Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Wohlfeile Beschwichtigungen helfen nicht mehr weiter
Das Aus von Café Kersting ist der nächste Tiefschlag für die City. Weitere werden folgen, wenn man die Gründe für die Misere nicht endlich benennt.
Das Jahr endet schlecht. Mit dem Café Kersting schließt ein weiteres Traditionsgeschäft in der Solinger Innenstadt – wodurch der Ausverkauf der City in die nächste Runde geht. Wobei man sich besser nicht der Illusion hingeben sollte, dass der ab Ende Januar verwaiste Standort am Ohliger Tor adäquaten Ersatz bekommt. Vielmehr droht schlimmstenfalls der nächste Leerstand, bestenfalls der x-te Billigladen in der City.
Gleichzeitig kann man es den Verantwortlichen bei Café Kersting nicht verdenken, dass sie die Notbremse ziehen. Schließlich beginnt jede strategische Planung mit einer
MARTIN OBERPRILLER realistischen Lagebeurteilung. Erst danach folgt die Zieldefinition, denn nur die aktuelle Lage verschafft Klarheit, ob man das Ziel mit den verfügbaren Ressourcen überhaupt erreichen kann.
Und da sieht es in der Solinger Innenstadt eben mehr als traurig aus. Gerade der Bereich um den Busbahnhof am Graf-WilhelmPlatz sowie die Kölner Straße haben sich in den vergangenen Jahren zu einer Gegend gewandelt, in der sich zahlreiche Leute nur noch ungern aufhalten. Eine mehr oder weniger offene Drogen- und Trinkerszene, teilweise aggressives Betteln sowie Pöbeleien sorgen dafür, dass die City für viele längst zu einem Angstraum verkommen ist.
Jedenfalls helfen in dieser Situation auch all jene wohlfeilen Beschwichtigungen kaum noch, die vor allem solche Zeitgenossen auf Lager haben, die sich selbst eher selten in die City verirren. Dass Solingen in der Kriminalitätsstatistik gut dasteht, nutzt nichts, wenn man einfach das Gefühl hat, vor allem im Dunkeln nicht mehr sicher zu sein.
Es ist Zeit, den Realitäten ins Auge zu sehen. Die fehlende Attraktivität der City hat ihre Gründe nicht nur in allgemeinen Wandlungsprozessen im Handel, sondern lässt sich zu einem erheblichen Teil auf spezifisch Solinger Bedingungen zurückführen. Selbstverständlich ist mit dieser Erkenntnis noch keine Verbesserung verbunden. Aber sie ist Voraussetzung dafür, dass es irgendwann vielleicht doch wieder besser wird. Immerhin ist es Ziel, der Innenstadt in den kommenden Jahren etwa an der Hauptstraße nicht nur ein neues Aussehen, sondern neue Funktionen zu geben. Mehr Wohnen, weniger Handel – das klappt nur, wenn sich die Menschen sicher und wohl fühlen. Das Ende von Café Kersting ist nicht der erste Warnschuss. Und es wird auch nicht der letzte bleiben, wenn es keine Änderungen gibt.