Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Eberl lässt ein neues Vereinslied schreiben
Januar Die Bundesliga nimmt ihren Betrieb wieder auf. Zum Auftakt des 16. Spieltags empfängt RB Leipzig den FC Bayern. Leipzigs neuer Manager Max Eberl sagt: „Ich freue mich, endlich bei einem Verein zu arbeiten, in dem der Fußball im Vordergrund steht, nicht das Business drumherum.“Alle 21 Klub-Mitglieder erhalten eine Getränkedose, auf die der Satz in goldenen Buchstaben gedruckt ist. Viele brechen vor zufällig anwesenden Fernsehteams spontan in Tränen der Rührung aus. Vor dem Vereinsgelände halten die Mitglieder eine Mahnwache für Eberl. Anschließend geht es in einer kleinen Prozession zum Getränkestand im Hauptbahnhof.
Februar Im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League unterliegt der FC Bayern München dem Katar-Werksteam Paris St. Germain mit 0:3. Kylian Mbappé schießt alle Tore. Bayerns Vorstandschef Oliver Kahn stößt in der Stadion-Lounge mit dem Emir Tamim bin Hamad Al Thani und einem Glas Pfefferminztee auf weiterhin gute Zusammenarbeit an. Dortmund spielt 0:0 gegen Chelsea, weil Trainer Edin Terzic vom Taktikberater Hans-Joachim Watzke zu einer Siebener-Kette in der Abwehr gezwungen wird. Frankfurt gewinnt 1:0 gegen Neapel, worauf Präsident Peter Fischer vor der Fankurve verkündet: „Geil, jetzt hauen wir alle Geldsäcke weg.“Leipzig schlägt Manchester City mit 2:1. Eberl lässt ein neues Vereinslied schreiben: „Red und Bull, wie lieb ich dich.“
März Außer Frankfurt scheiden alle deutschen Teams aus der Champions League aus. Die Bayern erhalten als Trostpreis zwei Trainingslager in Katar zum Preis von einem, Dortmunds Trainer Terzic bekommt eine kostenlose Taktikstunde in Watzkes Büro, Eberl einen bunten Abend im Vereinsheim mit Tombola und Sackhüpfen. Die Nationalmannschaft behauptet im Testspiel gegen Australien nach 2:0-Führung immerhin ein 2:2. Bundestrainer Hansi Flick gewinnt „wichtige Einblicke“.
April Der externe Beraterstab des DFB kommt zu der Erkenntnis, dass „Fußball ein Ergebnisspiel ist“. DFLVizepräsident Watzke übermittelt diese Erkenntnis dem DFB-Trainerstab. Matthias Sammer liefert dazu eine 20 Seiten starke schriftliche Begründung, für die er dem Verband lediglich 200.000 Euro Honorar in Rechnung stellt. Bundestrainer Flick bedankt sich in einem Interview mit der verbandseigenen Medienabteilung.
Er sagt künftig „bessere Ergebnisse“zu.
Mai Die Bayern werden mit zehn Punkten Vorsprung vor dem SC Freiburg deutscher Meister. Weil sie allerdings in der dritten Pokalrunde in Mainz ausgeschieden sind, wird Trainer Julian Nagelsmann zur taktischen Nachschulung in die Frankfurter Niederlassung des DFB-Beraters Sammer geschickt. Dort muss Nagelsmann Sammers Studie „Fußball ist ein Ergebnisspiel“dreimal mit einem Füllfederhalter aus dem Nachlass von Egidius Braun abschreiben. Oliver Kahn überprüft die Arbeit auf Rechtschreibfehler. Er findet keine, deshalb darf Nagelsmann sein Amt behalten.
Juni Noch ein Jahr bis zur EM in Deutschland. Die DFB-Auswahl ist qualifiziert, und sie bestreitet auf dem Weg zur EM nur Freundschaftsspiele. „Wir wollen hochkarätige Gegner“, sagt Trainer Flick. Deshalb
geht die Nationalmannschaft auf USA-Tournee. Sie spielt gegen eine College-Auswahl (2:2 nach 2:0-Führung) und gegen die größten Talente von Red Bull New York (4:2 nach 0:2-Rückstand). Flick lobt die Moral und urteilt: „Wir haben begeisternden Fußball gespielt.“Die externe DFB-Beratergruppe findet: „Ein Sieg ist besser als ein Unentschieden.“Sammer will daraus wieder einen Aufsatz machen, was Watzke verhindert. Rudi Völler erklärt: „Es ist alles schon ein bisschen viel.“Karl-Heinz Rummenigge drückt sich an den Auslagen der Uhrengeschäfte im Flughafen John F. Kennedy die Nase platt.
Juli Champions League-Sieger Eintracht
Frankfurt verkauft die halbe Mannschaft an den Finalgegner Paris St. Germain. Präsident Fischer jubelt: „Geil, jetzt gehören wir auch zu den Geldsäcken.“Der Emir von Katar schenkt dem Präsident das traditionelle Gewand Bisht, das Lionel Messi zu groß ist. Fischer: „Geil, passt genau.“
August Bei der WM der Frauen in Australien und Neuseeland wird das deutsche Team Zweiter. Die DFB-Beratergruppe stellt fest: „Das ist ein gutes Ergebnis.“Es empfiehlt in einer Fußnote an den Verband dem Herrenteam, sich ein Beispiel zu nehmen. Flick verspricht, einen zweiten Platz künftig auch für ein gutes Ergebnis zu halten. Er telefoniert mit Freiburgs Trainer Christian Streich, der ihn in der Auffassung bestärkt. Frankfurt eröffnet die Bundesliga-Saison mit einem 0:0 gegen Aufsteiger Darmstadt 98. Mit einer umweltfreundlichen Pyro-Fackel in der einen und einer Flasche Bier in der anderen Hand fasst Präsident Fischer vor der Fankurve zusammen: „Geil, wir sind einfach geil.“
September Im Testspiel gegen Mali erkämpft die Nationalmannschaft ein 0:0. Flick sieht sich auf dem richtigen Weg. Sogar von der Beratergruppe gibt es ein Lob. „Die Abwehr“, sagt Watzke, „gewinnt Meisterschaften.“Sammer beteuert, dass der Satz von ihm stamme. Kahn bekommt vor lauter Grummeln ein kantiges Kinn, Völler findet alles „ein bisschen viel“, und Rummenigge bestellt einen Uhrenkatalog – auf Kosten des DFB, natürlich.
Oktober Union Berlin führt ungeschlagen die Bundesliga-Tabelle vor Freiburg, Mainz und Frankfurt an. Leipzig ist Fünfter, und Manager Eberl verspricht, beim nächsten gemütlichen Vereinsabend mit allen 21 Mitgliedern ein paar Geschichten aus der Mannschaft zu erzählen. „Wir sind eine große Familie“, sagt er, „schön, dass ich das mal erleben darf.“
November Die Bayern holen auf. Nach dem Fehlstart in der Bundesliga bringt der neue Trainer Thomas Tuchel nicht nur dicke Taktik-Lehrbücher, sondern auch eine neue Amtssprache mit. An der Säbener Straße wird nun englisch gesprochen. „Das ist wahre Kontinuität“, erklärt Kahn, „Nagelsmann hat zwar deutsch gesprochen, aber den hat auch niemand verstanden.“Im letzten Testspiel des Jahres gewinnt die DFB-Auswahl mit 2:0 gegen den Libanon. „Wir gehören jetzt zweifellos zu den EM-Favoriten“, erklärt Flick. Die Beratergruppe schlägt jedoch bei Wikipedia nach und erfährt: Der Libanon gehört zum westasiatischen Fußballverband. Sammer mahnt deshalb: „Bei der EM gibt es andere Gegner.“Flick verspricht, die Mannschaft davon zu unterrichten.
Dezember Union Berlin, Freiburg, Mainz und Frankfurt rutschen in die Krise – „Ergebniskrise“, wie Eintrachts Präsident Fischer versichert. Vier Tage vor Weihnachten sind die Bayern Erster vor Dortmund und Leipzig. Der Leipziger Manager Eberl gibt beim Mitgliederfest einen Topf Glühwein (garantiert mit Brausezusatz) aus. Der Abend endet mit dem gemeinsamen Singen des Vereinslieds „Red und Bull, wie lieb ich dich.“Selbstverständlich fließen Tränen.