Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Koalitionsstreit um Senkung der Einkommensteuer
Finanzminister Lindner hatte den Schritt ins Spiel gebracht, um die Wirtschaft zu stärken. Dagegen wollen SPD und Grüne Reiche stärker belasten.
BERLIN FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat im Koalitionsstreit um die Steuerpolitik den Kurs seiner Partei verteidigt. „Mit der FDP wird es keine Steuererhöhungen geben. In der aktuellen Krisenlage wäre es grundfalsch, Steuern zu erhöhen oder neue Steuern einzuführen“, sagte Djir-Sarai unserer Redaktion: „Wir müssen alles unterlassen, was die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes weiter schwächt und die wirtschaftliche Erholung hemmt.“
Energiekrise, Inflation, Bürokratie, Fachkräftemangel und eine jahrelang vernachlässigte Infrastruktur würden die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden. „Deutschland ist zudem bereits ein Hochsteuerland. Vor diesem Hintergrund die Steuern zu erhöhen, würde einen bestehenden Standortnachteil noch weiter verschärfen“, so Djir-Sarai.
Zuletzt hatte SPD-Chefin Saskia Esken angesichts der gegenwärtigen Krisen eine höhere Belastung für Reiche gefordert: „Wenn wir uns die Aufgaben anschauen, die vor uns liegen mit der Bildungsgerechtigkeit, der Digitalisierung, dem klimaneutralen Umbau dessen, wie wir wirtschaften und leben, dann denke ich eher, dass die sehr hohen Einkommen und Vermögen dazu mehr beitragen müssten“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zuvor hatte es einen Vorstoß aus dem Ressort von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gegeben, die Einkommensteuer zu senken.
Esken erklärte dazu, zuletzt habe man den Mindestlohn angehoben, die niedrigen Einkommen bei den Sozialabgaben und die mittleren und hohen Einkommen bei der Steuer entlastet, damit die Inflation etwa besser bewältigt werden könne: „Ich bin der Überzeugung: Die sehr hohen Einkommen hätten diese Entlastung nicht gebraucht.“
Das Papier aus dem Bundesfinanzministerium hält angesichts der aktuellen Wirtschaftslage jedoch eine Senkung der Einkommensteuer für angebracht. Minister Lindner hatte seine Fachleute um Vorschläge gebeten, wie die wirtschaftliche Erholung beschleunigt werden könnte. „Neben den genannten Maßnahmen kommt auch eine generelle Reduzierung des Tarifs bei Einkommen- und Körperschaftsteuer
in Betracht“, heißt es in dem Papier. Alternativ sei die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags denkbar.
Besonders die Grünen hatten sofort Kritik an dem Papier geübt. „Was wir nicht brauchen, sind Vorschläge, die der Finanzminister über die Feiertage aus verstaubten FDPWahlkampfkisten gezogen hat“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem „Spiegel“.
Ungeachtet der Kritik von SPD und Grünen an den Vorschlägen aus dem Finanzministerium pochte nun auch FDP-Generalsekretär Djir-Sarai auf eine Senkung der Einkommensteuer. Die Priorität des politischen Handelns müsse jetzt darauf liegen, den Standort Deutschland zu stärken, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern und Arbeitsplätze zu sichern: „Dazu müssen wir Anreize für Investitionen schaffen, unnötige bürokratische Hemmnisse abbauen,
Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen und das Fachkräfteangebot stärken“, sagte DjirSarai. „Darüber hinaus halte ich es für richtig, in der Koalition ernsthaft über eine Senkung der Einkommenund Körperschaftsteuer zu sprechen, um zu verhindern, dass Deutschland im internationalen Standortwettbewerb weiter zurückfällt“, so der FDP-Politiker.
Auch Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) erteilte Eskens Vorschlägen für eine höhere Belastung von Reichen eine Absage. „Frau Esken hat die Brisanz der aktuellen wirtschaftlichen Lage offenkundig nicht erfasst. Wir erleben eine der größten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Middelberg auf Anfrage unserer Redaktion: „Unsere Wirtschaft steuert Richtung Abschwung. Höhere Steuern wären jetzt Gift für dringend erforderliche Investitionen und würden unsere Arbeitsplätze massiv gefährden.“