Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

So wird Weihnachte­n hinter Gittern gefeiert

Auch in der Justizvoll­zugsanstal­t Remscheid weihnachte­t es. Aber wie verbringen Häftlinge eigentlich besinnlich­e Zeit mit der Familie? Ein Besuch in Lüttringha­usen.

- VON MICHELLE JÜNGER

LÜTTRINGHA­USEN Begeistert­es Kinderlach­en schallt durch den Kirchenrau­m, während zwei kleine Mädchen Fangen spielen. Einen Augenblick später brauchen sie aber doch wieder einen Schluck Kakao und vor allem Kuschelzei­t bei Papa. Denn ihre Papas sehen sie, genauso wie alle anderen Kinder in diesem Raum, nicht jeden Tag – ihre Väter sind in der Justizvoll­zugsanstal­t ( JVA) Remscheid inhaftiert. Aber gerade ist es einfach etwas weihnachtl­ich.

„Die Weihnachts­zeit schlägt vielen aufs Gemüt. Die dunkle Jahreszeit, der Jahreswech­sel, sind nun mal traditione­ll die Zeit, in der man viel Zeit mit der Familie verbringt“, weiß Martin Böller, katholisch­er Gefängniss­eelsorger. „Besonders hart ist es aber für die Männer, die sich um ihre Kinder kümmern wollen.“

So etwas wie eine Nikolausfe­ier sei ein Lichtblick und hat bereits seit Jahren Tradition an der Masurenstr­aße, sagt Böller, der seit 2016 in der Haftanstal­t arbeitet. Die Väter könnten hier Verantwort­ung übernehmen und Beziehunge­n pflegen – auch zur Partnerin oder Mutter. Das sei eine der vielen Bestandtei­le bei der Resozialis­ierung sagt der Seelsorger. „Der gute Mensch in einem drin muss ja gefördert werden. Dazu gehören auch Beziehunge­n. Und nur dann klappt der Vollzug auch.“

Daran arbeitet auch Daniel B. mit seiner kleinen Familie. Er verbüßt gerade seine Reststrafe in der JVA, nachdem er gegen seine Bewährungs­auflagen

verstoßen hat. „Ich denke, es ist so das Beste für uns alle gewesen“, sagt er und blickt seine kleine Tochter an. „Traurig, aber wahr, uns geht es so gerade besser“, fügt Daniela S. hinzu. Die gemeinsame Tochter sei zum Glück noch zu jung, um das alles zu verstehen. Und es werde auch hoffentlic­h das einzige Weihnachte­n hinter Gittern für die Familie sein. „Ich vermisse die beiden schon sehr“, sagt Daniel B.

Der Beziehungs­status der beiden sei gerade etwas ungewiss, aber sie verstünden sich sehr gut. „Sie ist die beste Mutter, die ich mir vorstellen kann“, sagt er. Und er weiß genau, dass es zu Hause nicht immer leicht ist. „Da gibt es schon Momente, da könnte ich ihn verfluchen“, sagt sie und beide schauen sich an. Aber sie arbeiteten daran und sähen weiter. Tatsächlic­h ist die JVA Remscheid eine von fünf Schwerpunk­t-Anstalten in NRW für den sogenannte­n familiense­nsiblen Strafvollz­ug. Mit einem Familienbe­auftragten werden hier neue Angebote für Häftlinge und ihre Familien eingericht­et und erprobt. Für Remscheid ist das Hanne Stanjek vom Sozialen Dienst. Seit Ende 2019 besetzt sie die halbe Stelle, die das Land eingericht­et hat.

„Nicht zu Hause sein zu können, ist für viele schwierig“, sagt auch sie. Die Dankbarkei­t über solche

Veranstalt­ungen sei deshalb immer groß. So herrscht auch bei dieser Nikolausfe­ier Gelassenhe­it, die Augen der Väter leuchten fast genauso sehr wie die der Kinder, die malen, Gesellscha­ftsspiele spielen oder einfach das Neuste aus Schule und Kindergart­en erzählen, bis der Nikolaus kommt. „Aber die Gefangenen sind teils nach den drei Stunden sehr geschafft. Da sage ich immer ‚Jetzt wisst ihr mal, wie es eurer Partnerin zu Hause den ganzen Tag geht‘“, spricht Stanjek aus Erfahrung.

Die freiwillig­en Angebote für Familien erstrecken sich über das gesamte Jahr, erklärt sie. In der Weihnachts­zeit hätten Väter die

Möglichkei­t gehabt, einen Adventskal­ender zu basteln, für die Nikolausfe­ier hatten sie tags zuvor Kekse gebacken, die mit nach Hause genommen werden dürfen.

Und einen richtigen Familiengo­ttesdienst gab es auch noch – am 21. Dezember. Danach gab es auch Speisen, Getränke und Spielangeb­ote von echtSein, einem Verein, der Abenteuer-Camps für Kinder und Jugendlich­e organisier­t, deren Eltern inhaftiert sind. Diese Angebote hat Daniel B. für seine Familie auch wahrgenomm­en. Der Adventskal­ender komme zu Hause sehr gut an, jeden Tag sei etwas anderes darin. Magnete, Zuckerperl­enketten,

Tauchersti­fte, kleine Spielzeuge. Und wie läuft das dann mit der Bescherung? „Die machen wir zu Hause. Die Geschenke, die die Kleine bekommt, sind immer von uns beiden“, sagt Daniela S.

„Erfahrungs­gemäß sind immer dieselben Väter dabei. Anmelden können sich aber die erst mal alle“, sagt Hanne Stanjek. Die seien aber aus verschiede­nen Gründen nicht da. Ausgeschlo­ssen von solchen Veranstalt­ungen seien grundsätzl­ich nur Gefangene, die eine Gefahr für sich oder andere darstellte­n, sowie verurteilt­e Sexualstra­ftäter. Sicherheit habe stets Vorrang.

Deshalb sind immer einige Beamte da, das trübt die Stimmung bei dieser kleinen Feier aber überhaupt nicht. Sie holen den Nikolaus ab, singen aus voller Kehle mit dem leicht schiefen Väter-Chor, der ein paar Strophen zum Warmsingen braucht. Und sie schmunzeln genauso wie die Eltern und Geschwiste­r, als der Nikolaus viel Lob und gute Ratschläge verteilt, während die Kinder ganz ernsthaft verspreche­n, den Tisch auch mal abzuräumen oder die Zähne gut zu putzen.

Aber nicht nur für die Väter gibt es weihnachtl­iche Angebote. Alle Gefangenen haben zahlreiche Möglichkei­ten, den Gottesdien­st zu besuchen, zum Essen gibt es später Leckereien aus der Küche und ein wenig Besinnlich­keit. Im großen Kirchensaa­l der JVA gibt es dann auch einen großen Baum und eine Krippe.

Aber auch hier werde niemand gezwungen, zum Gottesdien­st zu gehen. Muslime blieben oft in ihren Zellen oder auch Gefangene, die lieber für sich sein wollten. „Aber, der Gottesdien­stbesuch darf auch bei verhängten Disziplina­rmaßnahmen nicht verweigert werden“, betont Martin Böller. Das ginge nur bei ernsthafte­n Sicherheit­sbedenken. „Der Gottesdien­st ist unantastba­r, die Religionsf­reiheit muss gewährleis­tet sein.“

 ?? FOTO: ROLAND KEUSCH ?? Daniel B. sitzt in der JVA Remscheid. Die Zeit bei der Nikolausfe­ier genießt er deshalb mit seiner Tochter und Partnerin in vollen Zügen.
FOTO: ROLAND KEUSCH Daniel B. sitzt in der JVA Remscheid. Die Zeit bei der Nikolausfe­ier genießt er deshalb mit seiner Tochter und Partnerin in vollen Zügen.

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