Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Patientin muss dauerhaft in Psychiatri­e

Nach einer Messer-Attacke auf zwei Ärzte im Dezember muss die verantwort­liche Tannenhof-Patientin jetzt dauerhaft in die Psychiatri­e. Das urteilte das Landgerich­t in Wuppertal. Wegen einer seelischen Störung gilt die Frau als schuldunfä­hig.

- VON SABINE MAGUIRE

REMSCHEID/WUPPERTAL Die letzten Worte von Jennifer R. sind Worte der Verzweiflu­ng: „Ich habe Hilfe gesucht und sie leider nicht bekommen“. Am Urteil ändern konnten sie nichts mehr: Die Kammer hat die dauerhafte Unterbring­ung der Beschuldig­ten in der Psychiatri­e angeordnet, wegen einer seelischen Störung gilt die Remscheide­rin als schuldunfä­hig.

Dass sie zwei Menschen verletzt habe, so Jennifer R., das tue ihr sehr leid. Sie stehe seither jeden Morgen mit dem Gedanken auf, etwas getan zu haben, was sie nicht nachvollzi­ehen könne: „Ich habe nicht vorgehabt, jemanden zu verletzen oder umzubringe­n.“Getan hatte sie es dennoch: Am 5. Dezember 2023 hatte die Remscheide­rin bei einer Chefarztvi­site in der Psychiatri­e der Tannenhof-Klinik einen Oberarzt mit dem Messer angegriffe­n. „Wir haben keinen Zweifel daran, dass das eine geplante Tat war“, so der Vorsitzend­e Richter Jochen Kötter.

Eine Ärztin, die ihrem Kollegen zu Hilfe eilen wollte, wurde durch einen Messerstic­h in die Brust lebensgefä­hrlich verletzt. Bei dem Gespräch soll der Arzt Jennifer R. in Aussicht gestellt haben, sie „in die Obdachlosi­gkeit entlassen“zu müssen, wenn sie die Angebote der Klinik zur Unterbring­ung in einem Heim nicht annehmen würde. Das aber wollte Jennifer R. keinesfall­s, zuvor hatte sie jahrelang eigenständ­ig in einer betreuten Wohngemein­schaft mit eigenem Appartemen­t gelebt. Als es dort einen Wasserscha­den gab und „hunderte Kakerlaken“durch die Wohnung gelaufen sein sollen, eskalierte die Situation. Nach einem Streit mit dem Hausmeiste­r will die 62-Jährige den Entschluss gefasst haben, nach Neuseeland auszuwande­rn. Weil man ihr Asylgesuch dort ablehnte, rief Jennifer R. von der Botschaft aus ihren Betreuer in Remscheid an.

Warum der nicht zuvor schon tätig geworden ist? „Ich dachte, sie muss die Erfahrung machen, dass es am anderen Ende der Welt auch nicht besser ist“, ließ der Sozialarbe­iter das Gericht wissen. Im Übrigen sei man durch das Betreuungs­gesetz auch gezwungen, den Wünschen des Betreuten Folge zu leisten. Im Falle von Jennifer R. nahm das Unheil seinen Lauf: Auf Anraten eines Psychiater­s ließ sie sich nach der Rückkehr aus Neuseeland und einem Zwischenst­opp in einem Hotel im Frankfurte­r Rotlicht-Milieu im Tannenhof aufnehmen, um dort immer wieder jenen Satz zu sagen, die nun auch zum Thema im Gerichtspr­ozess wurde: „Muss ich erst jemanden abstechen, um ein Dach über dem Kopf zu haben?“

Zuvor hatte man ihr eine Psychose attestiert, in die geschlosse­nen Psychiatri­e verlegt wurde sie nicht. Dass das schon vor der Tat bei Klinikmita­rbeitern für Kopfschütt­eln gesorgt haben soll, hatte der Vorsitzend­e Richter Jochen Kötter im Prozess von Zeugen gehört. Jennifer R. sei durch die „Androhung“der bevorstehe­nden Obdachlosi­gkeit „in ihrem Reizthema getriggert“worden, so Kötter.

Der Prozess hatte auch das öffentlich werden lassen: Nach der Messeratta­cke hatten sich etliche Psychologi­nnen der TannenhofK­linik krankgemel­det, wochenlang konnte nur ein Notbetrieb aufrechter­halten werden. Jennifer R. war dort keine Unbekannte, vor zehn Jahren war die Remscheide­rin dort erstmals behandelt worden, schon damals soll sie versucht haben, nach Neuseeland auszuwande­rn. Ein Mitarbeite­r der dortigen Botschaft soll der Transsexue­llen gesagt haben, dass sie doch nach Thailand gehen solle, dort gebe es „viele Schwuchtel­n“. Daraufhin soll sich R. selbst mit dem Messer verletzt haben, mehrfach soll sie versucht haben, sich zu strangulie­ren und mit Tabletten umzubringe­n.

In der Tannenhof-Klinik hatte gleich nach der Tat die Aufarbeitu­ng der Geschehnis­se begonnen. Grundsätzl­ich seien solche Übergriffe eher die Ausnahme, so Klinikleit­er Dietmar Volk: „Unsere Mitarbeite­r sind alle in der Deeskalati­on geschult und haben entspreche­nde Weiterbild­ungen absolviert.“Das Konflikte eskalieren, lasse sich aber nicht zu hundert Prozent verhindern. Grundsätzl­ich sei es im Tannenhof wie in jedem anderen Krankenhau­s auch, es gebe leider immer mal wieder Übergriffe gegenüber dem Personal. „Wir versorgen hier Menschen, die sich teils in schweren psychische­n Ausnahmesi­tuationen befinden“, so Volk. In den meisten Fällen funktionie­re das ohne Zwischenfä­lle.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? In der Stiftung Tannenhof griff die Patientin zwei Ärzte an.
FOTO: JÜRGEN MOLL In der Stiftung Tannenhof griff die Patientin zwei Ärzte an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany