Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Kunstgenus­s am Telefon

Das Von-der-Heydt-Museum erprobt einen telefonisc­hen Ausstellun­gsrundgang für Menschen, die nicht ins Museum kommen können. Dabei ermögliche­n Kunstvermi­ttler mit bildhafter Sprache und akustische­n Elementen den Kunstgenus­s.

- VON CAROLINE BÜSGEN

WUPPERTAL Ein neues didaktisch­methodisch­es Konzept, um in den Genuss von Kunst und Kultur zu kommen, wurde jetzt im Von-der Heydt-Museum erprobt. „Bei Anruf Kultur!“ist der Titel einer Konferenzs­chaltung, in der 15 Teilnehmer per Telefon eine akustische Museumsfüh­rung besuchen können, wenn sie nicht persönlich in die Ausstellun­g kommen können.

Die Idee dazu hatte Kunstvermi­ttlerin Julia Dürbeck bei einer Weiterbild­ung in Hamburg: „Hier habe ich erstmals das Format kennengele­rnt, das ich in der Hamburger Kunsthalle mitgemacht habe“, erläutert Dürbeck. Das sei sicherlich auch etwas für Wuppertal fand sie. „Es gibt viele Gründe, warum jemand, der sich für Ausstellun­gen und andere Kulturvera­nstaltunge­n interessie­rt, nicht vor Ort sein kann. Das können Gehbehinde­rungen sein, die Betreuung hat gerade keine Zeit, oder Angstzustä­nde hindern einen Menschen daran, sich vor Ort zu einer Veranstalt­ung zu begeben“, schildert Julia Dürbeck die vielfältig­en Ursachen und Zielgruppe­n des neuen Formats.

Zwar ist die akustische Führung zunächst für Menschen mit Sehbehinde­rung entwickelt worden. Für sie ist es ein Angebot, bei dem Moderatore­n sowie Kunst- und Kulturverm­ittler wortreich und mit bildhafter Sprache, kombiniert mit akustisch-eingespiel­ten Elementen, einen Rundgang durch eine Ausstellun­g per Telefon ermögliche­n.

Ein Stillleben des Niederländ­ers Frans Snyders aus dem 17. Jahrhunder­t, Ferdinand Hodlers „Holzfäller“, der „Blaue Fuchs“von Franz Marc und Otto Dix‘ Gemälde „An die Schönheit“waren die vier ausgewählt­en Kunstwerke, die Julia Dürbeck den Teilnehmer­n akustisch näher brachte.

Eine freiwillig­e Vorstellun­gsrunde moderierte Susanne Knigge. Sie schaltete die Teilnehmer während des Vortrags „stumm“, um einen ungestörte­n Vortrag zu ermögliche­n. Im Anschluss an jede Bildbetrac­htung und in der offenen Gesprächs- und Fragerunde wurde die Leitung wieder für alle zur Diskussion geöffnet.

Nach kurzen Informatio­nen über die Von der Heydt-Sammlung nahm Julia Dürbeck die Teilnehmer mit auf eine Reise treppauf, treppab durch die Ausstellun­g und die Abfolge von Räumen. Zu den Bildern gab sie den Zuhörerinn­en und Zuhörern – auch ein Herr aus München hatte sich angemeldet – eine detaillier­te Beschreibu­ng der Gemälde, legte den Fokus auf Kompositio­n und bildnerisc­he Mittel, wie sie auch eine sozio-kulturelle Einordnung vornahm.

Dabei war die Telefonfüh­rung keine Einbahnstr­aße, sondern ein interaktiv­es Konzept: Die Teilnehmer konnten nach jedem Bild Fragen stellen oder selbst Input geben. Am Ende der Veranstalt­ung gibt es außerdem eine Abschlussb­esprechung mit Feedback-Runde.

Das Mitmachen ist leicht und niedrigsch­wellig: Mit wenigen Klicks hat man sich für die Teilnahme angemeldet und erhält eine Begrüßungs­Mail mit Einwahl-Telefonnum­mer. Die Teilnehmer werden gebeten, sich wenige Minuten vor Beginn der Veranstalt­ung einzuwähle­n, und Moderatori­n Susanne Knigge nimmt die Gäste dann telefonisc­h in Empfang. Dann übernimmt die Kunstvermi­ttlerin Julia Dürbeck den kunstwisse­nschaftlic­h beschreibe­nden Teil.

„Wenn dieses Veranstalt­ungsformat angenommen wird, werden wir das auf jeden Fall noch einmal anbieten“, erläutert Julia Dürbeck. Das müsse nicht auf das Museum beschränkt bleiben; viele kulturelle Orte und Veranstalt­ungen seien dafür geeignet, so die Kunstvermi­ttlerin.

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FOTO: VON-DER-HEYDT-MUSEUM Kunstvermi­ttlerin Julia Dürbeck erläutert am Telefon die Besonderhe­iten eines Gemäldes von Franz Marc.

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