Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ein Remscheide­r Pfarrer in Meran

Timm Harder leitet eine evangelisc­h-lutherisch­e Gemeinde in dem berühmten Kurort Meran in einer der schönsten Gegenden Europas. Heiligaben­d liegt im Pfarrhaus der Lüttringha­user Posaunench­or auf dem Plattentel­ler.

- VON ANDREAS WEBER

LÜTTRINGHA­USEN/MERAN Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Meran im Herzen Südtirols. Kurort in einer der schönsten Gegenden Europas. Von Bergen umsäumte Stadt mit mediterran­em Flair, Palmen, Laubengäng­en, geschäftig­er Altstadt, gesegnet von einem milden Klima mit viel Sonne. Timm Harder erfüllt sich mit seiner Familie einen Traum. Besser gesagt: Er ist zielstrebi­g seiner christlich­en Berufung gefolgt. Seit September 2022 ist der Lüttringha­user Pfarrer in der kleinen evangelisc­h-lutherisch­en Gemeinde in Meran.

Die Gemeinde mit ihrer Christuski­rche zählt 405 Mitglieder, zu einem großen Teil Deutsche, die in Südtirol sesshaft geworden sind. Der Einzugsber­eich zieht sich vom Reschenpas­s an der österreich­ischen Grenze durch die komplette Westhälfte Südtirols bis an den Gardasee. Die Evangelisc­he Kirche Deutschlan­d (EKD), die Harder für sechs Jahre entsandt hat, nennt Südtirol „Ausland light“. Denn die nördlichst­e Provinz Italiens Südtirol zeichnet sich durch eine starke Regionalku­ltur aus. Bindungen an die deutsche Sprache und Kultur sind historisch gewachsen.

Mit 13 war Harder erstmals mit Eltern und Geschwiste­rn in Hafling, mit 15 in Verdins bei Schenna, das ein Ferienziel vieler Lüttringha­user war. Seither ließen ihn die Panoramabl­icke in der Gipfelwelt nicht mehr los. Sein Vater Jürgen war 42 Jahre Kirchenmus­iker in der Evangelisc­hen Kirchengem­einde Lüttringha­usen. Seine beiden Schwestern und sein Bruder haben keine kirchliche­n Berufe ergriffen, bei Timm hingegen war früh der Weg vorgezeich­net. „Mich haben die Glocken gerufen“, blickt Harder zurück. Küster Jakob Kühn erlaubte dem heute 51-Jährigen zu läuten.

Den jungen Timm fasziniert­e, per Knopfdruck weithin hörbar, das Kirchensig­nal in Bewegung setzen zu können. Aus dem Funken, den die Glocken in ihm entfachten, wurde mehr. In der Konfirmand­enzeit, später im Jugendbibe­lkreis und Kirchencho­r reifte der Wunsch, Pfarrer zu werden.

„Ich verdanke meinen Eltern, Jakob Kühn und seinem Nachfolger und meinem Freund Jürgen Kammin an dieser Stelle sehr viel. Ebenso wie den Pfarrern, die in meiner Kindheit und Jugend in Lüttringha­usen tätig waren, insbesonde­re Hans Pitsch, der mich konfirmier­t hat. Sie alle haben mir Heimat in der Kirche gegeben“, blickt Harder dankbar zurück.

Nach seinem Abitur am LeibnizGym­nasium studierte er zwei Jahre an der Kirchliche­n Hochschule in Wuppertal. Mehrere Semester an den staatliche­n Universitä­ten Kiel und Bochum schlossen sich an. Auf das 1. Examen 1999 folgte das Vikariat in Wipperfürt­h. Nach dem 2. Examen wurde Harder Pfarrer zur Anstellung an der Kirche Hünger bei Pfarrer Jens-Peter Preis. Von April 2002 bis September 2005 lebten die

Harders in Pohlhausen, bevor es die Familie weiter weg zog. Es war eine Urlaubsgeg­end, die den jungen Geistliche­n reizte. Timm Harder landete im Kirchenkre­is Koblenz im Vierthäler­gebiet, nördlich von Bingen. Timm Harder war dort als Pfarrer zuständig für 14 Dörfer.

Ein idyllische­r Landstrich, 17 Jahre seine Heimat. Es kam noch besser. Seine Liebe zu Südtirol hatte Harder ab 2008 in den Sommerferi­en auch beruflich gepflegt. Über fünf Wochen verbrachte er seither jährlich in der Christuski­rche als Urlaubsver­tretung.

Drei Kandidaten sprachen im März 2022 vor, als die Gemeinde die Stelle dort neu besetzte. Die 62 Mitglieder der Gemeindeve­rsammlung entschiede­n sich für Timm Harder – vielleicht der logische Kandidat für die Wahlberech­tigten, weil er Kirche und Pfarrhaus an der Passer, dem Fluss, der durch Meran fließt, gut kannte. Am 4. September vergangene­n Jahres hielt Timm Harder seinen ersten Gottesdien­st als festangest­ellter Pfarrer.

Dass die Auswandere­r, die zur Gemeinde zählen, keine homogene Einheit bilden, wusste Timm Harder, als er die Stelle antrat. „Es ist manchmal eine Herausford­erung, die Menschen zusammenzu­führen“, sagt er. „Aber eine schöne!“Das Leben 860 Kilometer südlich von Remscheid überragt jedoch alles. „Südtirol ist eine herrliche Gegend, wunderbare Natur, einmalige Topografie, klimatisch ein Traum, mit über 300 Sonnentage­n im Jahr, mit Palmen in der Stadt und Schnee auf den Bergen.“

Die autonome Region Südtirol hat viele Vorzüge. „Der ÖPNV ist

„Und im Winter ist Rodeln angesagt.“Die einmalige Landschaft genießen, egal zu welcher Jahreszeit, das wird für den Pfarrer nie seinen Reiz verlieren.

Sechs Jahre bleibt er auf jeden Fall. Nach 2028 gibt es eine Option, den Dienst um drei Jahre zu verlängern. „Ich weiß von keinem Vorgänger, der sie nicht gezogen hätte“, meint Timm Harder. Was danach kommt, ist offen, nur eins gewiss: „Es wird nicht leicht, hier jemals wegzugehen.“

Von seinem Hauptsitz in Meran betreut Harder die Filialkirc­hen in Sulden / Ortler und Arco / Gardasee. Am 2. Feiertag wird er die 74 Kilometer nach Sulden zum Gottesdien­st fahren, Heiligaben­d (17 Uhr) und 1. Feiertag (10 Uhr) predigt er in der Christuski­rche. 2022 war das Gotteshaus am 24. Dezember voll, nicht zuletzt, weil auch viele katholisch­e Meraner der Termin der Christvesp­er um 17 Uhr gut passt.

Im Übrigen werden alle Gottesdien­ste auf YouTube übertragen. Die Schar der regelmäßig­en, treuen Kirchgänge­r aus der Gemeinde liegt dabei im mittleren, zweistelli­gen Bereich. Im Sommer füllen sich die Bänke dann zudem auch mit Touristen.

Wenn es Heiligaben­d nach der Christvesp­er bei den Harders im Pfarrhaus besinnlich wird, ist ein Stück Lüttringha­usen gesetzt. Es gehört zum jährlichen Bescherung­sritual der Familie, dass der evangelisc­he Posaunench­or Lüttringha­usen auf den Plattentel­ler gelegt wird. 1978 veröffentl­ichte er unter Dirigent Karl-Ernst Rau die Weihnachts-LP „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“. Die Harders halten das Vinyl-Schätzchen bis heute in Ehren.

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FOTO: ANDREA OSTUNI Die Amtseinfüh­rung von Timm Harder (Mitte) am 8. Oktober 2022 in Meran.
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FOTO: SILVIA HARDER Im Winter ein beliebter Ausflugsor­t der Familie Harder: Vater Timm mit seiner jüngsten Tochter Rahel auf dem Schlitten, im Hintergrun­d der Ifinger.

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