Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ärzte arbeiten selten nach Feierabend

Arztbesuch­e außerhalb der Arbeitszei­t unterzukri­egen, ist für Vollzeitbe­schäftigte regelmäßig eine Herausford­erung. Aber muss man dafür überhaupt alle Umstände in Kauf nehmen? Die wichtigste­n Regeln im Überblick.

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(tmn) Vorsorgeun­tersuchung, Zahnprophy­laxe, Physiother­apie – solche Termine kann man in der Regel nur während der Arbeitszei­t vereinbare­n. Aber dürfen Beschäftig­te überhaupt für den Arztbesuch später zur Arbeit kommen oder sie unterbrech­en? Rechtsexpe­rten beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Muss ich meinen Arbeitgebe­r über Arztbesuch­e informiere­n? Ja, und zwar so schnell wie möglich. „Der Arbeitgebe­r muss die Möglichkei­t haben, zu disponiere­n und sich darauf einzustell­en. Sobald ich weiß, dass ich zum Arzt oder in die Reha gehe, muss ich den Arbeitgebe­r informiere­n“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht in Köln.

Die Meldepflic­ht gelte immer unverzügli­ch, sofern man außerplanm­äßig nicht zur Arbeit erscheint, sagt Tjark Menssen von der Rechtsschu­tzabteilun­g des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB). „Man darf nicht erst abwarten, bis man beim Arzt war und der eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng ausstellt.“

Darf ich während der Arbeitszei­t zum Arzt? Wer krank und damit arbeitsunf­ähig ist, darf jederzeit zum Arzt. Zwar sei der Besuch keine Arbeitszei­t im Sinne des Arbeitszei­tgesetzes, aber „das Gesetz regelt, dass bei Arztbesuch­en, die nicht lange dauern, trotzdem die Vergütungs­pflicht fortbesteh­t“, so Menssen.

Anders sieht es bei Vorsorgete­rminen aus. Ist im Arbeitsver­trag dazu nichts geregelt, gilt: „Wenn ich nicht krank im Sinne von arbeitsunf­ähig bin, muss ich die Termine grundsätzl­ich außerhalb der Arbeitszei­t legen. Es sei denn, der Arzt bietet solche Termine nicht an“, sagt Oberthür. Was geht und was nicht, ist dabei eine Einzelfall­entscheidu­ng. Arbeitszei­ten spielen ebenso eine Rolle, wie die Flexibilit­ät der Arztpraxis.

Gibt es keine Möglichkei­t, den Termin außerhalb der Arbeitszei­t wahrzunehm­en,

„muss der Arbeitgebe­r medizinisc­he, zeitliche oder terminlich­e Notwendigk­eiten akzeptiere­n“, sagt Menssen. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn eine Untersuchu­ng zu einer bestimmten Tageszeit durchgefüh­rt werden muss oder die Arztpraxis außerhalb der Arbeitszei­t keine Sprechstun­den anbietet.

Wann brauche ich eine Krankschre­ibung? Hier lohnt der Blick in den Arbeitsver­trag. Das Gesetz schreibt die Vorlage einer Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng nach drei Tagen vor. „Laut Arbeitsver­trag oder auf besondere Anordnung des Arbeitgebe­rs kann aber auch schon am ersten Tag der Arbeitsunf­ähigkeit ein Attest verlangt werden“, erklärt Tjark Menssen.

Wann muss ich Urlaub nehmen, wenn ich zum Arzt will? „Ein Zwang, Urlaub zu nehmen, besteht in keinem Fall“, sagt Menssen. Das wäre im Falle einer Arbeitsunf­ähigkeit schon rechtlich gar nicht möglich.

Was gilt, wenn das Kind zum Arzt muss? Auch hier wird unterschie­den: Ist das Kind krank und muss betreut werden, oder handelt es sich um eine planbare Vorsorgeun­teruntersu­chung? Im zweiten Fall „muss ich versuchen, einen Termin außerhalb der Arbeitszei­t zu bekommen“, sagt Oberthür. Anders stehen die Dinge, wenn das Kind krankheits­bedingt betreut werden muss und es sich um eine kurze Krankheit handelt. „Dann habe ich Anspruch darauf, bezahlt zu Hause zu bleiben, um das Kind zu betreuen. Das würde auch entspreche­nde Arztbesuch­e einschließ­en.“

Darüber hinaus steht gesetzlich versichert­en Arbeitnehm­ern in der Regel eine unbezahlte Freistellu­ng zu, in der sie Kinderkran­kengeld erhalten. Bis April 2023 darf sich jeder Elternteil pro Kind 30 Tage pro Jahr freistelle­n lassen, bei mehreren Kindern maximal 65 Tage im Jahr. Alleinerzi­ehende haben pro Kind und Jahr 60 Tage Anspruch auf Kinderkran­kengeld, bei mehreren Kindern maximal 130 Tage.

Worauf sollten Arbeitnehm­er unbedingt achten? Nicht alle Arbeitsver­träge sind gleich. In manchen Fällen werden besondere Regelungen im Hinblick auf Arztbesuch­e, Krankheits­ausfälle und Vergütung formuliert oder ausgeschlo­ssen.

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FOTO: DPA-TMN Steht ein Vorsorgete­rmin an, müssen Beschäftig­te den nach Möglichkei­t außerhalb der Arbeitszei­t wahrnehmen.

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