GM wie Gentleman
Weitwinkel- Allrounder Sony FE 24mm G Master
Ein Katalog-Shooting für Herren-Accessoires mit einer einzigen Brennweite? Noch dazu mit einem Weitwinkelobjektiv? Was zunächst mindestens leichtsinnig erscheinen mag, entpuppte sich als visuelles Fest – denn das neue FE 24 mm F1.4 GM präsentierte sich on location äußerst flexibel. Und als echter Gentleman.
Bühne frei für das Sony FE 24 mm F1.4 G Master. Und gleich vorweg: Dies hier wird kein objektiver Labortest (diesen finden Sie auf Seite 97 dieser Ausgabe), sondern vielmehr eine Lobhudelei. Eine kleine Geschichte von einem Fotoredakteur und über ein auf den ersten Blick unscheinbares Objektiv, das für einen Test in unserer Redaktion eintraf, sich dann aber als echtes Highlight erwies: Attitüdenfrei, samtweich, faszinierend in der Abbildungsleistung und charakterstark. Ein echter Gentleman. Doch nun von vorn: Es gibt Objektive, die sind einfach etwas Besonderes. Sie inspirieren und wecken die Lust auf bestimmte Arten der Fotografie und auf spezielle Motive. Mich trifft alle
paar Jahre dieser „Objektiv-Blitz“, und das lichtstarke Sony hatte es nun auf mich abgesehen. Es weckte aber gar nicht so sehr meine Lust auf die Landschafts-, Nacht- oder Astrofotografie (für die es nach unseren Praxistests natürlich mehr als prädestiniert ist), sondern auf Motive und Einsatzbereiche, bei denen man sonst nicht zwangsläufig an Festbrennweiten oder gar Weitwinkelobjektive denken würde. Eine derartige Schärfe bei Offenblende und ein solch cremiges Bokeh müssten sich doch auch anderweitig einsetzen lassen! Und siehe da: Sony hat ganz nebenbei ein erstklassiges Reportage- Objektiv entwickelt.
Aus einem spontanen Gedanken wurde eine Challenge für ein Katalog-Shooting mit Herrenhüten und Accessoires, und um es auf die Spitze zu treiben, setzte ich die Blende auf f/1,4 und beließ sie dort für jede Aufnahme. So zeigte sich nicht nur das Bokeh von seiner schönsten Seite, ich konnte im Gegensatz zu sonstigen Shootings
dieser Art komplett auf Blitze und Stative verzichten, da die Verschlusszeiten für Aufnahmen aus der Hand vollkommen ausreichten. Der elektronische Verschluss der Sony A7 R III und der Sensorstabilisator halfen dabei zusätzlich.
Geglückte Zweckentfremdung
Der Start verlief etwas ungewohnt, denn einige Aufnahmen entstehen zwar immer im Weitwinkel, Detailshots oder Porträts hingegen natürlich üblicherweise nicht. Etwas Umdenken war erforderlich, aber die Sorge, ob Gesichter nicht unnatürlich verzerrt erscheinen oder Detailaufnahmen zu unruhig wirken würden, weil zu viel störender Hintergrund vom Hauptmotiv ablenkt, entpuppte sich als unbegründet. Porträts wirken natürlich, das Bokeh ist ein Traum, die Schärfe am Fokuspunkt umwerfend, Farbsäume an Kontrastkanten auch im Nahbereich kein Problem. Für mich ein echter Gewinn, denn bisher
hatte ich oft mit diesen Herausforderungen zu kämpfen. Vor allem, weil ein „Mehr an Kontext“, wie es nur ein Weitwinkelobjektiv einfangen kann, zuvor eher ein Wunsch geblieben war. Mit der enormen Lichtstärke (und ein wenig Zauberei der Ingenieure) verschwimmen alle Störfaktoren des Hintergrunds in Unschärfe. Das G Master sitzt perfekt ausbalanciert an den Kameras der A7-Reihe oder an der A9. An der Alpha 6500 wirkt die Optik übrigens fast wie ein 35mmObjektiv, aber an dem kleineren APS- C-Sensor ist die Abbildungsleistung schlichtweg verschwendet. Mein Tipp: Probieren Sie auch einmal eines Ihrer Objektive zweckentfremdet aus – Sie könnten positiv überrascht werden!
Billig ist anders ...
Das 24er von Sony ist mit einem Marktpreis von knapp 1.650 Euro nicht gerade ein Schnäppchen. Alternativen gibt es in Form des Sigma 24mm F1.4 DG HSM Art, das weniger als die Hälfte kostet. Oder gleich aus eigenem Hause, denn das kompakte FE 28mm F2.0 ist zwar nicht ganz so lichtstark, aber bereits für knapp 400 Euro zu bekommen. Was diese beiden nicht bieten, ist dieses letzte Quäntchen an Schärfe bei Offenblende, das traumhafte Bokeh oder einfach das bisschen Magie – was zugegeben eine sehr subjektive Sache ist. Und: Ein Gentleman fragt nicht nach dem Preis, er zahlt ihn, wenn ihm etwas diesen Preis wert ist. Und das gilt für das 24er GM definitiv. ■