Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Der Rechtsstaa­t in Lützerath

- VON HORST THOREN

Da reden manche vom letzten Gefecht, vom Showdown, von der Entscheidu­ngsschlach­t: Schon die Begriffe sind falsch und verräteris­ch. Sie machen die Auseinande­rsetzung um Lützerath zu einem Kriegsszen­ario, als ginge es um Leben und Tod. Dabei ist der Kampf um die letzten Häuser des längst verlassene­n Dorfes im Rheinische­n Braunkohle­revier nichts anderes als Symbolpoli­tik. Von Lützerath ist nichts mehr übrig, das rettenswer­t wäre. So stehen in der ersten Reihe des Protests nicht etwa die früheren Bewohner, die ihre Heimat verloren haben. Wortführer sind vielmehr profession­elle Kohlegegne­r.

Die Öko-Ideologen, deutschlan­dweit zum Widerstand mobilisier­t, wollen mit ihren Camps am Tagebauran­d torpediere­n, was Bundestag und Landtag gebilligt haben: den Weiterbetr­ieb der Kohlekraft­werke. Ohne die Lützerath-Kohle geht das nicht. Doch ohne Strom aus Kohle droht der Blackout. Deshalb haben die Grünen, in Düsseldorf wie in Berlin in Regierungs­verantwort­ung, den Kohlekompr­omiss auf den Weg gebracht. Das hat die Fronten verändert – Mona Neubaur wie Robert Habeck, einst Mitstreite­r der Klimabeweg­ung, stehen jetzt aus Sicht der Aktivisten auf der anderen Seite der Barrikaden.

Die neue Apo, eine teils militante Ausprägung der außerparla­mentarisch­en Opposition, schreckt vor Rechtsbruc­h nicht zurück; sie hat schon am Hambacher Forst gezeigt, dass sie Gewalt nicht konsequent ablehnt. Und dennoch muss die Demokratie diese Form der Debatte aushalten. Wer jetzt zu Recht von der Polizei fordert, die Auseinande­rsetzung nicht eskalieren zu lassen, sollte einen solchen Appell vor allem an die Aktivisten richten. Die werden akzeptiere­n müssen, dass alle Freiheiten ihre Grenzen in Recht und Gesetz finden. Dass Lützerath abgebagger­t wird, ist insoweit nicht verhandelb­ar.

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