Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Die letzte Herausforderin
Für Nikki Haley geht es bei den Vorwahlen in New Hampshire um alles oder nichts. Ihr Kontrahent Donald Trump wirkt nervös.
MANCHESTER/NEW HAMPSHIRE Der Endspurt zu den Vorwahlen von New Hampshire begann im Morgengrauen bei eisigen Minusgraden im Newfields Country Store. Nikki Haley hat keine Zeit zu verlieren. Trotz der frühen Stunde warteten mitten in der Provinz Dutzende Neugierige, die für die Kandidatin aus South Carolina ein Geburtstagsständchen anstimmten. Einen Tag, bevor sie 52 Jahre alt wird, eine Steilvorlage für die Republikanerin.
In der heißen Phase des Wahlkampfs lässt sie keine Gelegenheit aus, das Alter von Donald Trump, aber auch das von Joe Biden zum Thema zu machen. „Die Mehrheit der Amerikaner hat kein Interesse daran, die Wahl zwischen zwei 80-Jährigen für das Präsidentenamt zu haben,“so ihr Credo. Dem haushohen Favoriten im Rennen um die Nominierung seiner Partei geht das unter die Haut: Vergangene Woche schwadronierte Trump, wie gut er bei einem Test seiner kognitiven Fähigkeiten abgeschnitten habe – das war allerdings 2018, als der Leibarzt im Weißen Haus seine mentale Fitness prüfte.
Haley ist sich da nicht so sicher. Am Freitagabend hatte Trump bei einer Kundgebung vor Tausenden Fans der Bewegung „Make America Great Again“(Maga) in der Stadt Concord seine Herausforderin mit der ehemaligen Sprecherin der Demokraten, Nancy Pelosi, verwechselt. Während er über den Aufruhr am 6. Januar 2021 sprach, benutzte er ein halbes Dutzend mal den falschen Namen: „Nikki Haley war verantwortlich für die Sicherheit.“Sie hätte weder ein Amt innegehabt noch sei sie in Washington gewesen, kommentierte Haley die Verwirrung. Für einen anstrengenden Job, wie den des Präsidenten, „können wir niemanden gebrauchen, bei dem wir nicht sicher sind, dass er fit ist, ihn zu erledigen.“
Die Herausforderin deutet an, dass auch die unkontrollierten Wutausbrüche des früheren Präsidenten etwas mit seinem Alter zu tun haben könnten. Einer davon war am Wochenende auf Trumps Plattform Truth Social zu lesen. Er erinnerte an Haleys Geburtsnamen, die als Tochter von Sikh-Einwanderern aus dem Punjab im 3607-Seelen-Ort Bamberg zur Welt kam: Nimarata Nikki Randhawa. Dass er dreimal die falsche Schreibweise „Nimbra“gebrauchte, hat bei ihm Methode.
Ob dies rassistisch sei, bedrängen Reporter Trumps Herausforderin. „Die Leute sollen sich ihre eigene Meinung bilden“, sagte Haley. „Er ist unsicher und weiß, dass etwas nicht rund läuft.“Damit spielt die mit der „Tea Party“-Bewegung aufgestiegene Konservative auf ihre Aufholjagd an. In New Hampshire hat sie laut einer Umfrage nur sieben Prozentpunkte Rückstand auf Trump.
Interessant ist der Umstand, dass vier von zehn Wählern hier als Unabhängige registriert sind. Diese dürfen an den Vorwahlen der Republikaner oder Demokraten teilnehmen. Bei der erwarteten Rekordbeteiligung von mehr als 330.000 Wählern könnten sie der Trump-Herausforderin zu einem Überraschungssieg verhelfen. Haley setzt auf die lange Tradition, dass New Hampshire die Ergebnisse aus Iowa korrigiert. Dort hatte Trump vergangenen Dienstag einen Erdrutschsieg errungen. „Wir sind mit zwei Prozent gestartet und sind bei 20 Prozent gelandet“, zeigt sich die Kandidatin dennoch zufrieden mit ihrem Abschneiden. Es war genug, um nun das Rennen in New Hampshire zu einem direkten Duell mit Trump zu machen.
Keinem einzigen Republikaner gelang es seit 1976, die beiden ersten Vorwahlen zu gewinnen. Trumps Berater wissen um den „Fluch“und ziehen alle Register, nach dem ersten Platz im Mittleren Westen mit einem Doppelschlag in New Hampshire Geschichte zu schreiben. Ein PR-Coup gelang in Concord, wo er mit Tim Scott einen Unterstützer präsentierte, den auch Haley umworben hatte. Der einzige schwarze Senator im Kongress verdankt seinen Job Haley, die ihn 2012 als Gouverneurin für eine Vakanz benannt hatte.
„Interessant, wie sich Trump mit diesen ganzen Insidern aus Washington umgibt, die behaupten, sie wollten den Sumpf trockenlegen.“Und dann benutzte sie einen Satz, mit dem sie in ihrer Karriere immer wieder die männlichen Netzwerke angegriffen hat: „Kerle machen, was Kerle machen.“Mit dem Satz antwortete Haley auch Reportern auf der Iowa State Fair im August auf die Frage, ob sie als einzige Frau im Rennen überhaupt eine Chance habe. Das war vor der ersten Debatte, als sie bei zwei Prozent in den Umfragen rangierte. Genau darauf setzt Haley in New Hampshire: dass Trump sie als „Bird Brain“(Spatzenhirn) abtut – und verliert. An Selbstbewusstsein mangelt es der Frau nicht, deren Vorbild die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher ist. In ihrer Karriere hat Haley noch keine Wahl verloren.
Bei ihrem Endspurt am Wochenende argumentierte sie mit ihrer Wählbarkeit bei den Präsidentschaftswahlen im November. Die Republikaner hätten mit Trump den Senat und das Weiße Haus verloren. Die „Maga“-Anhänger seien eine „kleine Gruppe“, die nicht ausreiche, die Präsidentschaft zu gewinnen. Ohne die Anklagen in 91 Punkten vor vier Strafgerichten ausdrücklich zu erwähnen, schürt Haley Zweifel, dass die Amerikaner eine zweite Amtszeit Trumps wollen. „Chaos folgt ihm“, warnt sie ihre Partei vor der Versuchung.
Sollte sie in New Hampshire siegen, dürfte es Ende Februar zu einem Showdown in ihrem Heimatstaat South Carolina kommen. Das weiß auch Trump – der daran kein Interesse hat. Er wolle einen großen Sieg, mit großem Abstand. Er forderte seine Anhänger auf, zu kämpfen: „Das bringt die Sache zu einem Ende.“