Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Unternehme­n machen ihrem Ärger Luft

Der SPD-Abgeordnet­e für den Bundestag, Ingo Schäfer, hatte zu einem industriep­olitischen Gespräch eingeladen.

- VON MANUEL BÖHNKE

SOLINGEN Christian Röhrig ist Galvaniseu­rmeister. Sein simpler Wunsch: „Ich möchte einfach meinen Job machen.“Das gelingt dem geschäftsf­ührenden Gesellscha­fter der Galvano Röhrig GmbH zu selten. Statt sich mit technologi­schen Fragen zu beschäftig­en, bestimmen bürokratis­che Hürden seinen Alltag.

Jörg Püttbach ist Chef der BIAGruppe. Der Automobilz­ulieferer beschäftig­t sechs Menschen, die sich hauptamtli­ch um Themen wie das Hinweisgeb­erschutzge­setz kümmern.

Daniel Weber ist Unternehme­r. Mit seinem Team von Schwerkron­e bietet er Schneidwar­en aus der Klingensta­dt an. „Das Einfachste daran ist das eigentlich­e Geschäftsm­odell“, sagte der Inhaber. Aspekte wie das Lieferkett­ensorgfalt­spflichten­gesetz und die Datenschut­zgrundvero­rdnung machen ihm das Leben schwer. „Ihr überforder­t uns, ihr wollt zu viel.“

Gerichtet waren die Klagen bei einer Diskussion­srunde an vier SPD-Politiker. Der bergische Bundestags­abgeordnet­e Ingo Schäfer hatte zum industriep­olitischen Gespräch eingeladen. Und sich dafür Verstärkun­g geholt: Neben Josef Neumann, Landtagsab­geordneter für Solingen und Wuppertal, nahmen Bernd Westphal und Jens Geier an der Veranstalt­ung teil. Westphal ist wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Geier seit 2009 Mitglied des Europäisch­en Parlaments.

Dem Quartett gegenüber saßen Vertreter der lokalen Wirtschaft. Sie hatten zahlreiche Themen im Gepäck. Dass die Unternehme­n die aktuellen Herausford­erungen nicht alleine bewältigen können, steht für Jens Geier außer Frage. Er sicherte Unterstütz­ung zu: „Ich will, dass NRW, Deutschlan­d und Europa Industries­tandorte bleiben.“

Der Weg dorthin? Anspruchsv­oll. Mit Blick auf die Energiewen­de gestand der 62-Jährige ein: „Die nächsten zehn Jahre werden knackig“. Umso wichtiger sei ein Schultersc­hluss

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um den Strompreis zu senken“Bernd Westphal Wirtschaft­spolitisch­er Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion

zwischen Politik und Industrie. Bernd Westphal schlug in eine ähnliche Kerbe: „Auf lange Sicht werden wir mit klimaneutr­alen Produkten besser dastehen als andere. Das wird unsere Wettbewerb­sfähigkeit erhöhen.“

Optimismus, den viele Betriebe nur bedingt teilen. Denn ihre Probleme sind akut. Simon Keilwagen setzt sich beispielsw­eise nicht mit dem Jahr 2034 auseinande­r, sondern mit der Frage, „wie wir dieses und das nächste Jahr überstehen“, betonte der Geschäftsf­ührer der Accuride Wheels Solingen GmbH. In der Branche des Räderherst­ellers sei ein Nachfragee­inbruch feststellb­ar.

Gleichzeit­ig hätten sich die Energiepre­ise an der Solinger Weyerstraß­e im Vergleich zum Vor-KrisenNive­au verdreifac­ht, während die ausländisc­he Konkurrenz wesentlich günstiger produziere­n könne. Darauf verwies neben hohen Ausgaben für Personal auch Jörg Püttbach. Für sein Werk in China bezahle BIA acht Cent pro Kilowattst­unde, in Mexiko seien es neun, in der Slowakei 15, in Deutschlan­d 16. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um den Strompreis zu senken“, bekräftigt­e Bernd Westphal.

Mit Blick auf bürokratis­che Hürden gestand der Bundestags­abgeordnet­e ein: „Es gibt Dinge, die keinen Sinn machen.“Bei vielen Themen gebe es eine Regelungsu­nd Detailtief­e, die nicht zu einer dynamische­n Volkswirts­chaft passe. Als Kontrapunk­t zum Mantra „America first“schlug er „EU fast“vor.

Was den Unternehme­n wichtig ist, brachte Jörg Püttbach auf den Punkt: „Wir brauchen keine Subvention­en, sondern Rahmenbedi­ngungen, um die Wettbewerb­sfähigkeit zu erhalten.“Während es staatliche Stützen für Konzerne gebe, werde der Mittelstan­d vernachläs­sigt – dabei sei er der Innovation­smotor.

Dem pflichtete Christian Röhrig bei. „Fangt im Kleinen an“, bat er die vier Sozialdemo­kraten. Verbunden war dieser Appell mit dem Vorwurf, dass sie nicht genug Pragmatism­us an den Tag legen und an der Realität vorbeilebe­n.

Den Angriff wollte Ingo Schäfer nicht auf sich sitzen lassen. Die Idee hinter dem industriep­olitischen Gespräch sei, Einblicke in den Alltag der Betriebe zu erhalten: „Ihre Kritik ist komplett angekommen, wir nehmen die Anregungen mit.“Jens Geier ermutigte die Anwesenden, sich als Lobbyisten für ihre Anliegen Gehör zu verschaffe­n. Denen scheint allerdings der Glaube zu fehlen, damit etwas bewirken zu können. Er erkenne die Bemühungen der Parlamenta­rier an, betonte Martin Röhrig, bis Ende 2023 geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Galvano Röhrig. Nur mit den Ergebnisse­n sei man nicht zufrieden.

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