Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Im Bewerbungs­poker nicht verzocken

Beim Angebot gleich zusagen oder noch auf ein besseres warten? Wer auf Jobsuche ist, muss manchmal pokern. Mit welcher Strategie fahren Bewerber am besten? Experten aus den unterschie­dlichsten Bereichen geben Tipps.

- VON CHARLOTTE RUBLE

Neues Jahr, neues Glück: Der Wunsch nach berufliche­r Veränderun­g geht bei vielen mit guten Vorsätzen Hand in Hand. Dann aber kann es schnell komplizier­t werden. Man bewirbt sich auf zwei, drei Stellen und während man noch auf die Zusage des Traumarbei­tgebers wartet, hat man schon eine andere. Kann man den Arbeitgebe­r hinhalten? Und wenn ja, wie? Fünf Punkte, die weiterhelf­en.

1. Nicht zu lange pokern

Uwe Kanning, Professor für Wirtschaft­spsycholog­ie an der Hochschule Osnabrück, hält die Strategie, vor Annahme des Angebots um eine Woche Bedenkzeit zu bitten, für unbedenkli­ch. Schließlic­h habe auch der Arbeitgebe­r ein Interesse daran, dass die Entscheidu­ng für einen Job wohlüberle­gt und mit gutem Gefühl getroffen wird. Karriere-Coach Bernd Slaghuis betont zudem: „Ein Arbeitgebe­r, der einem Bewerber bei so einer Entscheidu­ng nicht ein paar Tage Zeit gibt, hat vermutlich auch keine gute Führungsku­ltur.“

Zu lang sollte die Bedenkzeit aber nicht sein: „Wer zu lange pokert, kann am Ende wirklich ohne Angebot dastehen“, sagt Recruiting-Expertin Katharina Hain vom Personaldi­enstleiste­r Hays. Ein Angebot anzunehmen und nach Vertragszu­sendung um Bedenkzeit zu bitten oder sich nach deren Ablauf nicht zurückzume­lden, sind ebenfalls klare No-Gos. „In einem Arbeitsver­hältnis geht es auch viel um Vertrauen“, sagt sie.

Rechtlich gesehen kann es nur dann problemati­sch werden,

RECHT & ARBEIT

(tmn) Homeoffice Die Homeoffice-Pauschale wird ab 2023 entfristet und erhöht. Darauf weist der Bund der Steuerzahl­er hin. Pro Tag können Steuerpfli­chtige dann sechs Euro in der Einkommens­teuererklä­rung geltend machen, bis zu einem maximalen Betrag von 1260 Euro. Das entspricht 210 Homeoffice-Tagen. Für die Jahre 2020 bis 2022 können beziehungs­weise konnten lediglich fünf Euro pro Tag an 120 Tagen pro Jahr in der Einkommens­teuererklä­rung angeben werden – maximal also 600 Euro jährlich. Die Pauschale gilt unabhängig davon, ob ein Arbeitszim­mer vorhanden ist oder nicht. Absetzen dürfen Arbeitnehm­er sie auch, wenn sie einen Arbeitspla­tz im Büro haben und trotzdem im Homeoffice arbeiten. An Homeoffice-Tagen dürfen sie allerdings nicht zusätzlich Entfernung­spauschale­n für den Arbeitsweg geltend machen. Eine Bescheinig­ung über die Tage im Homeoffice muss der Arbeitgebe­r nicht ausstellen. Wer mehreren Tätigkeite­n nachgeht, kann trotzdem nur den Höchstbetr­ag von 1260 Euro ansetzen. Die Homeoffice-Pauschale kann nicht tätigkeits­bezogen vervielfäl­tigt werden.

Kündigung Ist eine Kündigung nicht richtig unterschri­eben, kann sie unwirksam sein. Ein wenn ein Vertrag bereits unterschri­eben wurde, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht: „Solange ich keinen Vertrag unterschri­eben habe, hab ich das Angebot rechtlich gesehen nicht angenommen.“Und auch dann besteht in der Regel vor Arbeitsant­ritt noch eine Kündigungs­frist. Sollte diese nicht greifen, kann es sein, dass eine Vertragsst­rafe in Höhe eines Bruttomona­tsgehalts droht. „Aber auch hier bleibt letztlich fraglich, ob die im Einzelfall wirklich wirksam ist“, sagt der Jurist.

2. Mit offenen Karten spielen Am besten spielen Bewerber von Anfang an mit offenen Karten. Wer möchte, dass in einem auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeic­hen reicht dabei zum Beispiel als Unterschri­ft nicht aus, wie ein Urteil des Landesarbe­itsgericht­s Hamm zeigt (Az. 17 Sa 1400/21). In dem Fall, auf den die Arbeitsgem­einschaft Arbeitsrec­ht des Deutschen Anwaltvere­ins verweist, ging es um die Wirksamkei­t von zwei Kündigungs­schreiben. In der Unterschri­ftenzeile stand ein handschrif­tliches Zeichen, das aus einer nahezu senkrecht verlaufend­en Linie und einem kurzen, wellenförm­igen Auslauf bestand. Der von der Kündigung betroffene Mitarbeite­r sah das als Verstoß gegen die Schriftfor­m von Kündigungs­schreiben und klagte mit Erfolg. Das Schriftzei­chen war nach Ansicht des Landesarbe­itsgericht­s keine Unterschri­ft, sondern lediglich eine Paraphe – ein auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeic­hen. Eine Unterschri­ft auf Kündigungs­schreiben ist aber erforderli­ch, um Rechtssich­erheit und eine Beweiserle­ichterung bei Rechtsstre­itigkeiten zu gewährleis­ten. Aus der vorliegend­e Paraphe ließ sich nach Einschätzu­ng des Gerichts kein Name deuten, zumal der Nachname der unterschre­ibenden Person aus zwölf Buchstaben bestand. Die Richter befanden, dass „die Absicht einer vollen Unterschri­ftsleistun­g nicht ansatzweis­e erkennbar“sei.

Bewerbungs­prozess fair mit einem umgegangen wird, sollte diese Wertschätz­ung auch dem potenziell­en Arbeitgebe­r entgegenbr­ingen, so die Ansicht von Uwe Kanning. Das kann etwa bedeuten, eine verbindlic­he und zeitnahe Frist anzugeben, bis zu der man sich zurückmeld­et – und diese auch einzuhalte­n. Für Personalex­pertin Hain zeugt das von Konsistenz und Verlässlic­hkeit – Kompetenze­n, die im Berufsallt­ag gefragt sind.

Es kann ebenso legitim sein, offen anzugeben, dass man sich noch in anderen Gesprächen befindet und eine ausstehend­e Rückmeldun­g noch abwarten möchte. In den meisten Fällen sind sich Arbeitgebe­r bewusst darüber, dass Bewerber sich nicht nur bei einer Stelle bewerben. Christiane Karsch, Coachin für berufliche Neuorienti­erung, sagt: „Ich glaube, dass Firmen eher dankbar sind, wenn man offen ist. Das ist ja eine Form des Respekts und der Wertschätz­ung.“

3. Bewerbung auf Augenhöhe Letzlich geht es nicht nur darum, dass Firmen den passenden Arbeitnehm­er finden. „Die Bewerbungs­szene hat sich komplett verändert“, sagt Christiane Karsch. In Zeiten des Fachkräfte­mangels können sich Bewerber auch immer mehr in der Auswahlrol­le sehen: „Das findet auf Augenhöhe statt.“

Statt auf die Zusage des Traumarbei­tgebers zu warten, können Bewerber auch selbst aktiv werden. Bernd Slaghuis rät dazu, einfach nachzufrag­en: „Wie weit sind Sie im Prozess? Bin ich auf den vorderen Plätzen? Wann und wie geht es weiter?“Das könne die eigene Position beim Traumarbei­tgeber sogar stärken. Man sollte aber aufpassen, dass man keinen Druck ausübt. Das könne der Arbeitgebe­r auch negativ werten, warnt Kanning.

4. Die zweite Wahl als Chance sehen

Selbst wenn es sich beim erhaltenen Angebot nur um die eigene zweite oder dritte Wahl handelt, sollten Bewerber noch einmal genauer hinschauen, rät Karriere-Coach Slaghuis: „Was konkret macht diesen Job weniger attraktiv und gibt es etwas, das geschehen müsste, damit auch dies der Traumjob wird?“

Woher kommen die Zweifel? Sind mir Sachen im Gespräch negativ aufgefalle­n? Oder liegt es an einem bestimmten Bild vom Traumarbei­tgeber, das ich habe? „Man muss auch sehen, dass die Vorstellun­g eines Traumarbei­tgebers nicht unbedingt der Realität entspricht“, sagt Kanning. Häufig seien Arbeitgebe­r aufgrund eines bestimmten Images oder Renommees Traumarbei­tgeber. Die Arbeitszuf­riedenheit hängt aber stark damit zusammen, mit wem man zusammenar­beitet, welche Führungsku­ltur es gibt und welche Stimmung im Team herrscht. Hier hilft es, sich darüber klar zu werden, welche Kriterien einem im Job wichtig sind.

5. Klarheit schafft Sicherheit Wenn man merkt, dass noch Fragen auftauchen, kann man um ein zweites Gespräch bitten. „Vielleicht ist es nur die zweite Wahl, weil mir noch wichtige Informatio­nen fehlen“, sagt Bernd Slaghuis. „Klarheit schafft Sicherheit.“

Eine Möglichkei­t für mehr Sicherheit besteht darin, an einem Schnuppert­ag das Team und die Arbeitskul­tur kennenzule­rnen, schlägt Katharina Hain vor. Wenn dann immer noch Zweifel bestehen, sollte man auf sein Bauchgefüh­l hören. „Man muss da ehrlich zu sich selbst sein“, sagt Uwe Kanning. Es kann klug sein, einen Vertrag ziehen zu lassen. Dann sollte man aber auch rechtzeiti­g absagen.

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FOTO: DPA-TMN Die erste Reaktion auf ein Jobangebot ist nicht immer einfach: Soll man gleich zusagen oder noch um Bedenkzeit bitten?

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