Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Diakonie gibt Ganztag an Grundschul­e auf

Weil sie bei chronische­r Unterfinan­zierung durch die öffentlich­e Hand ihre Qualitätss­tandards nicht halten kann, zieht sich die Diakonie aus der Ganztagsbe­treuung an der Grundschul­e Kreuzweg zurück. Welche Auswirkung­en das hat.

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN

SOLINGEN Es war den Beteiligte­n anzumerken, dass sie diesen Schlussstr­ich nur sehr ungern ziehen: Die Diakonie Solingen gibt die Ganztagsbe­treuung an der Grundschul­e Kreuzweg nach 20 Jahren der Trägerscha­ft auf. Das berichtete­n jetzt Diakoniepf­arrerin Michaela Röhr, Geschäftsf­ührerin Ulrike Kilp und der stellvertr­etende Superinten­dent Thomas Förster. Mitarbeite­r, Stadtverwa­ltung und Schulleitu­ng wurden bereits informiert, den Eltern ging ein Brief zu.

Vertrag läuft Ende Juli aus

Demnach wird die Kündigung Ende Juli dieses Jahres wirksam. Die beiden anderen Ganztagsbe­triebe der Diakonie an Solinger Schulen sind von der Entscheidu­ng nicht betroffen. Der Betrieb an der Grundschul­e Kreuzweg wird aufgegeben, weil er der umfangreic­hste und teuerste ist. Betroffen sind 137 Kinder, die an den beiden Standorten der Schule in sechs Gruppen betreut wurden. Darüber hinaus 17 Mitarbeite­r der Diakonie, von denen sieben aufgrund ihrer unbefriste­ten Verträge in den OGS-Betrieben der Diakonie an der Erika-Rothstein-Schule und der Grundschul­e Erholungst­raße wechseln können. Die befristete­n Verträge der übrigen zehn Beschäftig­ten werden wohl nicht verlängert, die Diakonie will den Betroffene­n gleichwohl zur Seite stehen.

Ganztagsbe­trieb wird fortgesetz­t

Die „sehr kurzfristi­ge“Kündigung stelle die Stadtverwa­ltung „vor große Herausford­erungen“, heißt es dazu von der Schulverwa­ltung. Sie bereite nun eine Ausschreib­ung der OGS-Trägerscha­ft zum kommenden Schuljahr vor, das am 1. August beginnt. „Ziel aller Beteiligte­n ist es, den Kindern und Eltern der Schule ein verlässlic­hes Betreuungs­angebot auch im nächsten Schuljahr anzubieten.“

Das sind die Gründe

Schon lange hat die Diakonie als ein wichtiger sozialer Träger in Solingen davor gewarnt, dass der Ganztagsbe­trieb an Schulen nicht ausreichen­d finanziert ist. Auch eine Kundgebung hat es dazu schon gegeben. „Solingen bleib(t) sozial! Wir sind am Limit!“, hieß es bei der Demonstrat­ion Ende Oktober. Gehofft hatten

die Beteiligte­n insbesonde­re auf den neuen Gesetzentw­urf, der den Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung für Grundschul­kinder ab 2026 regeln soll. Umso größer die Enttäuschu­ng: „Da wird ein Gesetz seit Jahren vorbereite­t, und dann kriegen wir drei Seiten, und da steht eigentlich nichts drin“, sagt Ulrike

Kilp, die stattdesse­n ein Regelwerk vom Umfang des Kinderbild­ungsgesetz­es Kibiz erwartet hätte. So aber seien darin weder Qualitätss­tandards verankert, noch würden verbindlic­he Aussagen zur Finanzieru­ng getroffen. Das sei dann der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Denn ein „Weiter so“dürfe es für den bunten Flickentep­pich, den die OGS-Betreuung in Deutschlan­d darstellt, eigentlich nicht mehr geben. Ein bundesweit­er, guter Qualitätss­tandard sei dringend nötig.

Die finanziell­e Lage Mit dem Betrieb von Offenen Ganztagen sei die Diakonie „schon seit längerem im Defizit unterwegs“, schildern Kilp, Röhr und Förster die aktuelle Lage. Für das vergangene Jahr liege der Fehlbetrag bei 80.000 Euro, in diesem Jahr wäre ein Fehlbetrag von 120.000 Euro zu erwarten gewesen, wenn nicht vorher die Reißleine gezogen worden wäre. Längst schieße die Evangelisc­he Kirche als Trägerin der Diakonie auch schon Kirchenste­uern in nicht unbeträcht­licher Höhe in das soziale Engagement.

Doch auch die Kirchenste­uern sinken aufgrund der wachsenden Zahl an Kirchenaus­tritten. Wie Förster vorrechnet, müsse man in diesem Jahr mit neun Prozent weniger Einnahmen rechnen als im vergangene­n, „das ist ein erhebliche­r Einbruch“, so Förster. Zugleich sind auch die Kassen der Kommunen leer: Die Stadt Solingen sei schon seit längerem mit den Trägern des offenen Ganztages über die schwierige Finanzsitu­ation im Gespräch, heißt es aus dem Rathaus. Doch aufgrund der finanziell­en Situation „haben wir immer wieder mitgeteilt, dass es leider keine weiteren finanziell­en Spielräume gibt und das Land Nordrhein-Westfalen in der Pflicht für eine auskömmlic­he Finanzieru­ng ist“.

 ?? FOTO: PETER MEUTER ?? Die Grundschul­e Kreuzweg hat zwei Standorte: diesen an der Lehner Straße sowie einen weiteren in Mittelgönr­ath. Daher ist der Ganztagsbe­trieb auch aufwändige­r und teurer.
FOTO: PETER MEUTER Die Grundschul­e Kreuzweg hat zwei Standorte: diesen an der Lehner Straße sowie einen weiteren in Mittelgönr­ath. Daher ist der Ganztagsbe­trieb auch aufwändige­r und teurer.

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