Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
„Kinder erleben unsere Welt als unsicheren Ort“
SOLINGEN Erst Pandemie, dann Krieg und Rechtsruck. Und über allem schwebt der Klimawandel als allgegenwärtige Bedrohung ihrer Zukunft: „Viele Kinder erleben die Welt heute als einen Ort, der kein guter Ort für sie ist“, sagt Prof. Dr. Aleksandra Kaurin. An der Uni Wuppertal hat die Wissenschaftlerin den Lehrstuhl für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Psychotherapie inne und leitet die psychotherapeutische Universitätsambulanz für Kinder und Jugendliche. In Solingen zeigt sie auf, wie sich Kinder und Jugendliche stärken lassen.
Frau Prof. Dr. Kaurin, Klimawandel, Krieg und Rechtsruck: Was macht das mit unseren Kindern?
PROF. DR. ALEKSANDRA KAURIN Schon vor der Pandemie berichteten rund ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Studien über massive Probleme. Der Krieg in der Ukraine und in Gaza und natürlich die Klimakrise sind als weitere Belastungsfaktoren hinzugekommen. Viele Kinder leiden heute unter fehlenden Sozialkontakten, die Pandemie hat Freundschaften unterbunden. Sie sind desinformiert, obgleich sie zugleich mit Informationen überflutet werden – oft aus den sozialen Medien, die falsche Informationen verbreiten. Sie erleben aufgeheizte politische Diskussionen und eine Zunahme rassistisch beziehungsweise rechtsterroristisch motivierter Gewalt. Sie erleben einen Anstieg an Naturkatastrophen, denen sie machtlos gegenüberstehen. Das sind nur ein paar Beispiele, die sie unsere Welt als unsicheren Ort erleben lassen.
Ist das in den Schulen zu spüren?
KAURIN Ja. Das Bildungssystem steht unter einem enormen Druck, nicht zuletzt aufgrund des eklatanten Personalmangels. Die neue, von Krisen geprägte und unsichere Normalität trifft auf die Schule als wichtige gesellschaftliche Institution und konkreten sozialen Raum, was eine Herausforderung für alle Beteiligten darstellt. Wichtig ist: Wir müssen die Ängste und Sorgen der Kinder und Jugendlichen ernst nehmen.
Wie lässt sich ihre Widerstandskraft stärken?
KAURIN Das lässt sich nicht verallgemeinern, denn nicht alle Kinder haben die gleichen Startvoraussetzungen. Aber eine Sache können wir uns merken: Die Resilienz von Kindern können wir stärken, indem wir Verantwortung für sie übernehmen. In der Familie, in der Schule, in Gesellschaft und Politik.
Was habe ich von Ihrem Vortrag?
KAURIN Sie gewinnen eine bessere Vorstellung davon, weshalb unter den aktuellen Umständen mit einem weiteren Anstieg der psychischen Belastung bei Kindern und Jugendlichen zu rechnen ist. Sie werden erfahren, wie wichtig es ist, dieser Entwicklung entgegenzuwirken - und wie uns das gelingen kann.
Termin
Seelische Gesundheit in Krisenzeiten: Wie sich die Widerstandskraft von Kindern und Jugendlichen stärken lässt: Prof. Dr. Aleksandra Kaurin, Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften: Dienstag, 23. April, 19 Uhr, Lumen Filmtheater, Mühlenplatz 1.