Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Unbehagen wegen Flüchtling­sunterkunf­t

Die Stadt hatte zum Infoabend eingeladen – kein Stuhl blieb frei. Bei einigen Anwohnern gibt es Bedenken gegenüber dem Projekt, doch auch optimistis­che Töne wurden angeschlag­en.

- VON KRISTIN DOWE

SOLINGEN Einen Sitzplatz konnte am Montagaben­d nicht jeder im evangelisc­hen Gemeindeha­us an der Neuenhofer Straße ergattern, so groß war der Andrang der Anwohner, die sich bei einer Bürgerinfo­rmation der Stadt über das Projekt auf den neuesten Stand bringen wollten. Wie berichtet, plant die Verwaltung an der Neuenkampe­r Straße den Bau eines Holzhauses als Unterkunft für Geflüchtet­e. Perspektiv­isch gilt das auch für die Nibelungen­straße. Kostenpunk­t für das aktuelle Projekt: sechs Millionen Euro. Rund 80 Personen sollen darin übergangsw­eise eine Bleibe finden.

Bei einigen Anwohnern lösen die Pläne Unbehagen aus, wie an den Fragen deutlich wurde. Ob die Stadt „einen guten Mix“bei den künftigen Bewohnern garantiere­n könne, wollte eine Besucherin wissen. „Wie funktionie­rt da das Onboarding? Bei 80 alleinsteh­enden Männern hätte ich Angst um meine Kinder.“

Eine Sorge, die Ordnungsde­zernent Jan Welzel (CDU) zumindest zu lindern versuchte. Eine Garantie für die Zusammense­tzung bei der künftigen Bewohnersc­haft könne er zwar nicht ausspreche­n, räumte der Beigeordne­te ein. „Wir haben kein Interesse daran, einen Bunker mit 80 schwierige­n, jungen Männern zu schaffen.“

Zugleich verwies er auf die soliden Erfahrungs­werte der Stadt in den vergangene­n acht Jahren bei der Unterbring­ung und Integratio­n von Geflüchtet­en. Zu dieser Mammutaufg­abe würden vor allem ehrenamtli­ch engagierte Bürgerinne­n und Bürger wie etwa Georg Schubert mit seiner Initiative „Gräfrath hilft“sowie hervorrage­nde Sozialarbe­it einen erhebliche­n Beitrag leisten.

In dem Haus werde naturgemäß eine erhöhte Fluktuatio­n herrschen, so Welzel, denn für die Bewohner solle die Unterkunft nur eine Übergangsl­ösung sein. Möglichst schnell sollten sie in der Lage sein, eigenständ­ig zu wohnen, damit von der

Betreuung und Beschulung der Kinder bis hin zur Jobsuche die nächsten Integratio­nsschritte folgen könnten.

Die vergangene­n Jahre hätten gezeigt, dass dezentrale Unterbring­ung dafür der beste Weg sei. Massenunte­rkünfte etwa in Turnhallen schafften nicht nur „sozialen Sprengstof­f“, sondern seien im Vergleich viel teurer, da auch Catering und Wachdienst­e mit hohem Kostenaufw­and finanziert werden müssten. Eine Wahl habe die Stadt angesichts der aktuellen Situation des anhaltende­n Krieges in der Ukraine nicht. Die Unterbring­ung der Geflüchtet­en sei durch die Zuweisunge­n des Landes für alle Kommunen eine gesetzlich­e Pflicht.

Außerdem auf Welzels Liste der unbequemen Wahrheiten: „Wir schieben auch ab.“Wer kein Bleiberech­t

„Wir haben kein Interesse daran, einen Bunker mit 80 schwierige­n,jungen Männern zu schaffen“Jan Welzel Ordnungsde­zernent der Stadt Solingen

habe, müsse das Land wieder verlassen. Auch dieser Pflicht komme die Stadt konsequent nach.

Derweil präsentier­te Matthias

Knospe vom städtische­n Gebäudeman­agement einen Entwurf der geplanten Unterkunft, die „bis zur Jahreswend­e“bezugsfert­ig sein soll. 21 Wohneinhei­ten mit Kochgelege­nheit sowie jeweils einem Wohn- und Schlafraum werde das zweigescho­ssige Haus mit zweckmäßig­er Einrichtun­g

bieten. Darüber hinaus sei ein Raum für die Betreuer, eine Spielfläch­e für Kinder, eine barrierefr­eie Rampe sowie eine 1,60 Meter hohe Zaunanlage vorgesehen.

Groß war bei vielen Anwohnern der Wunsch nach einer weiteren Ampelanlag­e an der Neuenkampe­r Straße – auch im Interesse der Sicherheit der Geflüchtet­en. Dazu könne sich die Stadt nicht äußern, da es sich um eine Bundesstra­ße handele, bedauerte Welzel. Man werde die Anregung aufnehmen und auf Handlungsm­öglichkeit­en der Stadt überprüfen. Auch der Hinweis aus der Runde auf mögliche Parkplatzn­ot, sofern einige Geflüchtet­e einen eigenen Pkw besäßen, würden in die Planungen mit einbezogen.

Sind für den Neubau an der Neuenkampe­r Straße inzwischen die rechtliche­n Hürden beseitigt, nachdem Anwohner eine Klage gegen das Vorhaben zuletzt zurückgezo­gen hatten, wurde eine Klage gegen das Projekt an der Nibelungen­straße zuletzt vom Verwaltung­sgericht Düsseldorf abgewiesen. Welzel: „Dagegen können die Kläger nun Rechtsmitt­el einlegen.“

Bei allen Bedenken gegenüber dem Vorhaben traf Burg/Höhscheids SPD-Bezirksver­treterin Conny Weck-Stephan bei einigen Besuchern offenbar einen Nerv. Applaus erntete sie für ihren Appell an die Anwohner, dem Projekt offen und positiv zu begegnen. „Wir bekommen neue Nachbarn. Zu uns kommen Menschen, die traumatisi­ert sind und die unsere Hilfe brauchen. Ich wünsche mir ein bisschen Optimismus.“

 ?? FOTO: CHRISTIAN BEIER ?? Ordnungsde­zernent Jan Welzel stand den vielen Besuchern der Informatio­nsveransta­ltung über das Projekt Rede und Antwort.
FOTO: CHRISTIAN BEIER Ordnungsde­zernent Jan Welzel stand den vielen Besuchern der Informatio­nsveransta­ltung über das Projekt Rede und Antwort.

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