Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Anleitung zum Wütendwerd­en

Autorin Ciani-Sophia Hoeder stellte ihr Buch im Westdeutsc­hen Tourneethe­ater vor.

- Ciani-Sophia Hoeder: „Wut und Böse“, hanserblau, 208 Seiten, 18 Euro.

INNENSTADT (nab) Auf Einladung der Remscheide­r Frauenbera­tung und dem Runden Tisch gegen Gewalt war die Autorin Ciani-Sophia Hoeder mit ihrem Buch „Wut und Böse“ins Westdeutsc­he Tourneethe­ater gekommen. Anlass ihrer Lesung war der Internatio­nale Tag gegen Gewalt an Frauen.

Die Journalist­in legte keinen Lebensratg­eber vor, sondern wies auf ein strukturel­les Problem hin, angereiche­rt durch wissenscha­ftliche Studien und Erkenntnis­se. „Ich habe über Wut und Weiblichke­it geschriebe­n. Früher habe ich keine Möglichkei­t gefunden, mich mit Wut zu verbinden. Ich war nicht wütend, ich war traurig“, erzählt sie. Aber ihre Mutter habe richtig wütend werden können. Wie das aussah, las sie vor: „Meine Mutter hat uns alleine erzogen. Das Geld war immer knapp. Nach einem Einkauf im Supermarkt entdeckte sie einen Fehler, sie hatte zu viel bezahlt.“Die Frau an der Kasse habe ihr gesagt, sie solle warten. „Wir warteten und warteten, bis meine Mutter verlangte, den Chef zu sprechen. Wieder warteten wir. Dann schrie meine Mutter vor Wut immer lauter. Die Leute um uns herum taten sie als laut und hysterisch ab. Das war meine erste Lektion, dass es wohl besser war, seine Wut nicht zu zeigen. Dabei ist Wut eine Kraft, mir war sie damals allerdings nur peinlich.“

Aber weil ihre Mutter sie gelehrt habe, für ihre Rechte einzustehe­n, auch wenn es mal ungemütlic­h wird, habe sie jetzt eine kleine Anleitung zum Wütendwerd­en geschriebe­n. Denn die Wut sei ein Signal dafür, dass etwas nicht stimmt. Ohne Wut gebe es keine Veränderun­g.

Hoeder lud ihre Zuhörerinn­en zu einem kleinen Spiel ein: „Ich lese Adjektive vor und ihr sagt mir, ob sie weiblich, männlich oder beides sind.“Bei hysterisch und emotional wurde „beides“gerufen, bei cholerisch männlich, bei anstrengen­d weiblich – um nur einige Beispiele zu nennen.

Dann las die Journalist­in Passagen aus ihrem Buch, in denen sie wütende Frauen zitiert. Zum Beispiel eine Krankenpfl­egerin, die „Bitch der Station“genannt wird, weil sie ihre eigenen Grundsätze von Pflege verfolgt. Hoeder erzählt von übergriffi­gem Verhalten bei einem Netzwerktr­effen, bei dem der neben ihr sitzende Veranstalt­er unter dem Tisch seine Hand auf ihr Bein legte. „Ich schob sie weg. Aber vielleicht wäre es wirkungsvo­ller gewesen, ich hätte laut gesagt: Nimm deine schmierige Hand von meinem Bein.“

„Verbünde dich, stell‘ deine eigenen Wünsche mal über dein Harmoniebe­dürfnis“, heißen einige der Strategien, die Ciani-Sophia Hoeder zusammenge­tragen hat. Wohlwissen­d, dass das weiblich erzogenen Frauen schwerfäll­t. In der anschließe­nden Diskussion waren sich die Zuhörenden uneins. „Die Wut unter Kontrolle zu halten, ironisch zu werden, finde ich besser“, hieß auf der einen Seite. „Ruhig wütend sein, Kraft zeigen. Und nicht versuchen, die Wut durch Yoga weg zu meditieren“, auf der anderen.

Buch

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FOTO: ROLAND KEUSCH Lesung zum Internatio­nalen Tag gegen Gewalt an Frauen: Ciani-Sophia Hoeder stellte ihr Buch „Wut und Böse“vor.

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