Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
So wird Weihnachten hinter Gittern gefeiert
Auch in der Justizvollzugsanstalt Remscheid weihnachtet es. Aber wie verbringen Häftlinge eigentlich besinnliche Zeit mit der Familie? Ein Besuch in Lüttringhausen.
LÜTTRINGHAUSEN Begeistertes Kinderlachen schallt durch den Kirchenraum, während zwei kleine Mädchen Fangen spielen. Einen Augenblick später brauchen sie aber doch wieder einen Schluck Kakao und vor allem Kuschelzeit bei Papa. Denn ihre Papas sehen sie, genauso wie alle anderen Kinder in diesem Raum, nicht jeden Tag – ihre Väter sind in der Justizvollzugsanstalt ( JVA) Remscheid inhaftiert. Aber gerade ist es einfach etwas weihnachtlich.
„Die Weihnachtszeit schlägt vielen aufs Gemüt. Die dunkle Jahreszeit, der Jahreswechsel, sind nun mal traditionell die Zeit, in der man viel Zeit mit der Familie verbringt“, weiß Martin Böller, katholischer Gefängnisseelsorger. „Besonders hart ist es aber für die Männer, die sich um ihre Kinder kümmern wollen.“
So etwas wie eine Nikolausfeier sei ein Lichtblick und hat bereits seit Jahren Tradition an der Masurenstraße, sagt Böller, der seit 2016 in der Haftanstalt arbeitet. Die Väter könnten hier Verantwortung übernehmen und Beziehungen pflegen – auch zur Partnerin oder Mutter. Das sei eine der vielen Bestandteile bei der Resozialisierung sagt der Seelsorger. „Der gute Mensch in einem drin muss ja gefördert werden. Dazu gehören auch Beziehungen. Und nur dann klappt der Vollzug auch.“
Daran arbeitet auch Daniel B. mit seiner kleinen Familie. Er verbüßt gerade seine Reststrafe in der JVA, nachdem er gegen seine Bewährungsauflagen
verstoßen hat. „Ich denke, es ist so das Beste für uns alle gewesen“, sagt er und blickt seine kleine Tochter an. „Traurig, aber wahr, uns geht es so gerade besser“, fügt Daniela S. hinzu. Die gemeinsame Tochter sei zum Glück noch zu jung, um das alles zu verstehen. Und es werde auch hoffentlich das einzige Weihnachten hinter Gittern für die Familie sein. „Ich vermisse die beiden schon sehr“, sagt Daniel B.
Der Beziehungsstatus der beiden sei gerade etwas ungewiss, aber sie verstünden sich sehr gut. „Sie ist die beste Mutter, die ich mir vorstellen kann“, sagt er. Und er weiß genau, dass es zu Hause nicht immer leicht ist. „Da gibt es schon Momente, da könnte ich ihn verfluchen“, sagt sie und beide schauen sich an. Aber sie arbeiteten daran und sähen weiter. Tatsächlich ist die JVA Remscheid eine von fünf Schwerpunkt-Anstalten in NRW für den sogenannten familiensensiblen Strafvollzug. Mit einem Familienbeauftragten werden hier neue Angebote für Häftlinge und ihre Familien eingerichtet und erprobt. Für Remscheid ist das Hanne Stanjek vom Sozialen Dienst. Seit Ende 2019 besetzt sie die halbe Stelle, die das Land eingerichtet hat.
„Nicht zu Hause sein zu können, ist für viele schwierig“, sagt auch sie. Die Dankbarkeit über solche
Veranstaltungen sei deshalb immer groß. So herrscht auch bei dieser Nikolausfeier Gelassenheit, die Augen der Väter leuchten fast genauso sehr wie die der Kinder, die malen, Gesellschaftsspiele spielen oder einfach das Neuste aus Schule und Kindergarten erzählen, bis der Nikolaus kommt. „Aber die Gefangenen sind teils nach den drei Stunden sehr geschafft. Da sage ich immer ‚Jetzt wisst ihr mal, wie es eurer Partnerin zu Hause den ganzen Tag geht‘“, spricht Stanjek aus Erfahrung.
Die freiwilligen Angebote für Familien erstrecken sich über das gesamte Jahr, erklärt sie. In der Weihnachtszeit hätten Väter die
Möglichkeit gehabt, einen Adventskalender zu basteln, für die Nikolausfeier hatten sie tags zuvor Kekse gebacken, die mit nach Hause genommen werden dürfen.
Und einen richtigen Familiengottesdienst gab es auch noch – am 21. Dezember. Danach gab es auch Speisen, Getränke und Spielangebote von echtSein, einem Verein, der Abenteuer-Camps für Kinder und Jugendliche organisiert, deren Eltern inhaftiert sind. Diese Angebote hat Daniel B. für seine Familie auch wahrgenommen. Der Adventskalender komme zu Hause sehr gut an, jeden Tag sei etwas anderes darin. Magnete, Zuckerperlenketten,
Taucherstifte, kleine Spielzeuge. Und wie läuft das dann mit der Bescherung? „Die machen wir zu Hause. Die Geschenke, die die Kleine bekommt, sind immer von uns beiden“, sagt Daniela S.
„Erfahrungsgemäß sind immer dieselben Väter dabei. Anmelden können sich aber die erst mal alle“, sagt Hanne Stanjek. Die seien aber aus verschiedenen Gründen nicht da. Ausgeschlossen von solchen Veranstaltungen seien grundsätzlich nur Gefangene, die eine Gefahr für sich oder andere darstellten, sowie verurteilte Sexualstraftäter. Sicherheit habe stets Vorrang.
Deshalb sind immer einige Beamte da, das trübt die Stimmung bei dieser kleinen Feier aber überhaupt nicht. Sie holen den Nikolaus ab, singen aus voller Kehle mit dem leicht schiefen Väter-Chor, der ein paar Strophen zum Warmsingen braucht. Und sie schmunzeln genauso wie die Eltern und Geschwister, als der Nikolaus viel Lob und gute Ratschläge verteilt, während die Kinder ganz ernsthaft versprechen, den Tisch auch mal abzuräumen oder die Zähne gut zu putzen.
Aber nicht nur für die Väter gibt es weihnachtliche Angebote. Alle Gefangenen haben zahlreiche Möglichkeiten, den Gottesdienst zu besuchen, zum Essen gibt es später Leckereien aus der Küche und ein wenig Besinnlichkeit. Im großen Kirchensaal der JVA gibt es dann auch einen großen Baum und eine Krippe.
Aber auch hier werde niemand gezwungen, zum Gottesdienst zu gehen. Muslime blieben oft in ihren Zellen oder auch Gefangene, die lieber für sich sein wollten. „Aber, der Gottesdienstbesuch darf auch bei verhängten Disziplinarmaßnahmen nicht verweigert werden“, betont Martin Böller. Das ginge nur bei ernsthaften Sicherheitsbedenken. „Der Gottesdienst ist unantastbar, die Religionsfreiheit muss gewährleistet sein.“