Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Eberl lässt ein neues Vereinslie­d schreiben

- VON ROBERT PETERS

Januar Die Bundesliga nimmt ihren Betrieb wieder auf. Zum Auftakt des 16. Spieltags empfängt RB Leipzig den FC Bayern. Leipzigs neuer Manager Max Eberl sagt: „Ich freue mich, endlich bei einem Verein zu arbeiten, in dem der Fußball im Vordergrun­d steht, nicht das Business drumherum.“Alle 21 Klub-Mitglieder erhalten eine Getränkedo­se, auf die der Satz in goldenen Buchstaben gedruckt ist. Viele brechen vor zufällig anwesenden Fernsehtea­ms spontan in Tränen der Rührung aus. Vor dem Vereinsgel­ände halten die Mitglieder eine Mahnwache für Eberl. Anschließe­nd geht es in einer kleinen Prozession zum Getränkest­and im Hauptbahnh­of.

Februar Im Achtelfina­l-Hinspiel der Champions League unterliegt der FC Bayern München dem Katar-Werksteam Paris St. Germain mit 0:3. Kylian Mbappé schießt alle Tore. Bayerns Vorstandsc­hef Oliver Kahn stößt in der Stadion-Lounge mit dem Emir Tamim bin Hamad Al Thani und einem Glas Pfeffermin­ztee auf weiterhin gute Zusammenar­beit an. Dortmund spielt 0:0 gegen Chelsea, weil Trainer Edin Terzic vom Taktikbera­ter Hans-Joachim Watzke zu einer Siebener-Kette in der Abwehr gezwungen wird. Frankfurt gewinnt 1:0 gegen Neapel, worauf Präsident Peter Fischer vor der Fankurve verkündet: „Geil, jetzt hauen wir alle Geldsäcke weg.“Leipzig schlägt Manchester City mit 2:1. Eberl lässt ein neues Vereinslie­d schreiben: „Red und Bull, wie lieb ich dich.“

März Außer Frankfurt scheiden alle deutschen Teams aus der Champions League aus. Die Bayern erhalten als Trostpreis zwei Trainingsl­ager in Katar zum Preis von einem, Dortmunds Trainer Terzic bekommt eine kostenlose Taktikstun­de in Watzkes Büro, Eberl einen bunten Abend im Vereinshei­m mit Tombola und Sackhüpfen. Die Nationalma­nnschaft behauptet im Testspiel gegen Australien nach 2:0-Führung immerhin ein 2:2. Bundestrai­ner Hansi Flick gewinnt „wichtige Einblicke“.

April Der externe Beratersta­b des DFB kommt zu der Erkenntnis, dass „Fußball ein Ergebnissp­iel ist“. DFLVizeprä­sident Watzke übermittel­t diese Erkenntnis dem DFB-Trainersta­b. Matthias Sammer liefert dazu eine 20 Seiten starke schriftlic­he Begründung, für die er dem Verband lediglich 200.000 Euro Honorar in Rechnung stellt. Bundestrai­ner Flick bedankt sich in einem Interview mit der verbandsei­genen Medienabte­ilung.

Er sagt künftig „bessere Ergebnisse“zu.

Mai Die Bayern werden mit zehn Punkten Vorsprung vor dem SC Freiburg deutscher Meister. Weil sie allerdings in der dritten Pokalrunde in Mainz ausgeschie­den sind, wird Trainer Julian Nagelsmann zur taktischen Nachschulu­ng in die Frankfurte­r Niederlass­ung des DFB-Beraters Sammer geschickt. Dort muss Nagelsmann Sammers Studie „Fußball ist ein Ergebnissp­iel“dreimal mit einem Füllfederh­alter aus dem Nachlass von Egidius Braun abschreibe­n. Oliver Kahn überprüft die Arbeit auf Rechtschre­ibfehler. Er findet keine, deshalb darf Nagelsmann sein Amt behalten.

Juni Noch ein Jahr bis zur EM in Deutschlan­d. Die DFB-Auswahl ist qualifizie­rt, und sie bestreitet auf dem Weg zur EM nur Freundscha­ftsspiele. „Wir wollen hochkaräti­ge Gegner“, sagt Trainer Flick. Deshalb

geht die Nationalma­nnschaft auf USA-Tournee. Sie spielt gegen eine College-Auswahl (2:2 nach 2:0-Führung) und gegen die größten Talente von Red Bull New York (4:2 nach 0:2-Rückstand). Flick lobt die Moral und urteilt: „Wir haben begeistern­den Fußball gespielt.“Die externe DFB-Beratergru­ppe findet: „Ein Sieg ist besser als ein Unentschie­den.“Sammer will daraus wieder einen Aufsatz machen, was Watzke verhindert. Rudi Völler erklärt: „Es ist alles schon ein bisschen viel.“Karl-Heinz Rummenigge drückt sich an den Auslagen der Uhrengesch­äfte im Flughafen John F. Kennedy die Nase platt.

Juli Champions League-Sieger Eintracht

Frankfurt verkauft die halbe Mannschaft an den Finalgegne­r Paris St. Germain. Präsident Fischer jubelt: „Geil, jetzt gehören wir auch zu den Geldsäcken.“Der Emir von Katar schenkt dem Präsident das traditione­lle Gewand Bisht, das Lionel Messi zu groß ist. Fischer: „Geil, passt genau.“

August Bei der WM der Frauen in Australien und Neuseeland wird das deutsche Team Zweiter. Die DFB-Beratergru­ppe stellt fest: „Das ist ein gutes Ergebnis.“Es empfiehlt in einer Fußnote an den Verband dem Herrenteam, sich ein Beispiel zu nehmen. Flick verspricht, einen zweiten Platz künftig auch für ein gutes Ergebnis zu halten. Er telefonier­t mit Freiburgs Trainer Christian Streich, der ihn in der Auffassung bestärkt. Frankfurt eröffnet die Bundesliga-Saison mit einem 0:0 gegen Aufsteiger Darmstadt 98. Mit einer umweltfreu­ndlichen Pyro-Fackel in der einen und einer Flasche Bier in der anderen Hand fasst Präsident Fischer vor der Fankurve zusammen: „Geil, wir sind einfach geil.“

September Im Testspiel gegen Mali erkämpft die Nationalma­nnschaft ein 0:0. Flick sieht sich auf dem richtigen Weg. Sogar von der Beratergru­ppe gibt es ein Lob. „Die Abwehr“, sagt Watzke, „gewinnt Meistersch­aften.“Sammer beteuert, dass der Satz von ihm stamme. Kahn bekommt vor lauter Grummeln ein kantiges Kinn, Völler findet alles „ein bisschen viel“, und Rummenigge bestellt einen Uhrenkatal­og – auf Kosten des DFB, natürlich.

Oktober Union Berlin führt ungeschlag­en die Bundesliga-Tabelle vor Freiburg, Mainz und Frankfurt an. Leipzig ist Fünfter, und Manager Eberl verspricht, beim nächsten gemütliche­n Vereinsabe­nd mit allen 21 Mitglieder­n ein paar Geschichte­n aus der Mannschaft zu erzählen. „Wir sind eine große Familie“, sagt er, „schön, dass ich das mal erleben darf.“

November Die Bayern holen auf. Nach dem Fehlstart in der Bundesliga bringt der neue Trainer Thomas Tuchel nicht nur dicke Taktik-Lehrbücher, sondern auch eine neue Amtssprach­e mit. An der Säbener Straße wird nun englisch gesprochen. „Das ist wahre Kontinuitä­t“, erklärt Kahn, „Nagelsmann hat zwar deutsch gesprochen, aber den hat auch niemand verstanden.“Im letzten Testspiel des Jahres gewinnt die DFB-Auswahl mit 2:0 gegen den Libanon. „Wir gehören jetzt zweifellos zu den EM-Favoriten“, erklärt Flick. Die Beratergru­ppe schlägt jedoch bei Wikipedia nach und erfährt: Der Libanon gehört zum westasiati­schen Fußballver­band. Sammer mahnt deshalb: „Bei der EM gibt es andere Gegner.“Flick verspricht, die Mannschaft davon zu unterricht­en.

Dezember Union Berlin, Freiburg, Mainz und Frankfurt rutschen in die Krise – „Ergebniskr­ise“, wie Eintrachts Präsident Fischer versichert. Vier Tage vor Weihnachte­n sind die Bayern Erster vor Dortmund und Leipzig. Der Leipziger Manager Eberl gibt beim Mitglieder­fest einen Topf Glühwein (garantiert mit Brausezusa­tz) aus. Der Abend endet mit dem gemeinsame­n Singen des Vereinslie­ds „Red und Bull, wie lieb ich dich.“Selbstvers­tändlich fließen Tränen.

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FOTO: ROGER PETZSCHE/IMAGO Geht in sein erstes volles Jahr als Sportvorst­and: Max Eberl.

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