Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Mitarbeiter bestimmen die Reihenfolge
Die Zahl der Patienten in der Notfallambulanz ist stark gestiegen. Chefarzt Dr. Patric Tralls erklärt, woran das liegt.
SOLINGEN Das Städtische Klinikum ist stark ausgelastet. Das Krankenhaus habe aktuell eine Auslastung von 90 bis 95 Prozent, sagt Dr. Patric Tralls. Dies gilt besonders für die Zentrale Notfallambulanz (ZNA), die Tralls leitet. Rund 3600 Patientenkontakte habe man aktuell pro Monat, ein Plus von rund 17 Prozent gegenüber 2019, erklärt der Chefarzt. Der große Zulauf führt zu Wartezeiten. Auch weil Menschen mit Beschwerden in die Notaufnahme kommen, die kein Fall fürs Krankenhaus sind, sondern eigentlich vom Hausarzt behandelt werden könnten. Das Klinikum führt in seiner Notaufnahme eine Triage durch: Bei dieser Sichtung wird ausgewählt, wer wie schnell behandelt werden muss. „Bei uns geht es nicht der Reihe nach, sondern nach Dringlichkeit“, erklärt Tralls.
Mehr Patienten gibt es laut Tralls seit der Corona-Pandemie auch in den Notaufnahmen an anderen Krankenhäusern. Doch in Solingen kommt die Schließung der St. Lukas Klinik Anfang Dezember hinzu . Die Neurologie mit Schlaganfallversorgung (Stroke Unit) ist seitdem am Klinikum angesiedelt. Die Entwicklung läuft auf rund 45.000 Patientenkontakte pro Jahr zu: „Das ist eine Größenordnung wie in der Uniklinik Düsseldorf.“
In der Zufahrt vor der Notaufnahme stauen sich nun oft die Rettungsfahrzeuge, die nun auch verstärkt Patienten aus dem Kreis Mettmann ins Klinikum bringen. „Die Situation ist hoch ausgelastet, aber wir kriegen das hin“, betont der Leiter der ZNA. „Bei allen Mitarbeitenden gibt es ein gemeinsames Anpacken.“
Rund die Hälfte der Patienten kommen selbst in die Notaufnahme, das heißt, sie werden nicht vom Rettungsdienst gebracht. Das betrifft vor allem die chirurgischen Fälle: „80 Prozent kommen zu Fuß zu uns, aber nur jeder Zehnte wird stationär aufgenommen.“Von den internistischen Fällen hingegen blieben rund 60 Prozent in der Klinik.
Es erscheinen jedoch auch Patienten, die in der Notaufnahme den schnellen Arztkontakt suchen, ohne schwer erkrankt zu sein. So sei kürzlich ein Mann gekommen, der auf dem Weg zum Flughafen war, berichtet Natascha Isleib, pflegerische Leitung der ZNA. Vor dem Flug habe er sich wegen Halsschmerzen untersuchen lassen wollen. „Er hat dann darauf verzichtet, sich in die Warteschlange einzureihen.“
Engpässe verzeichne die Notaufnahme vor allem mittags und nachmittags, erklärt Patric Tralls. Und: „Wenn die ambulante Versorgung schwächer wird, findet das Geschäft bei uns statt.“Das betrifft etwa den Freitagnachmittag, wenn viele Arztpraxen geschlossen haben. Regelmäßig komme es vor, dass die ZNA dem Rettungsdienst melde, dass sie ausgelastet ist. „Auslastungsmeldungen sind normal. Das ist bei uns aktuell etwa alle ein bis zwei Wochen für vier Stunden der Fall.“
Der Rettungsdienst rufe dann an, bevor weitere Rettungswagen das Klinikum anfahren . „Wir können uns aber nicht komplett von der Versorgung abmelden“, stellt Tralls klar. So müsse das Klinikum als überregionales Traumazentrum unter anderem die Schockraumversorgung zu jeder Zeit gewähr-leisten.
Was ist die sogenannte Triage? Seit 2009 führt das Klinikum in der Notaufnahme eine sogenannte Triage durch. Anders als zu Kriegszeiten, als der französische Begriff geprägt wurde, geht es nicht darum, welche Patienten behandelt werden und welche nicht. Triage bezeichne die Ersteinschätzung eines Patienten in der Notaufnahme. „Das machen jeweils zwei Pflegende, die dafür speziell ausgebildet sind“, erklärt Tralls. „Seit 2018 ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass die Ersteinschätzung innerhalb von zehn Minuten vorgenommen wird.“
Wie ist die Reihenfolge in der Notaufnahme?
Patienten werden bei der Ersteinschätzung anhand ihrer Beschwerden nach einem festgelegten Schema, dem ManchesterTriage-System, in fünf Kategorien eingeteilt: von Rot für Lebensbedrohung bis hin zu Blau für keine akuten Beschwerden. Bei „roten“Patienten kommt sofort ein Arzt, bei „blauen“Patienten soll ein Arztkontakt möglichst innerhalb von maximal anderthalb Stunden stattfinden. Das Ziel blieben aber möglichst kurze Wartezeiten, so Tralls.
Werden Patienten auch weiterverwiesen?
Ja. Das entscheiden die Pflegekräfte bei der Ersteinschätzung. So würden Patienten mit Erkältungskrankheiten an die allgemeine Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung weiterverwiesen, erklärt Natascha Isleib. „Die Ärzte dort können auch ein EKG schreiben, Patienten zum Röntgen schicken oder eine Laboruntersuchung machen.“Die Notfallpraxis ist Mittwoch und Freitag von 16 bis 22 Uhr besetzt sowie Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 22 Uhr. Seit dem 13. Dezember ist sie im Erdgeschoss des neuen Containerbaus an der Ecke Gotenstraße/ Frankenstraße untergebracht.
Wie ist die Notaufnahme auf den Anstieg vorbereitet?
„Wir haben derzeit eher ein Raum- als ein Personalproblem“, sagt Patric Tralls. In der ZNA wurde das ehemalige Wartezimmer rechts neben dem Empfang zu Behandlungskabinen umgebaut. Patienten warten nun im hinteren Bereich, der früher radiologischen Patienten vorbehalten war, auf die Behandlung. Insgesamt gebe es jetzt 22 Behandlungsplätze. Aktuell werde unter anderem noch ein neuer Raum für die Ersteinschätzung eingerichtet. „Demnächst wollen wir ein Patientenaufrufsystem mit Monitoren installieren.“Patienten würden dann anhand einer zugewiesenen Nummer zur Behandlung aufgerufen.