Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Diakonie gibt Ganztag an Grundschule auf
Weil sie bei chronischer Unterfinanzierung durch die öffentliche Hand ihre Qualitätsstandards nicht halten kann, zieht sich die Diakonie aus der Ganztagsbetreuung an der Grundschule Kreuzweg zurück. Welche Auswirkungen das hat.
SOLINGEN Es war den Beteiligten anzumerken, dass sie diesen Schlussstrich nur sehr ungern ziehen: Die Diakonie Solingen gibt die Ganztagsbetreuung an der Grundschule Kreuzweg nach 20 Jahren der Trägerschaft auf. Das berichteten jetzt Diakoniepfarrerin Michaela Röhr, Geschäftsführerin Ulrike Kilp und der stellvertretende Superintendent Thomas Förster. Mitarbeiter, Stadtverwaltung und Schulleitung wurden bereits informiert, den Eltern ging ein Brief zu.
Vertrag läuft Ende Juli aus
Demnach wird die Kündigung Ende Juli dieses Jahres wirksam. Die beiden anderen Ganztagsbetriebe der Diakonie an Solinger Schulen sind von der Entscheidung nicht betroffen. Der Betrieb an der Grundschule Kreuzweg wird aufgegeben, weil er der umfangreichste und teuerste ist. Betroffen sind 137 Kinder, die an den beiden Standorten der Schule in sechs Gruppen betreut wurden. Darüber hinaus 17 Mitarbeiter der Diakonie, von denen sieben aufgrund ihrer unbefristeten Verträge in den OGS-Betrieben der Diakonie an der Erika-Rothstein-Schule und der Grundschule Erholungstraße wechseln können. Die befristeten Verträge der übrigen zehn Beschäftigten werden wohl nicht verlängert, die Diakonie will den Betroffenen gleichwohl zur Seite stehen.
Ganztagsbetrieb wird fortgesetzt
Die „sehr kurzfristige“Kündigung stelle die Stadtverwaltung „vor große Herausforderungen“, heißt es dazu von der Schulverwaltung. Sie bereite nun eine Ausschreibung der OGS-Trägerschaft zum kommenden Schuljahr vor, das am 1. August beginnt. „Ziel aller Beteiligten ist es, den Kindern und Eltern der Schule ein verlässliches Betreuungsangebot auch im nächsten Schuljahr anzubieten.“
Das sind die Gründe
Schon lange hat die Diakonie als ein wichtiger sozialer Träger in Solingen davor gewarnt, dass der Ganztagsbetrieb an Schulen nicht ausreichend finanziert ist. Auch eine Kundgebung hat es dazu schon gegeben. „Solingen bleib(t) sozial! Wir sind am Limit!“, hieß es bei der Demonstration Ende Oktober. Gehofft hatten
die Beteiligten insbesondere auf den neuen Gesetzentwurf, der den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ab 2026 regeln soll. Umso größer die Enttäuschung: „Da wird ein Gesetz seit Jahren vorbereitet, und dann kriegen wir drei Seiten, und da steht eigentlich nichts drin“, sagt Ulrike
Kilp, die stattdessen ein Regelwerk vom Umfang des Kinderbildungsgesetzes Kibiz erwartet hätte. So aber seien darin weder Qualitätsstandards verankert, noch würden verbindliche Aussagen zur Finanzierung getroffen. Das sei dann der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Denn ein „Weiter so“dürfe es für den bunten Flickenteppich, den die OGS-Betreuung in Deutschland darstellt, eigentlich nicht mehr geben. Ein bundesweiter, guter Qualitätsstandard sei dringend nötig.
Die finanzielle Lage Mit dem Betrieb von Offenen Ganztagen sei die Diakonie „schon seit längerem im Defizit unterwegs“, schildern Kilp, Röhr und Förster die aktuelle Lage. Für das vergangene Jahr liege der Fehlbetrag bei 80.000 Euro, in diesem Jahr wäre ein Fehlbetrag von 120.000 Euro zu erwarten gewesen, wenn nicht vorher die Reißleine gezogen worden wäre. Längst schieße die Evangelische Kirche als Trägerin der Diakonie auch schon Kirchensteuern in nicht unbeträchtlicher Höhe in das soziale Engagement.
Doch auch die Kirchensteuern sinken aufgrund der wachsenden Zahl an Kirchenaustritten. Wie Förster vorrechnet, müsse man in diesem Jahr mit neun Prozent weniger Einnahmen rechnen als im vergangenen, „das ist ein erheblicher Einbruch“, so Förster. Zugleich sind auch die Kassen der Kommunen leer: Die Stadt Solingen sei schon seit längerem mit den Trägern des offenen Ganztages über die schwierige Finanzsituation im Gespräch, heißt es aus dem Rathaus. Doch aufgrund der finanziellen Situation „haben wir immer wieder mitgeteilt, dass es leider keine weiteren finanziellen Spielräume gibt und das Land Nordrhein-Westfalen in der Pflicht für eine auskömmliche Finanzierung ist“.