Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Abgründe einer Ehe
Eine Solingerin hat ihren Mann wegen sexuellem Missbrauch angezeigt.
SOLINGEN / WUPPERTAL (mag) Es soll mal Liebe gewesen sein. Nun sitzen sie sich im Gerichtssaal gegenüber. Unversöhnlich, wie es scheint. Sie sagt, er habe ihr an die Brüste gefasst. Da sei längst klar gewesen, dass sie keine Gefühle mehr für ihn habe und keinen Sex mehr wolle. Sie zeigt ihn an, das Amtsgericht verurteilt ihn wegen sexuellen Missbrauchs zu 9000 Euro Geldstrafe. Er sagt: Sie lügt, er habe sie nicht an den Brüsten berührt. Das Ganze sei ein Rachefeldzug.
Der Berufungsrichter stellt klar: „Wir haben hier die klassische Aussage-gegen-Aussage-Situation“. Er lässt alle in den Zeugenstand laden, die etwas zur Sache sagen können: den Solinger Amtsrichter, die Protokollkraft, die Mutter der Frau und die Nachbarin. Hat ihr Mann sie „begrapscht“? An einer Brust oder an beiden? Was hat er gesagt? Was hat sie gesagt? Wann? Und wo? Waren die Kinder schon im Kindergarten?
Die Prozessbeteiligten werden zu unfreiwilligen Zeugen eines EheDramas, das längst auch die Behörden beschäftigt. Es gab Anzeigen, die Polizei wurde gerufen. Man geht beim Familiengericht ein und aus, das Jugendamt ist eingeschaltet. Der Vater darf nur begleiteten Umgang mit den Kindern haben, sie werden dort durch die Türe geschoben und wieder zurück zur Mutter. Beim letzten Mal sei der „Umgangstermin“nach 20 Minuten abgebrochen worden, weil die Kinder verstört gewesen seien. Eines der Kinder leide unter einer Entwicklungsverzögerung, der Dreijährige habe Probleme mit dem Sprechen und dem Laufen. Es sei nicht auszuschließen, dass der Junge die Entwicklung eingestellt habe wegen der emotional belastenden Situation: Das sagt die Mutter, sie ist Ärztin.
Dass der Angeklagte nicht der Vater des jüngsten Kindes ist und sie ihm den Dreijährigen anfangs als „Kuckuckskind“untergeschoben hat? Dass sie nicht die Mutter der anderen Kinder sein soll, weil die Zwillinge (5) von einer Leihmutter aus Tschechien ausgetragen wurden? Das hört man nun vom Anwalt des Mannes, der alle Register zieht: Sie sei diejenige gewesen, die ihren Mann betrogen habe. Der habe von der Ehefrau eines Liebhabers am Telefon erfahren, das seine Frau sich öffentlich mit deren Mann bei Tanzabenden zeigen würde. Der Angeklagte sei nach diesem Anruf ohnmächtig zusammengebrochen – in der Kita, als er die Kinder habe abholen wollen.
Er sagt, sie wolle immer ihren Kopf durchsetzen. Sie sagt, er sei dominant und würde sie ausspionieren. Sie habe sich zunehmend bedroht gefühlt – und ihn drei Wochen nach der Sache mit den Brüsten bei der Polizei angezeigt. Zuvor habe sie noch auf eine Versöhnung gehofft. „Ich habe mich gefühlt wie ein Vorzeigeobjekt in der Casinogesellschaft“, sagt sie. Es sei ihm nur um „mein Jetski, mein Haus, mein Auto und meine Frau“gegangen. Ob die Scheidung schon laufe, will der Berufungsrichter wissen. Nein, sagt sie. Ob sie sich scheiden lassen wolle? Sie sagt „ja“. Damit werden sich andere befassen müssen.
Ob es bei der Verurteilung wegen des sexuellen Missbrauchs bleibt, will die Berufungskammer im Januar entscheiden.