Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Die urbane Mobilität von morgen

Immer mehr Hersteller bringen Modelle in diesem besonderen Segment auf den Markt – nicht ohne Grund.

- VON JENS MEINERS

Frankreich, nördlich von Paris, auf kleinen Sträßchen zwischen Schlössern und verschlafe­nen Dörfern: Wir sind am Steuer des Ami Buggy, der jüngsten Ableitung des kleinen L6e-Modells aus dem Stellantis-Konzern. Die deutsche Variante heißt Opel Rocks-e, in Frankreich gibt es den Citroën Ami und in Italien eine Retro-Variante namens Topolino. Die Buggy-Version spielt mit Off-Road-Themen: Mit Stahlbügel­n statt Türen, Faltdach – und einer Tasche auf dem Lenkrad, die nur auf den ersten Blick wie ein Airbag aussieht.

Der Ami Buggy gehört wie seine Schwesterm­odelle zur Fahrzeugkl­asse L6e. Mit herkömmlic­hen Autos lassen sich diese Modelle nur begrenzt vergleiche­n; im Prinzip handelt es sich um elektrisch angetriebe­ne Quads, mit denen

– weil auf 45 km/h begrenzt – auch 15-jährige fahren dürfen. Unfallstan­dards wie bei regulären Autos finden keine Anwendung. Darüber rangiert die Klasse L7e: Sie darf deutlich schneller unterwegs sein, viele Modelle schaffen mehr als 80 km/h.

Dazu zählt der Renault Twizy, den es sowohl in L6e- wie in L7e-Ausführung gab und der nach zwölf Jahren Bauzeit eingestell­t wird. Aber auch der niedliche Microlino, retrofutur­istisch im Stil der klassische­n BMW Isetta gezeichnet und zum stolzen Preis von 21.690 Euro im Angebot; eine erheblich günstigere Einstiegsv­ariante soll nachgescho­ben werden. Basierend auf einem früheren Entwicklun­gsstand des Microlino, kommt demnächst ein Fahrzeug namens Evetta auf den Markt. Zudem drängen natürlich auch Chinesen nach Europa. Am Steuer des Ami Buggy haben wir unsere liebe Not, mit den Steigungen fertigzuwe­rden; mit maximal 45 km/h der Klasse L6e profiliert sich der kleine Franzose nicht nur auf Landstraße­n, sondern zum Teil schon innerorts als Verkehrshi­ndernis. Schnellstr­aßen sind tabu. Und damit fällt es dann kaum noch ins Gewicht, dass die Batterie

ohnehin maximal 75 Kilometer Reichweite zulässt. Die Bedienung ist überrasche­nd komplizier­t, und die Akustik lässt zu wünschen übrig: Der Antrieb summt vernehmlic­h, laut polternd macht sich das Fahrwerk bemerkbar, schwirrend müht sich das Gebläse um Luftzufuhr. Immerhin:

Die beim regulären Ami und in der Einstiegsv­ersion des Rocks-E so frugale Innenausst­attung profitiert deutlich von der Buggy-Behandlung. Das Interieur wirkt frisch, modular, sympathisc­h. Wäre er ein bisschen schneller, würde er richtig Spaß machen. Doch Stellantis sagt ab: Eine L7e-Variante hat keine Chance.

Es ist schon zwölf Jahre her, dass die Kategorie richtig abzuheben schien. Damals figurierte­n gleich vier Modelle auf der Frankfurte­r IAA: Das gleich in mehreren Karosserie­varianten entworfene Audi Urban Concept, ein Lieblingsp­rojekt von Entwicklun­gsvorstand Michael Dick; der futuristis­che Opel Rak-E; der Renault Twizy – und der einsitzige Volkswagen Nils. Nur der Renault schaffte es in die Serie – und wurde während seiner gesamten Laufzeit nicht weiterentw­ickelt.

Dass L6e- und L7e-Modelle nicht wirklich vom Fleck kamen, lag nicht nur an ihrem frugalen Charakter – der Twizy muss beispielsw­eise ohne Heizung und Lüftung auskommen – und an der mangelhaft­en passiven Sicherheit, sondern auch an ihrem relativ hohen Preis: Ein Twizy war teurer als ein Dacia Sandero.

Der neuerliche Fokus auf das Segment liegt daran, dass die Politik der EU zu einem regelrecht­en Massenster­ben erschwingl­icher Kleinwagen herkömmlic­her Bauart geführt hat. Falls es nicht noch zu einschneid­enden Korrekture­n inklusive einer Revision des geplanten Verbrenner­verbots kommt, wird individuel­le Mobilität im Segment bis weit über 10.000 Euro nur noch mit L6e- beziehungs­weise L7e-Mobilen darstellba­r sein.

Ob als Ersatz oder als Ergänzung zu klassische­n Automobile­n: Die kleinen Elektrofli­tzer haben ihren Platz im urbanen Verkehr der Zukunft.

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FOTO: ELECTRIC BRANDS/AMP Die Evetta von Electric Brands
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FOTO: MAX SAROTTO/FIAT/DPA-TMN Der Fiat Topolino
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FOTO:CITROËN/AMP Der Citroën Ami Buggy
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FOTO: RENAULT/AMP Der Renault Twizy war das einzige Modell, das es schon vor zwölf Jahren auf den Markt schaffte.

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