Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Von Beleidigungs-Vorwurf freigesprochen
Ein 48-jähriger Solinger hätte mit „Faschistische Corona-Politik“niemanden benannt und beleidigt, urteilte das Gericht.
SOLINGEN / WUPPERTAL (dilo) Nach einer geharnischten E-Mail an die Gebührenstelle der Technischen Betriebe Solingen bleibt ein 48 Jahre alter Angeklagter ohne Strafe: Das Landgericht Wuppertal hob in der Berufung seine Geldstrafe auf und sprach ihn noch nicht rechtskräftig vom Vorwurf der Beleidigung frei. Der Anlass des Prozesses entstammt der Zeit der Corona-Pandemie.
Der Mann hatte sich über eine zusätzliche Mülltonne beklagt, die ihm ungewollt zugewiesen worden war. Sein Anwurf an den Sachbearbeiter, im Hinblick auf dessen
Entscheidungen: „Das passt ins Bild der faschistischen CoronaPolitik“. Der Angeklagte ist Familienvater mit Hochschulabschluss. Er ist ohne Vorstrafen und war während des Geschehens vom Februar 2022 ohne Anstellung. Die zusätzliche Tonne war für ihn teuer. Nach einem anfänglichem Hin-und-Her hatte er der Gebührenstelle geschrieben: Die Tonne brauche er nicht. Er hätte sich gemeldet, wenn es anders wäre.
Vor Gericht bestätigte er: Er hat den Satz geschrieben, wegen dem ihn die Stadtverwaltung angezeigt hat. In seiner Verteidigung bezog sich der Mann auf die Begründung des Amtsgerichts Solingen, das ihn verurteilt hatte. Er setzte sich mit dem Landgericht auseinander: Es gebe nicht allein den Faschismus im Deutschland des Nationalsozialismus, sondern noch weiteren. Meinungsäußerung, Schmähkritik und Beleidigung seien voneinander abzugrenzen. Und: Es gebe für ihn einen Bezug zwischen der Vorschrift, die Mülltonnen für Haushalte betrifft und den Vorgängen bei politischen Entscheidungen. Seine Worte hatte er schriftlich ausgearbeitet. Das Papier überreichte er dem Vorsitzenden Richter.
Der Staatsanwalt zog ein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen, als er dem Angeklagten zuhörte. Seine nüchterne Antwort: „Es ist eine Rechtsfrage.“Für ihn sei die E-Mail beleidigend, wie die Bezeichnung eines Beamten als „Oberfaschisten“. Über die E-Mail sagte er: „Das passt hinten und vorn nicht.“Man dürfe sich ärgern und wehren. Man müsse aber den Rahmen einhalten.
Der Kommentar des Richters: „Um das klar zu sagen: Wenn ich so eine Mail bekommen würde – ich würde mich auch ärgern.“Der Wertung des Staatsanwalts jedoch folge das Gericht nicht. Der wesentliche Punkt: Es werde niemand benannt oder angesprochen und beleidigt. Zugespitzt könnte man den Satz betrachten: „Das ist ja wie im Faschismus.“Der Richter stellte klar: „Auch das würden wir nicht als Beleidigung werten.“Letztlich werde mit dem Satz ein Vergleich gezogen. Er fügte hinzu: „Das ist unschön. Das ist übertrieben, aber man muss es hinnehmen.“Gegen den Freispruch kann die Staatsanwaltschaft Revision einlegen.
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