Sony Alpha 9
Steffen Böttcher berichtet von seiner Arbeit als Hochzeitsfotograf und erzählt uns, welchen Einfluss die Alpha 9 darauf hat.
Keine andere Kamera hat meine Art zu fotografieren in den letzten Jahren so stark beeinflusst wie die Sony Alpha 9. Und wahrscheinlich ist das nur der Anfang einer fotografischen Metamorphose. Zeit umzudenken.
Über den gesamten Zeitraum meiner beruflichen Laufbahn fotografierte ich mit Spiegelreflexkameras. Ein Umstieg ins spiegellose Lager konnte ich mir lange Zeit nicht vorstellen. Zu unausgereift schien mir die Technik, zu unbrauchbar der elektronische Sucher. Die Performance dieser seelenlosen Computer konnte mich lange Zeit nicht überzeugen. Mit der Konstruktion der Alpha 9 schien Sony jedoch alle Hausaufgaben gemacht zu haben, und als ich sie dann zum ersten Mal in die Hand nahm, war ich von der Geschwindigkeit und von dem Handling schlicht beeindruckt.
Konzentration aufs Wesentliche
Es mag paradox klingen, aber gerade der Umstand, dass mir die Alpha 9 als Fotograf keine Aufmerksamkeit im Handling abverlangt, lässt mich mehr auf den Moment konzentrieren. Sie tut, was sie soll, und das aus meiner Sicht besser als der Rest: klein, leicht, schnell und lautlos. Die beeindruckende Fokusgeschwindigkeit, gepaart mit einer zuverlässigen Gesichtserkennung und dem überaus hilfreichen Eye-Tracking waren für mich die Schlüssel-Features, die mich zum Kauf anregten. Allerdings habe ich es nie für möglich gehalten, dass dies dazu führt, dass ich die Kamera nun weniger über den Sucher nutze. Immer öfter fotografiere ich „aus der Hüfte“, unsichtbar für die Protagonisten, obwohl ich direkt neben ihnen stehe. Daraus resultierend komme ich mit fotografisch zwischenzeiligeren Ergebnissen nach Hause, mit Aufnahmen, die keine Barriere zwischen Fotograf und Situation erkennen lassen, unmittelbarer und schnappschüssiger. Dem treffsicheren Fokus sei Dank erlaubt mir die Kamera ein blindes Vertrauen darauf, jeden Moment mit einer Fülle an nutzbaren Fotos festzuhalten und dabei den Sucher nur noch in bestimmten Fällen nutzen zu müssen.
Lautloser Segen
Eine Hochzeit ist voller intimer Momente. Intime Momente, die früher vom Geratter eines Spie-
Steffen Böttcher
Ich komme mit Fotos nach Hause, die keine Barriere zwischen Fotograf und Situation erkennen lassen.
gelschlages zerfurcht waren. Verwandelte sich früher jedes Auslösen der Spiegelreflexkamera in der Kirche in ohrenbetäubenden Lärm, erntet man heute höchstens noch den ein oder anderen fragenden Blick, ob man denn überhaupt fotografiere. Zugegeben, die Alpha 9 ist nicht die erste lautlose Kamera, allerdings die erste lautlose Vollformatkamera mit diesem hohen Grad an Performance. Zudem kann sie auf das störende Schwarzbild im Sucher zwischen den Aufnahmen verzichten. Besonders im Serienmodus empfand ich das bei anderen Spiegellosen als wenig nutzbar. Im Sucher der Alpha 9 bleibt das Motiv durchgehend sichtbar.
In Reserven denken
Ich begann, Hochzeiten zu fotografieren, als ISO 800 das wirklich letzte Ende der Fahnenstange bedeutete. Nichts brachte mich als Hochzeitsfotograf damals mehr aus dem Konzept als das Gefühl, die nächste Situation technisch nur unzureichend lösen zu können. Die Kameras wurden besser,
und mit ihnen kam irgendwann die Erkenntnis, dass Mangeldenken nicht wirklich zu den besten Ergebnissen führt. Das Ergebnis meiner Arbeit sollte sich nicht durch technische Grenzen definieren, sondern durch meine Möglichkeiten. Wollte ich größtmögliche Performance und ausreichend Reserven, kam ich irgendwann um die größten Modelle von Nikon oder Canon nicht herum. Das hohe Gewicht und den lauten Spiegelschlag nahm ich dabei kompromissbereit hin. Die Alpha 9 hat nun auch diesen Kompromiss für mich geschlossen und übertrifft die Flaggschiffe der Konkurrenz hinsichtlich Serienbildgeschwindigkeit, ShutterSpeed und sogar Auflösung. Mehr noch: Die vielen kleinen und großen Features der Alpha 9, wie zum Beispiel die wirklich revolutionäre Gesichtsregistrierung, die ein zuvor registriertes Gesicht in eine Fokuspriorisierung zwingt und dadurch mein Brautpaar in einer Gruppe von Menschen erkennen und scharf stellen kann, zeigen, wohin die Reise geht. In ein paar Jahren werden der laute Spiegelschlag und die Notwendigkeit des Abstrahierens einer Aufnahme im Blick durch einen optischen Sucher wahrscheinlich nur noch für Puristen und Nostalgiker nützlich sein. Technologisch stellt dies sicherlich erst den Anfang einer fortlaufenden Kamera-Metamorphose dar, die uns mit immer raffinierter werdender Motiverkennung zukünftig sicherlich noch ein ganzes Stück zum Umdenken zwingen wird. ■