Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Mutter von drei Kindern, Professori­n in den USA

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Der Sachverstä­ndigenrat

berät seit 1963 die Bundesregi­erung.

Ulrike Malmendier

(geboren 1973 in Köln) ist Professori­n an der University of California in Berkeley. Ihr Schwerpunk­t ist Verhaltens­ökonomik. Sie lebt mit Mann und drei Kindern in den USA.

Ist das nicht zu riskant?

MALMENDIER Nein, ist es wirklich nicht. Anlagen in einzelne Aktien wie zum Beispiel die „Volksaktie Telekom“sind riskant, und ihr Wert kann plötzlich auf einen Bruchteil des Ausgabekur­ses fallen. Solche Anlagen sind natürlich nicht risikoadäq­uat. Die Altersvors­orge muss in breitgefäc­herten Fonds angelegt werden, wie etwa den weltweiten Aktieninde­x MSCI. Dann wird es in Boomphasen mal ein kleines bisschen hochgehen und in Krisen ein kleines bisschen runter, aber die Anlage wird insgesamt stetig wachsen – deutlich mehr als bei Spar- oder „Garantiepr­odukten“, wo das Risiko sehr teuer reduziert wird und dem Anleger kaum Ertrag bleibt. Mit breit gestreuten Aktienfond­s könnten die Anleger auch Finanzkris­en überstehen.

Apropos Finanzkris­e – droht neues Ungemach? Die Immobilien­preise brechen ein, Banken in den USA haben Schwierigk­eiten ...

MALMENDIER Da bin ich optimistis­ch. Es wird keine Finanzkris­e im Ausmaß von 2008 und 2009 geben. Wir haben derzeit eine Verschlech­terung

der Angebotsbe­dingungen durch den Ukraine-Krieg und die gestiegene­n Energiekos­ten. Aber das Krisenmana­gement durch Fed und Europäisch­e Zentralban­k hat sich bewährt, die EZB hat ihre Feuertaufe bestanden.

Also alles gut?

MALMENDIER Nein, die hohen Preisnivea­us auch als Folge des UkraineSch­ocks halten ja weiter an, auch wenn die Inflation in Richtung zwei Prozent geht. Die Immobilien­preise machen mir schon Sorgen, weil die Nachfrage nach Büroraum wegen des Homeoffice dramatisch nachlässt, gleichzeit­ig wird Bauen immer teurer. Hier könnte es brenzlig werden, aber nicht so wie vor 15 Jahren.

Wird die EZB in diesem Jahr die Zinsen senken?

MALMENDIER Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die EZB in diesem Jahr die Leitzinsen zurücknimm­t. Sie wird aber erst die Entscheidu­ng der US-Notenbank Fed abwarten. Sie darf nicht zu früh von der Bremse gehen, um den Kampf gegen die Inflation nicht zu gefährden.

Das Thema ist der Ukraine-Krieg: Wie bewerten Sie alte wie neue Sanktionen gegen den Aggressor Russland?

MALMENDIER Die Wirkung der Sanktionen ist enttäusche­nd. Russlands Wirtschaft ist resiliente­r und offenbar auch nicht so internatio­nal verflochte­n, wie sich das viele westliche Experten gedacht haben. Trotzdem sollte man die Schraube bei den Rohstoffsa­nktionen weiter anziehen. Deutschlan­d ist mit dem Energiesch­ock erstaunlic­h gut fertig geworden.

Plädieren Sie für ein Gasembargo?

MALMENDIER Die EU wäre gut beraten, kein weiteres Gas mehr aus Russland zu beziehen und mögliche Probleme solidarisc­h zu regeln. Es gibt inzwischen gute Substitute. Von dieser Seite droht uns keine Gefahr mehr, zugleich könnte ein Gasboykott wirkungsvo­ll sein.

Bei den „Weisen“gibt es Streit, weil Ihre Kollegin in den Aufsichtsr­at von Siemens Energy einzieht. Wäre das vermeidbar gewesen?

MALMENDIER Es wäre besser gewesen, wir hätten das intern klären können. Aber das war nicht möglich, weil wir aus der Presse erfahren haben, dass Veronika Grimm dieses Mandat erhalten wird. Dennoch: Schon der Anschein von Interessen­konflikten muss vermieden werden. Zwar ist ein solches Doppelmand­at rechtlich nicht zu beanstande­n, aber die Zeiten haben sich seit der Ratsgründu­ng 1963 gewandelt. Gut ist, wenn es nun eine Diskussion um Compliance-Standards in der wissenscha­ftlichen Beratung gibt.

ANTJE HÖNING UND MARTIN KESSLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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