Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Messeratta­cken-Opfer wegen Waffenbesi­tzes angeklagt

- VON SABINE MAGUIRE

SOLINGEN/WUPPERTAL Blut tropft auf den Boden und die Tische. Der Wirt reißt sich das Shirt vom Körper. Man sieht die Einstiche in seinem Oberkörper, eine Frau drückt ihm ihre Jeansjacke auf die Wunden. Es herrscht Panik in der Bar in Ohligs im Mai 2022. Mit sieben Messerstic­hen und einem Lungenkoll­aps war das Opfer mit lebensgefä­hrlichen Verletzung­en in die Klinik gebracht worden. Der 32-Jährige war kurz zuvor von mehreren Männern attackiert und mit einem Messer niedergest­ochen worden.

All das war auf Videoaufze­ichnungen zu sehen, die vor einem Jahr im Schwurgeri­chtssaal des Wuppertale­r Landgerich­ts gezeigt wurden. Damals wegen versuchten Totschlags auf der Anklageban­k: vier Brüder aus Solingen. Der Hauptangek­lagte wurde zu einer Jugendstra­fe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Was die Kameras in der Kneipe in Ohligs damals auch aufgezeich­net hatten: Als der Wirt vor sein Lokal tritt, stellen sich plötzlich mehrere Männer dazu. Kurz darauf sieht man, wie das spätere Opfer eine Waffe und ein Magazin aus der Hosentasch­e holt. Es gelingt dem Mann nicht, die Pistole zu laden. Kurz darauf fallen die Angreifer über ihn her. Sie nehmen ihn in den Schwitzkas­ten, einer sticht mit dem Messer zu.

In seiner Urteilsbeg­ründung hatte der Vorsitzend­e Richter damals gesagt: Hätte der Wirt geschossen, wäre es Notwehr gewesen. Im Gerichtssa­al ausgesagt hatte der Mann nicht. Wegen der Pistole liefen Ermittlung­en wegen Waffenbesi­tzes gegen ihn, der 32- Jährige hatte sich auf sein Aussagever­weigerungs­recht berufen. Und ebenjene Waffe ist es nun, die ihn selbst auf die Anklageban­k brachte. Das Amtsgerich­t hatte den Wirt zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil Polizisten die halbautoma­tische Selbstlade-Pistole nach dem Messerangr­iff auf ihn im Kühlschran­k des Cafés gefunden hatten. Gegen das Urteil ist der Solinger in Berufung gegangen.

Dass der Mann sich „nur“deshalb bewaffnet haben will, weil er vorher bedroht worden sei? Dieser Einwand seines Verteidige­rs dürfte dem Angeklagte­n kaum helfen. Fragen werfen hingegen die Umstände auf, unter denen die Pistole in den Kneipen-Kühlschran­k gelangte: Die Freundin des Solingers soll sie dort deponiert haben, damit Polizeibea­mte sie abholen können. Die Beamten waren dann auch zwei Stunden später dort, es folgte die Anzeige wegen Waffenbesi­tzes. Im Vorfeld der „Übergabe“soll es Absprachen mit der Polizei gegeben haben, so der Anwalt des Wirts. Der sei in den zwei Stunden, in denen die Pistole im Kühlschran­k gelegen habe, gar nicht da gewesen. Aber nur um jene zwei Stunden geht es, alles andere ist nicht Teil der Anklage.

Nun will der Berufungsr­ichter weitere Zeugen hören – unter anderem den Polizeibea­mten, mit dem der Anwalt des Wirts damals über die Abholung der Waffe aus der Kneipe in Ohligs gesprochen haben will. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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