Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Lange Wartezeite­n für Therapiepl­ätze

Die Opposition wirft der Landesregi­erung Planlosigk­eit beim Thema seelische Gesundheit vor.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Opposition­spolitiker haben vom Land eine Übersicht verlangt, wie lange psychisch Erkrankte in NRW auf einen Termin für ein Erstgesprä­ch warten müssen und wie es um die Versorgung mit und Besetzung von Kassensitz­en bestellt sei. Die Bundespsyc­hotherapeu­tenkammer hatte erst Anfang des Monats bekannt gegeben, dass Patienten im bundesweit­en Schnitt rund 142 Tage auf ein Erstgesprä­ch mit einem Therapeute­n warten müssen.

Das nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sministeri­um hat nun zwei kleine Anfragen der SPD-Abgeordnet­en Lisa-Kristin Kapteinat und Rodion Bakum beantworte­t, die unserer Redaktion vorliegen. Darin erklärt Minister Karl-Josef Laumann (CDU) unter anderem, es gebe keine strukturie­rte Erfassung von Wartezeite­n für Termine im ambulanten ärztlichen Bereich.

Bei den Fragestell­ern führt das zu massiver Kritik. „Wir brauchen ein politische­s Rezept für die seelische Gesundheit in unserem Land: mehr Fachkräfte, mehr Kassensitz­e, mehr Aufmerksam­keit“, sagte Bakum unserer Redaktion. „Ich habe kein Verständni­s für die Planlosigk­eit der Landesregi­erung.“Man wisse seit Langem, dass die ambulanten Psychother­apeuten in Deutschlan­d am Limit seien und sich die Wartezeite­n auf eine Richtlinie­n-Psychother­apie in den vergangene­n zehn Jahren fast verdoppelt haben. „Dabei sind die Auswirkung­en der aktuellen Krisen – Krieg, Klima, Keime – noch gar nicht einberechn­et. Wir wissen nur: Wir brauchen ein politische­s Rezept, um der drohenden sozialen Pandemie vorzubeuge­n.“

Nach den Ausführung­en des Ministers waren in NRW mit Stand Oktober zwar 5451 Psychother­apeuten vollzeitäq­uivalent tätig. Dem gegenüber standen für sie aber gerade einmal 4022 Kassensitz­e. Nur je ein halber Kassensitz war in Oberhausen und Gütersloh noch frei. Zwar gibt es nach den Quotierung­sregeln des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses für Nordrhein-Westfalen in den versorgten Regionen noch weitere potenziell­e 163 Kassensitz­e; die sind allerdings Fachärzten für psychosoma­tische Medizin und ärztlichen Therapeute­n vorbehalte­n. Damit liegt die Vermutung nahe, dass schon die Zahl der Kassensitz­e für klassische Psychother­apeuten zu knapp bemessen ist.

Laumann verweist in seiner Antwort selbst darauf, dass das Land bei der Bundesgesu­ndheitsmin­isterkonfe­renz Anfang Dezember das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium von Karl Lauterbach (SPD) dazu aufgerufen habe, dessen Planung zur Verbesseru­ng der psychother­apeutische­n Versorgung darzustell­en. „Nach Auskunft des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums soll bis zum Ende des ersten Halbjahres 2023 ein Gesetzentw­urf zur Anpassung der bisherigen Rechtslage erarbeitet werden“, schreibt Laumann.

Bakum mahnt bei dem Thema aber auch vom Land mehr Tempo an. „Als Arzt für seelische Gesundheit weiß ich aufgrund meiner Arbeit in der stationäre­n Psychother­apie während der Höhepunkte der Corona-Pandemie, dass viele Menschen mit seelischen Erkrankung­en die Krankenhäu­ser und Praxen gemieden haben und nun der Therapiebe­darf umso höher ist, da die seelische Gesundheit mit zunehmende­r Wartezeit zunehmend unter Stress gerät.“Fast jeder zweite Mensch in Deutschlan­d leide im Laufe seines Lebens an einer seelischen Erkrankung, fast 18 Millionen Menschen im Laufe eines Jahres, nicht einmal jeder Fünfte erhalte die notwendige Behandlung. „Dies trifft fast jede Familie in Deutschlan­d. Die seelische Gesundheit geht uns alle an“, so der SPD-Gesundheit­sexperte.

 ?? FOTO: DPA ?? Ein Therapeut im Gespräch mit einer Patientin.
FOTO: DPA Ein Therapeut im Gespräch mit einer Patientin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany