Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das letzte Kapitel eines Traditions­unternehme­ns

- VON MANUEL BÖHNKE

MITTE Es war ein Abschied auf Raten. Bereits im Sommer haben die Verantwort­lichen der Klaus Hastenrath GmbH & Co. KG beschlosse­n, den Betrieb zum Jahresende einzustell­en. Dementspre­chend blickte Annette Albert verhältnis­mäßig entspannt auf den letzten Öffnungsta­g am gestrigen Donnerstag. „Wir haben uns an den Gedanken gewöhnt“, sagt die Inhaberin. Der Fachkräfte­mangel mache den Schritt unausweich­lich.

„Die körperlich harte Arbeit schreckt viele ab“Annette Albert Inhaberin

Die Geschichte des Traditions­unternehme­ns nahm 1898 als Malerbetri­eb ihren Anfang. 1958 folgte der Umzug von der Gas- an die Kölner Straße. Nicht nur deshalb ein bedeutsame­s Datum: Gleichzeit­ig wurde das Angebot um Bodenbeläg­e erweitert. Sie waren in den vergangene­n Jahrzehnte­n das wichtigste Standbein für Klaus Hastenrath.

Einst umfasste das Team, das Parkett, Vinyl und Co. verlegte, zehn Beschäftig­te. Nach und nach verabschie­deten sie sich: in den Ruhestand, zu anderen Betrieben, in eine neue Branche. Seit mindestens fünf Jahren sei es immer schwierige­r geworden, Ersatz zu finden, erklärt Annette Albert. Inzwischen ist die Mannschaft nur noch vierköpfig, wovon drei Personen zur Familie gehören. Der Vierte im Bunde geht zum Jahreswech­sel in Rente.

Die 63-Jährige reagierte auf die Entwicklun­g. Sie rührte die Werbetromm­eln in Schulen, bei der Agentur für Arbeit, der zuständige­n Innung. Und bildete aus. Vor mehr als fünf Jahren absolviert­e der letzte junge Mensch seine Lehre bei Klaus Hastenrath. Geeignete Bewerber waren kaum zu finden, manche brachen nach kurzer Zeit ab. „Die körperlich harte Arbeit schreckt viele ab.“Zudem sei der Stellenwer­t des Handwerks vielerorts nicht hoch genug.

Als in diesem Jahr zwei langjährig­e Kräfte aus gesundheit­lichen Gründen ausfielen, wurde der Inhaberin klar, dass sie die Reißleine ziehen muss. Nur auf den Verkauf von Bodenbeläg­en zu setzen, hätte sich nicht gerechnet. Am heutigen Freitag vor Weihnachte­n wickelt ihre Tochter Marie Kudera, Parkettleg­ermeisteri­n und Prokuristi­n, die letzte Baustelle ab.

Dann endet für Annette Albert ein Kapitel, das 1980 begann. Sie besuchte mit Hastenrath­s Tochter Sabine die Schule – die Solingerin­nen absolviert­en gemeinsam die Ausbildung zur Bürokauffr­au im Familienbe­trieb. Albert rückte 1999 in die Geschäftsf­ührung auf, wurde 2005 Gesellscha­fterin. Vor den Feiertagen schließt sie das Geschäft ab – für immer.

Während Sabine Hastenrath einen Mieter für das rund 400 Quadratmet­er große Ladenlokal sucht, zu dem auch 250 Quadratmet­er Büround 600 Quadratmet­er Lagerfläch­e gehören, stellen sich Annette Albert und Marie Kudera einer neuen Herausford­erung. Den Grundstein dafür haben sie bereits 2020 gelegt.

Denn seit drei Jahren umfasst das Angebot an der Kölner Straße neben Bodenbeläg­en, Dekoration­sartikeln und Tapeten auch sogenannte effektive Mikroorgan­ismen. Das Konzept entwickelt­e der japanische Gartenbau-Professor Teruo Higa. Die Idee: Mischungen kleinster Lebewesen, Mikroben, reagieren mit vorhandene­n Mikroorgan­ismen im Boden und im Wasser. Das soll die Gesundheit fördern, beim Putzen helfen und sich positiv auf landwirtsc­haftliche Erträge auswirken. Wissenscha­ftlich belegt sind diese Effekte nicht.

Annette Albert und Marie Kudera sind von dem Ansatz überzeugt. Mutter und Tochter haben eine Beraterinn­en-Ausbildung durchlaufe­n und vertreiben Produkte des Anbieters Emiko. Ab 9. Januar soll dies von einem kleinen Laden auf dem Kastanienh­of, Hossenhaus­er Straße 204, aus erfolgen. Dort möchten sie zukünftig auch andere Waren anbieten, die unter dem Einsatz effektiver Mikroorgan­ismen entstanden sind: Eier, Honig, Ziegenmilc­h, Ziegenkäse, Fleisch, Gemüse vom eigenen Feld. Insbesonde­re Letzteres wird allerdings noch etwas auf sich warten lassen – der Untergrund müsse zunächst behandelt werden.

Der Hofladen soll zunächst dienstags von 14 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr öffnen. Bleibt für Annette Albert genug Spielraum, Zeit mit ihrem Enkelkind zu verbringen.

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FOTO: TIM OELBERMANN Bereits weitestgeh­end leer geräumt ist das Ladenlokal an der Kölner Straße ist – bald beginnt für Annette Albert ein neuer Lebensabsc­hnitt.

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