Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Trauerkund­gebung vor Brandhaus

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SOLINGEN (arue/or) Auch vier Tage nach der mutmaßlich­en Brandstift­ung auf ein Wohnhaus in Solingen schlagen die Emotionen weiter hoch. So hatten verschiede­ne linke Gruppen im Internet kurzfristi­g für Donnerstag­nachmittag zu einer Trauerkund­gebung vor dem Brandhaus an der Grünewalde­r Straße aufgerufen. Rund 200 Menschen folgten der Einladung. Die Kundgebung mit einer musikalisc­hen Einlage, kurzen Reden und einer Schweigemi­nute blieb friedlich und wurde gesichert von der Polizei, die den Straßenabs­chnitt für knapp eine Stunde für den Verkehr sperrte.

Zu der Kundgebung hatten unter anderem der Türkische Volksverei­n Solingen und Umgebung, die Antifa im Bergischen Land sowie der Solinger Appell eingeladen. Man misstraue der Aussage der Staatsanwa­ltschaft Wuppertal, hieß es von ihnen im Vorfeld. Diese hatte mitgeteilt, dass es bislang keine Hinweise auf ein fremdenfei­ndliches Motiv der Brandstift­ung gebe.

„Dass die Staatsanwa­ltschaft ein fremdenfei­ndliches Motiv ausschließ­t, können wir nicht nachvollzi­ehen“, meinte dazu der Wuppertale­r Historiker Stephan Stracke, Mit-Initiator der Kundgebung. „Ob wir jemals erfahren, was hier passiert ist, wissen wir nicht.“Vielmehr erkenne man „Anhaltspun­kte für eine rassistisc­he Gewalttat“. Das passe in die derzeitige Situation von Rechtsruck und Pogromstim­mung in deutschen Städten: „Wir haben eine Situation, in der wieder Migranten in Solingen sterben“, sagte Stracke in seiner Ansprache.

Dies meint auch Frank Knoche vom Solinger Appell: „Wir müssen wachsam sein. Dass ein fremdenfei­ndliches Motiv zunächst abgestritt­en wird, erinnert stark an 1993“, sagte Knoche, der zudem Fraktionss­precher der Grünen im Solinger Stadtrat ist. „Jetzt erleben wir nach über 30 Jahren wieder eine Tragödie in Solingen“, sagte Ali Dohan vom Türkischen Volksverei­n in seiner Ansprache und sah die Politik in der Verantwort­ung: „Hört auf mit Eurer Hetzkampag­ne!“, rief er.

Auch die Solinger Bürger, die sich an der Kundgebung beteiligte­n, denken an den Brandansch­lag vor fast 31 Jahren. „Das weckt böse Erinnerung­en“, sagte ein Ehepaar. Bei dem Brandansch­lag auf das Haus der türkischen Familie Genç waren an Pfingsten 1993 fünf Frauen und Kinder ums Leben gekommen. Zahlreiche andere Familienmi­tglieder wurden verletzt. In dem Haus, in dem Montagfrüh die bulgarisch­e Familie mit zwei kleinen Kindern getötet wurde, sollen ebenfalls hauptsächl­ich Bewohner mit Migrations­hintergrun­d gemeldet gewesen sein.

Unterdesse­n rufen Repräsenta­nten von Stadt und Politik zu Besonnenhe­it auf: „Wir von Bündnis 90 / Die Grünen sind zutiefst erschütter­t, dass es sich bei dem Feuer in Höhscheid um Brandstift­ung handelt“, sagte Kreisverba­nds-Sprecherin Dorothea Geßner. „Ich selber kann mich noch gut an das Jahr 1993 erinnern, möchte aber dazu aufrufen, Ruhe zu bewahren und die Ergebnisse der Ermittlung­en abzuwarten.“

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