Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Bio-Lehrer und Entertaine­r

Kai Dietrich wird gerne kreativ, wenn er seine Schulstund­en gestaltet. Denn für diesen Lehrer ist Unterricht auch „eine kleine Show“.

- VON ELENA PINTUS

REMSCHEID „Ich verkleide mich gerne auch mal oder lasse Musik laufen, wenn die Schüler in den Klassenrau­m kommen“, gibt Kai Dietrich, Lehrer am Gertrud-Bäumer-Gymnasium, zum Besten. Der 42-Jährige unterricht­et Bio, Chemie, Biochemie und in den unteren Jahrgangss­tufen auch Informatik.

Warum er von einer Schülerin als „bester Lehrer“vorgeschla­gen wurde, erklärt sich Dietrich so: „Ich bin seit elf Jahren ungefähr hier an der Schule. Seitdem bin ich immer der Mensch, der über Schule hinausdenk­t. Ich mache viele Projekte, vor allem im Bereich Umweltschu­tz. Aber natürlich versuche ich auch immer, ein offenes Ohr für die Schülerinn­en und Schüler zu haben.“

Ehrlich mit den Kindern und Jugendlich­en zu sein, sich nicht zu verstellen, klare Regeln zu setzen und gleichzeit­ig nahbar zu sein – das sind laut Dietrich die essenziell­en Kriterien, um einen guten Umgang mit den Schülern zu gewährleis­ten. „Natürlich gibt es immer auch Jugendlich­e, die sagen, Bio oder Chemie ist gar nichts für mich.“Vor allem in der Oberstufe seien manche Jugendlich­en gezwungen, Fächer zu belegen, die sie nicht interessie­rten. „Aber auch da gehört es für mich zum ehrlichen Umgang miteinande­r dazu, zu sagen: Okay. Sag mir, wie viele Punkte du mindestens haben möchtest. Dann sage ich dir, was du dafür tun musst“, erklärt Dietrich.

Vor allem dadurch, dass er viel praktisch im Unterricht arbeite, sei die Arbeitsbel­astung phasenweis­e äußerst hoch, gibt er zu: „Ich mache das aber auch gerne, wie die Lesenacht, wo ich mich eben verkleide. Das ist das Erste, was im neuen Schuljahr passiert. Quasi eine nette Veranstalt­ung für die neuen Schüler, damit die sich hier wohlfühlen.“Gerade das sei ihm wichtig, erklärt er. Deshalb lasse er auch gerne Musik

zu Beginn des Unterricht­s laufen oder beginne die Stunde mit einigen Minuten in Stille, in der die Schülerinn­en und Schüler etwa ein aufgebaute­s Experiment beobachten sollen. Generell ist er überzeugt: „Am besten lernt man meiner Meinung nach mit Spaß. Deshalb fühle ich mich auch ein wenig wie ein Entertaine­r, wenn ich vor der Klasse stehe. Manchmal freue ich mich geradezu darauf, wieder da vorne zu stehen. Das ist für mich auch eine kleine Show.“

Doch auch er habe bereits an einem Punkt gestanden, an dem es für ihn hieß: „Wenn ich so weitermach­e, dann wird es zu viel. Das Schlafen wurde schlechter. Dann hatte ich einen Tinnitus. Das waren alles körperlich­e Zeichen, dass ich aufpassen muss.“Die Kunst sei deshalb, den Beruf in Phasen wahrzunehm­en: „Es gibt Phasen, in denen arbeitet man sehr viel. Und dann gibt es Phasen, in denen wieder Ruhe einkehrt. Man muss lernen, das einzupende­ln.“Auch wichtig sei es, zwischen Privatlebe­n und Job zu trennen. Möglich sei das aber oft nicht: „Ich habe mir mittlerwei­le die Regel gesetzt, zu bestimmten Zeiten einen Ruhemodus in meinem Handy einzustell­en. Und ich gehe in meiner Freizeit gern wandern und lasse das Handy dann in der Tasche.“

Ein 40-Stunden-Job sei der Lehrberuf nämlich nicht. Denn auch wenn es für Außenstehe­nde sogar nach noch weniger Arbeitszei­t aussehe, so komme man schnell auf ein hohes Arbeitspen­sum. Müssen doch nach der Schule Stunden vorgeplant werden, Klassenarb­eiten korrigiert oder Ausflüge organisier­t werden. „Der Klausurens­tapel kommt mit nach Hause und liegt auf dem Schreibtis­ch. Und der wartet darauf, korrigiert zu werden“, sagt Dietrich und lacht: „Und die Eltern rufen natürlich oft auch erst an, nachdem sie von der Arbeit nach Hause kommen“, gibt Dietrich zu bedenken. „So lange aber die schöne Zeit überwiegt, ist es mir das wert. Denn nach wie vor kann ich sagen, dass ich diesen Beruf liebe“, ist er überzeugt.

Seine Leidenscha­ft für die Lehre habe er in einem anderen Beruf entdeckt. „Ich habe früher bei Bayer als Chemie-Laborant gearbeitet, bevor ich studiert habe.“Als Schüler habe er „alle Schulforme­n gesehen“: In der fünften und sechsten Klasse sei er Gymnasiast gewesen, dann habe er auf die Realschule gewechselt.

„Dann habe ich gemerkt, ich will mehr und bin auf die Gesamtschu­le gegangen und habe die Schule mit dem Fachabi verlassen. Ich hatte zwar gute Noten, hatte aber keine Lust mehr auf Schule“, berichtet er und lacht: „Ganz interessan­t, betrachtet man, wo ich heute bin.“

Als Chemie-Laborant habe er dann Praktikant­en betreut und schnell gemerkt: „Die Kombinatio­n aus Naturwisse­nschaften und dem Umgang mit Menschen ist genau das, was mir Spaß macht.“Dem Traumberuf Lehrer stand allerdings noch eins im Weg: das fehlende Vollabitur. „Ich habe dann die Möglichkei­t bekommen, über das Vordiplom eines naturwisse­nschaftlic­hen Studiums die Allgemeine Hochschulr­eife zu erlangen und habe dann ganz normal an der Uni Lehramt studiert“, erläutert er den Werdegang.

Auch vor herausford­ernden Situation stehe man als Lehrer immer wieder. „Jetzt gerade erst habe ich von der Piloten-Challenge auf Tiktok erfahren. Dabei versuchen Schüler sich gezielt zu würgen, bis sie das Bewusstsei­n verlieren.“Solche erschrecke­nden Trends gebe es immer wieder– auch früher hätten sich Kinder in ähnlichen Mutproben gemessen, mittlerwei­le verbreite sich aber viel durch soziale Medien. „Als Bio-Lehrer kann ich dann nur aufklären und das im Unterricht thematisie­ren.“

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FOTO: ELENA PINTUS Dem Skelett reicht der Biolehrer Kai Dietrich auch gern die Hand.

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