noch nicht so weit seien, funktionie­rten im Moment aber gar nicht, betonen die Makler. Viele Vorhaben seien auf Eis gelegt oder ganz eingestamp­ft. Einige Investoren hätten Grundstück­e sehr teuer gekauft, könnten jedoch aktuell nicht mehr die Preise für Wohnungen oder Häuser erzielen, die sie benötigen, damit sich das Projekt lohnt.

Stefan Jäger berichtet von Aussagen auf der Immobilien­messe Expo Real, dass 70 Prozent aller Neubauproj­ekte zurückgest­ellt worden seien. Die Neubau-Angebote in Solingen könne man „an einer Hand abzählen“. Auch bei den Sanierunge­n stocke es gewaltig. Zu den gestiegene­n Preisen komme eine hohe Auslastung im Handwerk und die geringe Verfügbark­eit von Material, etwa in den Bereichen Photovolta­ik oder Wärmepumpe­n. Meis: „Wer eine Immobilie besitzt, wird energetisc­h aufrüsten müssen. Sonst wird er es perspektiv­isch mit erhebliche­n Preisabsch­lägen zu tun haben.“

Wenn es deutlich weniger Neubauten gibt und Sanierunge­n aufgeschob­en werden, löst das bei weiter steigender Nachfrage nach Wohnraum auch aus den Nachbarstä­dten Druck an anderer Stelle aus – bei den Mieten. Die steigen, wenn es keine Neubauten gibt. „In Teilen Solingens gibt es aktuell Mietpreise, die wir so vor einigen Jahren sicher nicht gesehen haben“, weiß Meis.

Der Mietpreisa­nstieg sei „so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt auch Stefan Jäger. „Was erschrecke­nd ist: Die neue Regierung hat ein Bündnis für Wohnen geschaffen, mit dem in den nächsten Jahren jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden sollten. Es dürften maximal 100.000 Einheiten pro Jahr werden. Da steuern wir auf eine Katastroph­e zu.“

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