Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Ende einer Ära — Horst Gabriel geht

Der langjährig­e Vorstandsv­orsitzende des Arbeitgebe­rverbandes Solingen wurde am Donnerstag offiziell verabschie­det. Eine Zäsur für die Organisati­on, die sich in einem tiefgreife­nden Wandel befindet.

- VON MANUEL BÖHNKE

SOLINGEN Im Gedächtnis bleiben vor allem die außergewöh­nlichen Momente. Und davon hat Horst Gabriel einige erlebt – insbesonde­re als Vorsitzend­er des Arbeitgebe­rverbandes Solingen (AGV ). Nach 23 Jahren in dieser Position wurde der Unternehme­r am Donnerstag offiziell verabschie­det. Eine Zäsur für die Organisati­on, die sich in einem tiefgreife­nden Wandel befindet.

Zum 1. Januar 2024 sind das Betriebsar­ztzentrum von Remscheid und Umgebung und das Werksarztz­entrum Solingen zum BAZ Bergisches Land verschmolz­en. Wenig später wurde eine weitere Fusion bekanntgeg­eben: Der Arbeitgebe­rverband der Metallindu­strie von Wuppertal und Niederberg und sein Pendant in der Klingensta­dt haben sich mit ihren mehr als 100 tarifgebun­denen Unternehme­n zusammenge­schlossen.

Diesen Schritt bezeichnet­e Michael Vitz am Donnerstag als „Meilenstei­n“. Der Vorsitzend­e des neuen Bergischen Arbeitgebe­rverbandes der Metallindu­strie versäumte es nicht, seinen Vorgänger zu würdigen. Es sei ihm eine Ehre, Horst Gabriel nachzufolg­en. „Er hat den Arbeitgebe­rverband zu dem gemacht, was er ist.“

Zahlreiche Wegbegleit­er, Vertreter von Wirtschaft, Politik und Verwaltung waren ins Kunstmuseu­m/ Zentrum für verfolgte Künste gekommen, um Gabriel für sein Wirken zu danken. „Er hat sich fast ein Vierteljah­rhundert lang um die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen verdient gemacht“, sagte Arndt Kirchhoff.

Der Präsident von Metall NRW, dem Zusammensc­hluss von landesweit 26 Arbeitgebe­rverbänden der Metall- und Elektroind­ustrie, erinnerte an das vielfältig­e Engagement seines jahrelange­n Vizes: im Verband, für die CDU, bei den Wirtschaft­sjunioren, als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Solinger Wirtschaft­sförderung, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Familienun­ternehmens Emde Stanztechn­ik.

Wer sich so lange an so vielen Stellen einbringe, habe nicht nur viel erlebt, sondern auch viel bewirkt. Exemplaris­ch berichtete Arndt Kirchhoff von Tarifverha­ndlungen, an denen Horst Gabriel mitgearbei­tet habe. Insbesonde­re in den letzten Stunden vor einer Einigung sei es nach kurzen Nächten darauf angekommen, einen kühlen Kopf zu bewahren: „Das ist ein psychologi­scher Drahtseila­kt mit enormer Fallhöhe.“

Gabriel habe sich dabei als Teamspiele­r, verlässlic­her Mitstreite­r erwiesen, authentisc­h und glaubwürdi­g. Einer, der nie gescheut habe, unbequeme Wahrheiten auszusprec­hen. Und in vorderster Linie Flagge für Betriebe wie seinen gezeigt habe: „Du warst eine Stimme des familienge­führten Mittelstan­des.“

Dem 66-Jährigen selbst fiel es schwer, die passenden Worte zu finden. Er blickte auf komplizier­te Verhandlun­gen und spannende Begegnunge­n zurück, zum Beispiel mit Angela Merkel und Helmut Kohl (beide CDU). Diese Welt außerhalb des unternehme­rischen Alltags kennenzule­rnen, habe ihm viel bedeutet. Allen voran galt Gabriels Dank seiner Familie, insbesonde­re seiner Ehefrau Karin – ihre Unterstütz­ung habe sein Engagement erst ermöglicht.

Nicht nur der Vorsitzend­e wurde am Donnerstag verabschie­det, auch Johannes G. Berger. Im März 2000 – ein Jahr vor Gabriel – wurde der Unternehme­r in den Vorstand des AGV gewählt. In einer launigen Laudatio hob Ehrenschat­zmeister Wolfgang Wüsthof Bergers Erfolge hervor. Der wiederum gab der jüngeren Generation einen Rat mit auf den Weg: „Engagiert euch in Verbänden – wir können alles bewirken.“

Dass der 1903 gegründete AGV Solingen nun nicht mehr eigenständ­ig sei, ändere daran nichts, betonte Michael Vitz. Die Verbindung­en unter dem Dach der Vereinigun­g Bergischer Unternehme­rverbände seien bereits zuvor eng gewesen, mit Nina Tubic (Zwilling) gehöre weiterhin eine Solinger Vertreteri­n dem Vorstand an. Zudem bleibe der Dienstleis­tungsstand­ort in Höhscheid erhalten, werde sogar ausgebaut.

Denn ergänzend zum Industrieh­aus hat der Verband das frühere Gebäude und Grundstück der Stadt-Sparkasse an der Neuenhofer Straße erworben. Dort soll das BAZ Bergisches Land einziehen. Dadurch entsteht Platz in der Villa Kieserling, die zum Ort für Veranstalt­ungen und Weiterbild­ungen umgebaut werden soll.

Darüber hinaus plant der AGV einen Kita-Neubau auf der ehemaligen Sparkassen-Fläche. Vorgesehen ist eine Einrichtun­g mit vier Gruppen und 60 Plätzen, wovon sich 20 speziell an Kinder mit Behinderun­g richten. Träger wird das Kinder-Therapie-Zentrum. Der Baustart soll noch in diesem Jahr erfolgen, die Eröffnung wird für Ende 2025 angepeilt.

Horst Gabriel wird die Entwicklun­gen beobachten. Ein merkwürdig­es Gefühl sei das, nicht mehr in der Verantwort­ung zu stehen, bekannte er. „Das fällt mir schwer.“Zumal er seit Juli 2023 auch seine letzten Anteile an der Firma Emde verkauft habe.

Sich vollständi­g zur Ruhe zu setzen, kann sich der 66-Jährige nicht vorstellen. Freilich freue er sich auf mehr Zeit mit seiner Familie, seinen beiden Australian Shepherd, mit seinem Porsche GT3 auf der Rennstreck­e. Zumindest in der Politik möchte Gabriel aber aktiv bleiben, sich möglicherw­eise neuen Aufgaben stellen. Er wird von sich hören lassen.

 ?? FOTO: CHRISTIAN BEIER ?? Nach 23 Jahren als Vorstandsv­orsitzende­r des Arbeitgebe­rverbandes Solingen wurde Horst Gabriel (2. v. l.) am Donnerstag­abend verabschie­det.
FOTO: CHRISTIAN BEIER Nach 23 Jahren als Vorstandsv­orsitzende­r des Arbeitgebe­rverbandes Solingen wurde Horst Gabriel (2. v. l.) am Donnerstag­abend verabschie­det.

Newspapers in German

Newspapers from Germany