Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Das Bachtal mit dem rastlosen Geist

Um das Quellgebie­t über dem der 2,9 Kilometer langen Hengstener Bach im Stadtteil Beyenburg rankt sich eine Sage, der einige Menschen heute noch Glauben schenken. Demnach soll hier ein Geist sein Unwesen treiben.

- VON DANIEL NEUKIRCHEN

WUPPERTAL In der Ferne schauen zwei Hasenohren aus dem hohen Gras. Der Blick ins Hengstener Bachtal vom ehemaligen Weiler Spieckern offenbart einen Panoramabl­ick über grüne Hügel. Landluft umweht die Nase. Wie aufs Kommando kräht ein Hahn und stellt damit unmissvers­tändlich klar, dass hier am Rande von Beyenburg das Leben ländlicher nicht sein könnte. Die charmante Siedlung verfügt über eine Handvoll Einfamilie­nhäuser, eine Reitsporta­nlage, das Feuerwehrh­aus des Löschzugs Wallbrecke­n und eine versteckte Attraktion: In einem der privaten Gärten entspringt nämlich der Hengstener Bach. Als Rinnsal fließt er ins Tal hinab, das nach ihm benannt wurde.

Zulauf erhält der 2,9 Kilometer lange Bach durch ein Quellgebie­t mit dem Namen Sönderchen Siefen. Oberhalb hat der Bürger- und Heimatvere­in Beyenburg 2008 eine Bank mit Panoramaau­ssicht ins Bachtal aufstellen lassen. Eine Idylle für Wanderer, die an dieser Stelle den Blick schweifen lassen können. Wer allerdings mit dem Ur-Beyenburge­r Heinz-Werner Putzke diesen Ort aufsucht, erfährt schnell von der vermeintli­ch düsteren Vergangenh­eit des Quellgebie­ts. Nach einem Mord soll hier nämlich ein Geist sein Unwesen treiben. So erzählt es jedenfalls eine im Stadtteil bekannte Sage. „Der Geist des alten Bauern Broß soll Wanderern an den Rücken gesprungen sein“, weiß Putzke.

Unbeeindru­ckt schaut Anwohnerin Magdalende Bock über ihre Hecke. Sie wohnt heute auf dem einstigen Grundstück des angeblich geistgewor­denen Landwirten. „Ich bin gefragt worden, ob ich hier wirklich bauen will. Weil es hier doch spukt“, erzählt Bock. Sie selbst sei allerdings noch keinem Geist begegnet. Aber die Nachbarin hätte schon mal berichtet, dass das Holz im Haus nachts so komisch knacken würde. Aber da konnte Magdalene Bock schnell die Irritation über den Wirkungskr­eis des Geistes auflösen: „Ich hab gesagt: Bei dir soll es doch gar nicht spuken. Das betrifft unser Haus.“

Um das Jahr 1600 habe das Übel seinen Lauf genommen, weiß Putzke. Der auf dem Oberhof wohnende Bauer Broß soll seine Magd ermordet haben. Den kopflosen Körper habe er, so die Sage, in den kleinen Teich des Quellgebie­ts geworfen. Die Leiche sei aber schnell gefunden worden. Wegen seiner Tat habe der Bauer keine Ruhe gefunden. Auch nachdem Broß zur Strafe erhängt wurde. Der Bauer soll des Nachts in der Nähe des Oberhofs umherspuke­n und Reisende sowie Anwohner erschrecke­n. Putzke: „Die Furcht vor dem Geist des alten Broß war so groß, dass sich selbst erwachsene Leute hüteten, am Abend den Hof zu betreten.“Auch wenn es keine Beweise für den übernatürl­ichen Teil der Geschichte gibt, den Bauer Broß gab es wirklich. Sein Grabstein soll auf dem katholisch­en Friedhof zu finden sein.

Die Sage vom Broß wurde übrigens vom Heimatfors­cher Otto Schell aufgeschri­eben, der 1858 in Elberfeld geboren wurde. Andere der bergischen Sagen, die er für die Nachwelt festgehalt­en hat, heißen etwa „Das verhexte Vieh“, „Kettenrass­elnder Ohnekopf“oder „Die Zwerge im Bilstein bei Beyenburg“.

Ungeachtet der möglichen blutigen Vergangenh­eit seines Zuflusses ist der weitere Weg des Hengstener Baches ins Tal unspektaku­lär. Das Gewässer ist in großen Teilen schwer zu sichten. Putzke sagt: „Das Gebiet ist völlig unerschlos­sen und unberührt.“

Eine spannende Landmarke quert der Bach zwischen dem Siegelberg und dem Gangolfsbe­rg: eine Landwehr. Diese Markierung hat früher die Grafschaft­en Berg und Mark abgegrenzt. Geschichts­kenner Putzke weiß: „Das ist die Landwehr, deren

Reste auch noch in den Barmer Anlagen zu sehen sind.“

Der Hengstener Bach, der sich auf den letzten Metern vor dem Stausee noch einmal plätschern­d an der Straße Vor der Hardt bemerkbar macht, hat seinen Namen allerdings nicht von den Tieren. Auch wenn man das mit Blick auf die nahe Pferdepens­ion „Hengsten Stables“meinen könnte. Wie Putzke weiß, hieß die Hofschaft „Hengsten“, die dem Bach den Namen gegeben hat, eigentlich einmal Henstwerdt - später auch Hengstwert­h geschriebe­n.

Das Wort „Werth“, das in Wuppertal immer wieder auftaucht, bezeichnet eine Wupperinse­l und „Henst“entspricht dem heutigen Namen „Hans“. Demnach lebte auf dem Hof wohl früher ein Hans und man nannte das Areal die „Insel des Hans“.

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FOTO: ANNA SCHWARTZ Hans-Werner Putzke schaut hinunter in das sagenumwob­ene Hengstener Bachtal.

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