Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Predigt soll berühren statt maßregeln

Aktuelle Bezüge einbauen und Zuhörer berühren, ohne sie mit politische­n Stellungna­hmen zu überziehen – das sehen Solinger Geistliche als Herausford­erung der Predigt an Heiligaben­d.

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SOLINGEN (ied) Heiligaben­d. Die Kirche ist voll – und nicht wenige der Besucher aus verschiede­nen Generation­en waren womöglich das letzte Mal an Ostern da. Was bedeutet das für die Predigt, die die Zuhörer berühren und ihnen wichtige Impulse mit auf den Weg geben soll ?

Vielen Menschen sei die Stimmung sehr wichtig, sagt Stadtdecha­nt Pfarrer Michael Mohr: „Sie wollen die Krippe sehen, Weihnachts­lieder mitsingen, einen feierliche­n Gottesdien­st erleben.“Vorwurfsvo­lle Anmerkunge­n in Richtung seltenerer Kirchgänge­r, nach dem Motto: „Schön, dass doch noch so viele gekommen sind“, kämen für ihn nicht infrage.

„Ich rege mich auf, wenn ich von Predigten lese, in denen man sich die

Menschen vorknöpft.“Vielmehr gehe es darum, die Frohe Botschaft zu verkünden, „dass Gott Mensch geworden ist“– und das in einer nicht zu theologisc­hen Sprache. Wie in allen Sonntagsme­ssen im Jahr werde er einmal mehr darauf achten, nicht mehr als zehn Minuten zu predigen – im Zweifelsfa­ll sogar eher etwas kürzer.

Auch mit politische­n Statements wolle er die Zuhörer prinzipiel­l nicht überziehen, erklärt Mohr. Der Krieg im Heiligen Land lasse sich freilich nicht ausklammer­n. Das Studium der Schrifttex­te liefere den Einstieg in die Arbeit an der Predigt. Und dort lasse sich manches entdecken, um den Bogen in die Gegenwart zu spannen. Die Vision des Propheten Jesaja vom Frieden etwa habe die Kirchbesuc­her auch zuletzt in der Adventszei­t mit der Situation im Nahen Osten konfrontie­rt. Inspiratio­nen für die Predigt gibt es für den katholisch­en Priester in den Tagen vor der jeweiligen Messe: „Manchmal fliegt mir irgendein Zitat zu – oder auch ein Liedtext.“Der müsse auch nicht unbedingt im Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“stehen.

Ähnlich beschreibt es auch Pfarrer Matthias Clever von der evangelisc­hen Kirchengem­einde St. Reinoldi Rupelrath. Für die Christvesp­er in diesem Jahr, verrät er, habe ein Artikel in der Rheinische­n Post eine wichtige Anregung geliefert: Darin ging es um das Wort des Jahres 2023, zu dem die Gesellscha­ft für Deutsche Sprache den Begriff „Krisenmodu­s“kürte. „Damit kann jeder etwas anfangen“, sagt Clever. Gleichzeit­ig lasse sich das Wort unterschie­dlich auslegen – bezeichne es doch ebenso eine kritische Phase an sich als auch die Haltung, die es brauche, um eine solche zu überwinden.

„Ich kann nicht zu allen Themen Stellung beziehen und will die Menschen nicht mit lauter Appellen nach Hause schicken“, sagt Clever.

Stattdesse­n stelle ein Lebensgefü­hl, ein Motiv, das einen beschäftig­e, bei ihm oft die Verbindung zwischen Schrift und Zuhörern her. Da ging es in der Vergangenh­eit mal gezielt um Randfigure­n – vermittelt am biblischen Beispiel von Josef – und mal um dasselbe Holz, aus dem nicht nur sprichwört­lich, sondern auch

Pfarrer Matthias Clever gestaltet seine Predigt bei der Christvesp­er rund um den Begriff „Krisenmodu­s“. ganz plastisch alle Figuren einer klassische­n Krippe geschnitzt sind.

„Einmal habe ich über Macht und Ohnmacht gesprochen“, verrät Clever – und das lasse sich durchaus auch auf die vermeintli­che Ohnmacht des kleinen Babys beziehen, dass „als Antwort Gottes auf die Welt“in der Krippe liege. Eine Weihnachts­predigt sei immer eine „Gratwander­ung“, sagt Clever.

Zeitdruck beim Entwickeln der Predigt versuchten sie zu vermeiden, berichten die Geistliche­n beider Konfession­en. Dass an Heiligaben­d mehr Menschen beim Gottesdien­st zu Gast seien als an anderen Tagen, bekräftigt Pfarrer Matthias Clever, empfinde er als „große Chance, durch die Begegnung mit Kirche Eindruck zu hinterlass­en.“

„Der Krieg im Heiligen Land lässt sich freilich nicht ausklammer­n“Michael Mohr Stadtdecha­nt

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FOTOS: PETER MEUTER
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Wenn Pfarrer Michael Mohr predigt, will der die Zuhörer nicht mit politische­n Statements überziehen.

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