Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Unbehagen wegen Flüchtlingsunterkunft
Die Stadt hatte zum Infoabend eingeladen – kein Stuhl blieb frei. Bei einigen Anwohnern gibt es Bedenken gegenüber dem Projekt, doch auch optimistische Töne wurden angeschlagen.
SOLINGEN Einen Sitzplatz konnte am Montagabend nicht jeder im evangelischen Gemeindehaus an der Neuenhofer Straße ergattern, so groß war der Andrang der Anwohner, die sich bei einer Bürgerinformation der Stadt über das Projekt auf den neuesten Stand bringen wollten. Wie berichtet, plant die Verwaltung an der Neuenkamper Straße den Bau eines Holzhauses als Unterkunft für Geflüchtete. Perspektivisch gilt das auch für die Nibelungenstraße. Kostenpunkt für das aktuelle Projekt: sechs Millionen Euro. Rund 80 Personen sollen darin übergangsweise eine Bleibe finden.
Bei einigen Anwohnern lösen die Pläne Unbehagen aus, wie an den Fragen deutlich wurde. Ob die Stadt „einen guten Mix“bei den künftigen Bewohnern garantieren könne, wollte eine Besucherin wissen. „Wie funktioniert da das Onboarding? Bei 80 alleinstehenden Männern hätte ich Angst um meine Kinder.“
Eine Sorge, die Ordnungsdezernent Jan Welzel (CDU) zumindest zu lindern versuchte. Eine Garantie für die Zusammensetzung bei der künftigen Bewohnerschaft könne er zwar nicht aussprechen, räumte der Beigeordnete ein. „Wir haben kein Interesse daran, einen Bunker mit 80 schwierigen, jungen Männern zu schaffen.“
Zugleich verwies er auf die soliden Erfahrungswerte der Stadt in den vergangenen acht Jahren bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Zu dieser Mammutaufgabe würden vor allem ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger wie etwa Georg Schubert mit seiner Initiative „Gräfrath hilft“sowie hervorragende Sozialarbeit einen erheblichen Beitrag leisten.
In dem Haus werde naturgemäß eine erhöhte Fluktuation herrschen, so Welzel, denn für die Bewohner solle die Unterkunft nur eine Übergangslösung sein. Möglichst schnell sollten sie in der Lage sein, eigenständig zu wohnen, damit von der
Betreuung und Beschulung der Kinder bis hin zur Jobsuche die nächsten Integrationsschritte folgen könnten.
Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass dezentrale Unterbringung dafür der beste Weg sei. Massenunterkünfte etwa in Turnhallen schafften nicht nur „sozialen Sprengstoff“, sondern seien im Vergleich viel teurer, da auch Catering und Wachdienste mit hohem Kostenaufwand finanziert werden müssten. Eine Wahl habe die Stadt angesichts der aktuellen Situation des anhaltenden Krieges in der Ukraine nicht. Die Unterbringung der Geflüchteten sei durch die Zuweisungen des Landes für alle Kommunen eine gesetzliche Pflicht.
Außerdem auf Welzels Liste der unbequemen Wahrheiten: „Wir schieben auch ab.“Wer kein Bleiberecht
„Wir haben kein Interesse daran, einen Bunker mit 80 schwierigen,jungen Männern zu schaffen“Jan Welzel Ordnungsdezernent der Stadt Solingen
habe, müsse das Land wieder verlassen. Auch dieser Pflicht komme die Stadt konsequent nach.
Derweil präsentierte Matthias
Knospe vom städtischen Gebäudemanagement einen Entwurf der geplanten Unterkunft, die „bis zur Jahreswende“bezugsfertig sein soll. 21 Wohneinheiten mit Kochgelegenheit sowie jeweils einem Wohn- und Schlafraum werde das zweigeschossige Haus mit zweckmäßiger Einrichtung
bieten. Darüber hinaus sei ein Raum für die Betreuer, eine Spielfläche für Kinder, eine barrierefreie Rampe sowie eine 1,60 Meter hohe Zaunanlage vorgesehen.
Groß war bei vielen Anwohnern der Wunsch nach einer weiteren Ampelanlage an der Neuenkamper Straße – auch im Interesse der Sicherheit der Geflüchteten. Dazu könne sich die Stadt nicht äußern, da es sich um eine Bundesstraße handele, bedauerte Welzel. Man werde die Anregung aufnehmen und auf Handlungsmöglichkeiten der Stadt überprüfen. Auch der Hinweis aus der Runde auf mögliche Parkplatznot, sofern einige Geflüchtete einen eigenen Pkw besäßen, würden in die Planungen mit einbezogen.
Sind für den Neubau an der Neuenkamper Straße inzwischen die rechtlichen Hürden beseitigt, nachdem Anwohner eine Klage gegen das Vorhaben zuletzt zurückgezogen hatten, wurde eine Klage gegen das Projekt an der Nibelungenstraße zuletzt vom Verwaltungsgericht Düsseldorf abgewiesen. Welzel: „Dagegen können die Kläger nun Rechtsmittel einlegen.“
Bei allen Bedenken gegenüber dem Vorhaben traf Burg/Höhscheids SPD-Bezirksvertreterin Conny Weck-Stephan bei einigen Besuchern offenbar einen Nerv. Applaus erntete sie für ihren Appell an die Anwohner, dem Projekt offen und positiv zu begegnen. „Wir bekommen neue Nachbarn. Zu uns kommen Menschen, die traumatisiert sind und die unsere Hilfe brauchen. Ich wünsche mir ein bisschen Optimismus.“