Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Das Bachtal mit dem rastlosen Geist
Um das Quellgebiet über dem der 2,9 Kilometer langen Hengstener Bach im Stadtteil Beyenburg rankt sich eine Sage, der einige Menschen heute noch Glauben schenken. Demnach soll hier ein Geist sein Unwesen treiben.
WUPPERTAL In der Ferne schauen zwei Hasenohren aus dem hohen Gras. Der Blick ins Hengstener Bachtal vom ehemaligen Weiler Spieckern offenbart einen Panoramablick über grüne Hügel. Landluft umweht die Nase. Wie aufs Kommando kräht ein Hahn und stellt damit unmissverständlich klar, dass hier am Rande von Beyenburg das Leben ländlicher nicht sein könnte. Die charmante Siedlung verfügt über eine Handvoll Einfamilienhäuser, eine Reitsportanlage, das Feuerwehrhaus des Löschzugs Wallbrecken und eine versteckte Attraktion: In einem der privaten Gärten entspringt nämlich der Hengstener Bach. Als Rinnsal fließt er ins Tal hinab, das nach ihm benannt wurde.
Zulauf erhält der 2,9 Kilometer lange Bach durch ein Quellgebiet mit dem Namen Sönderchen Siefen. Oberhalb hat der Bürger- und Heimatverein Beyenburg 2008 eine Bank mit Panoramaaussicht ins Bachtal aufstellen lassen. Eine Idylle für Wanderer, die an dieser Stelle den Blick schweifen lassen können. Wer allerdings mit dem Ur-Beyenburger Heinz-Werner Putzke diesen Ort aufsucht, erfährt schnell von der vermeintlich düsteren Vergangenheit des Quellgebiets. Nach einem Mord soll hier nämlich ein Geist sein Unwesen treiben. So erzählt es jedenfalls eine im Stadtteil bekannte Sage. „Der Geist des alten Bauern Broß soll Wanderern an den Rücken gesprungen sein“, weiß Putzke.
Unbeeindruckt schaut Anwohnerin Magdalende Bock über ihre Hecke. Sie wohnt heute auf dem einstigen Grundstück des angeblich geistgewordenen Landwirten. „Ich bin gefragt worden, ob ich hier wirklich bauen will. Weil es hier doch spukt“, erzählt Bock. Sie selbst sei allerdings noch keinem Geist begegnet. Aber die Nachbarin hätte schon mal berichtet, dass das Holz im Haus nachts so komisch knacken würde. Aber da konnte Magdalene Bock schnell die Irritation über den Wirkungskreis des Geistes auflösen: „Ich hab gesagt: Bei dir soll es doch gar nicht spuken. Das betrifft unser Haus.“
Um das Jahr 1600 habe das Übel seinen Lauf genommen, weiß Putzke. Der auf dem Oberhof wohnende Bauer Broß soll seine Magd ermordet haben. Den kopflosen Körper habe er, so die Sage, in den kleinen Teich des Quellgebiets geworfen. Die Leiche sei aber schnell gefunden worden. Wegen seiner Tat habe der Bauer keine Ruhe gefunden. Auch nachdem Broß zur Strafe erhängt wurde. Der Bauer soll des Nachts in der Nähe des Oberhofs umherspuken und Reisende sowie Anwohner erschrecken. Putzke: „Die Furcht vor dem Geist des alten Broß war so groß, dass sich selbst erwachsene Leute hüteten, am Abend den Hof zu betreten.“Auch wenn es keine Beweise für den übernatürlichen Teil der Geschichte gibt, den Bauer Broß gab es wirklich. Sein Grabstein soll auf dem katholischen Friedhof zu finden sein.
Die Sage vom Broß wurde übrigens vom Heimatforscher Otto Schell aufgeschrieben, der 1858 in Elberfeld geboren wurde. Andere der bergischen Sagen, die er für die Nachwelt festgehalten hat, heißen etwa „Das verhexte Vieh“, „Kettenrasselnder Ohnekopf“oder „Die Zwerge im Bilstein bei Beyenburg“.
Ungeachtet der möglichen blutigen Vergangenheit seines Zuflusses ist der weitere Weg des Hengstener Baches ins Tal unspektakulär. Das Gewässer ist in großen Teilen schwer zu sichten. Putzke sagt: „Das Gebiet ist völlig unerschlossen und unberührt.“
Eine spannende Landmarke quert der Bach zwischen dem Siegelberg und dem Gangolfsberg: eine Landwehr. Diese Markierung hat früher die Grafschaften Berg und Mark abgegrenzt. Geschichtskenner Putzke weiß: „Das ist die Landwehr, deren
Reste auch noch in den Barmer Anlagen zu sehen sind.“
Der Hengstener Bach, der sich auf den letzten Metern vor dem Stausee noch einmal plätschernd an der Straße Vor der Hardt bemerkbar macht, hat seinen Namen allerdings nicht von den Tieren. Auch wenn man das mit Blick auf die nahe Pferdepension „Hengsten Stables“meinen könnte. Wie Putzke weiß, hieß die Hofschaft „Hengsten“, die dem Bach den Namen gegeben hat, eigentlich einmal Henstwerdt - später auch Hengstwerth geschrieben.
Das Wort „Werth“, das in Wuppertal immer wieder auftaucht, bezeichnet eine Wupperinsel und „Henst“entspricht dem heutigen Namen „Hans“. Demnach lebte auf dem Hof wohl früher ein Hans und man nannte das Areal die „Insel des Hans“.