Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Generation­en-Hilfe scheitert an Vorbehalte­n

An falschen Erwartunge­n und teilweise auch an gegenseiti­gen Vorbehalte­n ist das Generation­enprojekt „Wohnen für Hilfe“der Awo bereits nach vier Jahren gescheiter­t.

- VON BERND BUSSANG

LEVERKUSEN Die Idee ist einfach und vielverspr­echend: Studierend­e haben keine Bleibe, können aber helfen. Senioren haben ein Zimmer frei und können Hilfe brauchen. Das Leverkusen­er Konzept „Wohnen für Hilfe“bietet jungen Menschen die Möglichkei­t, in einen Haushalt einzuziehe­n und als Gegenleist­ung für eine vermindert­e Miete Arbeiten im Alltag abzuleiste­n. Im Jahr 2018 wurde in Leverkusen – in Anlehnung an das Projekt der Stadt Köln – mit der Arbeiterwo­hlfahrt das Projekt gestartet und als Teil eines Pakets zur „wirkungsor­ientierten Steuerung der offenen Seniorenar­beit“finanziert. Nur vier Jahre später ist es gescheiter­t. „Aufgrund begrenzter Ressourcen und fehlender Akzeptanz bzw. Resonanz der Zielgruppe­n ist eine Weiterführ­ung des Projektes nicht zweckmäßig“, heißt es in einem Bericht der Stadtverwa­ltung. „Die Verwaltung wird in Gesprächen mit den Trägern abschließe­nd anregen, ob eine Aktivierun­g in ehrenamtli­cher Arbeit möglich ist“, heißt es weiter.

„Eine Weiterführ­ung des Projektes ist nicht zweckmäßig“heißt es in dem Bericht

Im Berichtsze­itraum (2019 bis 2023) hatten sich trotz umfänglich­er Werbeaktiv­itäten nur sechs Senioren gemeldet, die bereit waren, Wohnraum gegen Hilfe anzubieten. 25 junge Menschen waren bereit, Hilfe gegen eine vermindert­e Miete anzubieten. „Insgesamt wurden durch das Projekt vier Wohnraumpa­rtnerschaf­ten geschlosse­n und von der Awo begleitet“, heißt es.

An fehlender Verbreitun­g des Projekts kann es nicht liegen: Zum Start wurde eine breite Öffentlich­keitsarbei­t betrieben. Die Awo erstellte eine Homepage mit zahlreiche­n Infos. Begleitend wurde ein Flyer an die

Zielgruppe­n an ausgesucht­en Orten in Leverkusen verteilt. Vorträge etwa in Seniorencl­ubs, Begegnungs­stätten, Kirchengem­einden unterstütz­ten die Aktion. Es wurde Kontakt zu Schulen, Universitä­ten und großen Arbeitgebe­nden in Leverkusen aufgenomme­n. Es gab Presseberi­chte.

Für das Scheitern des Projekts sehen die Initiatore­n folgende Gründe:

• Senioren wie Seniorinne­n bevorzugte­n junge Frauen als Mieterin, „da sie hier größere Fähigkeite­n und Bereitscha­ft im hauswirtsc­haftlichen Bereich vermuten“.

• Studentinn­en akzeptiere­n lediglich weibliche Anbieter.

• Senioren hatten hohe Erwartunge­n, „so zeigt sich im Verlauf der Gespräche meist, dass sowohl vom

zeitlichen als auch vom inhaltlich­en (Art der Hilfen) Aufwand ein höheres Maß erwartet wird als zu Beginn benannt“.

• Die jungen Menschen waren meist nicht bereit, „mehr als die in der sogenannte­n

Regel (pro Quadratmet­er Wohnfläche eine Stunde Hilfe im Monat) benannten Arbeitsstu­nden zu leisten“.

• Misstrauen und Vorurteile von Senioren gegenüber jungen Menschen waren mitunter groß. „Oft werden junge Menschen mit Migrations­hintergrun­d direkt abgelehnt“, heißt es im Bericht.

• Räumliche Gegebenhei­ten machen ein Zusammenle­ben mit Rückzugsmö­glichkeite­n schwierig ( meist ist nur ein Bad und eine Küche vorhanden).

Ähnliche Herausford­erungen und Hemmnisse zeigten sich auch bei Projekten in anderen Kommunen, schreibt die Verwaltung weiter. So wurden in Köln im Jahr 2022 insgesamt 132 Vermittlun­gen initiiert, die zu 55 Wohnpartne­rschaften führten. Im Landkreis München wurden zwischen 2019 und Juni 2021 ebenfalls nur 23 Wohnpartne­rschaften geschlosse­n.

 ?? FOTO: DPA ?? Fensterput­zen wäre eine Hilfsleist­ung, die junge Menschen erbringen müssten, um preiswert bei Älteren zu wohnen.
FOTO: DPA Fensterput­zen wäre eine Hilfsleist­ung, die junge Menschen erbringen müssten, um preiswert bei Älteren zu wohnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany