Fort Lauderdale
Strandgeflüster
Der in Florida liegende Urlaubsort gehört zu den beliebtesten Stranddestinationen für die Lgbt-community und bietet neben Sonne und Meer auch jede Menge Erlebnisse abseits der kilometerlangen Strände.
Greater Fort Lauderdale darf sich rühmen, eine der schwulsten Gemeinden der USA innerhalb seiner Grenzen sein Eigen zu nennen. Kein Wunder, denn die Region im Süden Floridas gilt als Pionier in Sachen Lgbt-tourismus.
Sonne, Strand, Meer und schwule Männer en masse: Der Sebastian Street Beach im Zentrum des Fort Lauderdale Beach Boulevard ist so etwas wie das Aushängeschild des beliebten Urlaubsortes, der etwa eine Autostunde nördlich von Miami liegt. Während sich die großen, Schatten spendenden Palmen sanft im Wind wiegen, toben sich ein paar durchtrainierte Mittzwanziger beim Beachvolleyball aus. Andere dagegen, wie das aus Berlin stammende Pärchen Micha und Sven, lassen es ruhiger angehen und liegen entspannt in der Sonne. Seit 2013 kommen die beiden Mittvierziger jedes Jahr hierher und legen sich meist am Vormittag und an den Wochenenden an den Strand. „Für uns ist das hier inzwischen, wie zu Hause anzukommen“, so Sven. „Wir lieben die Sonne, das Meer, die Wärme und können hier wunderbar relaxen“, ergänzt Micha. Die Fort-lauderdale-fans schätzen die Vorteile der Stadt. Ob Shoppen in Sawgrass Mills, einer der größten Outlet-malls der USA, Ausflüge in die Everglades, nach Boca Raton oder Miami Beach – die beiden Berliner haben schon jede Menge unternommen. „Zudem gibt es hier ein super Angebot an Wassersportmöglichkeiten wie Jetski- oder Kayakfahren“, begeistert sich Sven.
Im Wandel der Zeit
Ihre Bleibe haben die beiden im The Grand Resort & Spa gefunden. Das Resort mit großem Pool, geräumigen Zimmern, einem kleinen Gym und einem Fkk-bereich mit Whirlpool gehört zu den besten Gay-resorts des Landes. Von hier aus sind es nur wenige Minuten zum Sebastian Street Beach, Sonnenschirme und Klappstühle können sich die Gäste kostenlos ausleihen. Einst war die heute North Beach genannte Gegend berühmt für ihre große Dichte an schwulen Gästehäusern. Über ein Dutzend mögen es gewesen sein, doch über die Jahre haben Investoren die lukrative Lage entdeckt und die Hotels und Resorts hemmungslos aufgekauft. Nur wenige haben überlebt, zum Beispiel das Grand und die benachbarten Worthington Resorts, die aus drei zusammenhängenden Anlagen bestehen und damit zu den größten schwulen Unterkünften der USA gehören. Dafür sind sie das ganze Jahr über gut gebucht und ihr Fortbestehen ist wohl noch eine ganze Weile lang garantiert. In der Nachbarschaft finden sich inzwischen prominente Hotelmarken wie das W Fort Lauderdale oder Hilton nur einen Straßenblock Richtung Strand entfernt.
Auch Micha und Sven finden es schade, dass über die Jahre viele schwule Resorts in Strandnähe schließen mussten. „Dafür haben die verbliebenen Häuser kräftig investiert und sich sichtbar aufgehübscht“, meint Sven, der als Verkaufsdirektor einer Hotelgruppe sein Geld verdient. „Nur schade, dass es in unmittelbarer Strandnähe kein schwules Café oder eine Bar gibt.“
Ghetto für Millionäre
Dafür befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Gay-resorts in North Beach das wohl eigenartigste Haus der Gegend. Das nach einer Teichrose benannte Bonnet House wurde 1920 von dem aus Chicago stammenden Künstler Frederick Clay Bartlett gebaut und über die Jahre gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau zu einer Oase für Kunst und Kultur. Mit seinem bunten Sammelsurium und originaler Einrichtung gilt das Haus heute als eines der ganz wenigen, das sich aus dieser Zeit und in diesem Zustand in Florida erhalten hat. Im großen Park finden sich nicht nur Seen mit den namensgebenden gelben Teichrosen, sondern insgesamt fünf verschiedene Ökosysteme, darunter ein maritimer Wald, Dünenlandschaften und ein Mangroven- sumpf. Dieser kann es jedoch nicht mit den vor der Stadt gelegenen Sümpfen der Everglades aufnehmen, die man in weniger als 45 Autominuten vom Strand in Fort Lauderdale erreicht. Der Everglades Holiday Park bietet neben Gruppentouren auch private Propellerbootfahrten an, auf denen man Alligatoren und verschiedene Vogelarten zu sehen bekommt. Aber auch eine Bootstour auf den Kanälen von Fort Lauderdale hat ihren Reiz. Das „Venedig Amerikas“hat mit dem Original außer den Wasserstraßen zwar nichts gemeinsam, dafür kann man einen Blick auf millionenschwere Villen und Yachten werfen – ein Ghetto der ganz besonderen Art.
Kunst & Klubs
Zu den Reizen von Greater Fort Lauderdale gehört, dass es sich aus verschiedenen Städten und Gemeinden zusammensetzt, die zum Teil ihren ganz eigenen Charakter haben. Hollywood ist so ein Fall. Mit dem Downtown Hollywood Mural Project (DHMP) lockt das etwa 30 Minuten südlich von Fort Lauderdale gelegene Städtchen immer mehr Kunstfans an. Über zwei Dutzend Street-art-werke sind zwischen kleinen Cafés, Restaurants, Galerien und Boutiquen rund um die Hauptstraße zu finden. Hollywood ist damit ein schöner Zwischenstopp auf dem Weg zu Floridas
bekanntestem Fkk-strand, dem zwischen Fort Lauderdale und Miami gelegenen Haulover Beach, an dessen nördlichem Ende der schwule Strandabschnitt zu finden ist. Die für den schwulen Urlauber wohl wichtigste Stadt der Region ist Wilton Manors, die quasi wie eine Insel inmitten des Stadtgebiets von Fort Lauderdale liegt. Wer vom schwulen Mekka Fort Lauderdale spricht, meint oft die Szene in Wilton Manors. Nach Daten einer Volkszählung aus dem Jahr 2010 ist es die Stadt mit dem zweithöchsten Anteil an gleichgeschlechtlichen Paaren innerhalb der USA und damit „zweitschwulste“Stadt des Landes. Seit November 2018 wird Wilton Manors zudem von einer reinen LGBT City Commisson – eine Art Stadtrat –, bestehend aus vier Männern und einer Frau, regiert. Knapp 12.000 Einwohner drängeln sich auf dem nur 5 Quadratkilometer großem Stadtgebiet, dessen Lebensader der die Stadt durchziehende Wilton Drive ist. Hier spielt sich der Großteil des Nachtlebens ab„die Szene von Wilton Manors liegt nur zehn Minuten mit dem Auto vom Strand entfernt und bietet vom Lederschuppen über Sportbars bis zum Klub alles, was man braucht“, so Micha. Mit den Fahrdiensten Uber oder Lyft ist man schnell am Ziel und erspart sich die Parkplatzsuche. Dank täglicher Happy Hour in den Bars sind die Preise im Vergleich zu Miami erschwinglich. „Normalerweise starten wir den Abend in Georgie’s Alibi Monkey Bar mit einem ersten Bier und ziehen von dort aus weiter in die Gym Sportsbar und ins Hunters. Der am Silvesterabend 2013 eröffnete Hunters Nightclub ist eine feste Größe und aus der lokalen Szene nicht mehr wegzudenken. „Ursprünglich hatten wir den Klub Hunters Fort Lauderdale genannt, uns aber inzwischen für Wilton Manors im Namen entschieden“, erklärt Mark Hunter. Seine 66 Jahre sieht man dem erfahrenen Nachtklubbesitzer nicht an. Braun gebrannt und mit fast schon jugendlicher Begeisterung spricht er von seinen Projekten. 2004 zog Hunter von Chicago nach Fort Lauderdale. „Ich liebe das Wetter, die Sonne und die Tatsache, dass es hier niemals schneit.“Natürlich wohnt Hunter in Wilton Manors, nur wenige Meter von seinem Klub entfernt. Hier geht vor allem an den Wochenenden die Post ab, neben mehreren Bars auf zwei Etagen gibt es eine große Tanzfläche sowie eine Bühne für gelegentliche Dragshows.
Gedächtnis von Stonewall
Tagsüber ist es am Wilton Drive ruhiger, aber auch dann locken Restaurants wie das von der lesbischen Köchin Josie Smith-malave und ihrer Ehefrau geführte Bubbles & Pearls oder das auch bei Micha und Sven beliebte Galanga mit seiner Asia-küche. Auch die Galerie des National Stonewall Museum & Archives, in der Wechselausstellungen von Lgbt-künstlern zu sehen sind, hat hier ihre Adresse. Das Archiv selbst liegt auf halbem Weg zwischen Strand und Wilton Manors und ist so etwas wie das Gedächtnis des New Yorker Stonewall-aufstandes, der sich 2019 zum 50. Mal jährt. Der Grund, warum viele Dokumente und Objekte der Schwulenbewegung ausgerechnet im Süden Floridas zu finden sind, ist relativ einfach: Fort Lauderdale diente vielen schwulen Männern als Altersruhesitz, und mit dem Umzug kamen auch die persönlichen Erinnerungsstücke mit in die neue Heimat. 1973 als Privatsammlung gegründet, machte sich das Archiv zudem landesweit einen Namen,
sodass die Sammlung während der Aids-krise ab den 1980er-jahren aus Nachlässen Verstorbener stetig wuchs. „Die Epidemie hat auch Fort Lauderdale stark getroffen, doch die Community ist auch zusammengewachsen“, so Dr. Requel Lopes. Im November 2018 hat die Heilpraktikerin ihren neuen Job als Executive Director beim World Aids Museum angetreten, das ebenfalls am Wilton Drive zu finden ist. Das kleine Museum ist das bisher einzige seiner Art und zeigt anhand von Schautafeln und einigen Exponaten die Entwicklung der Aids-krise und deren Bekämpfung. Doch Fort Lauderdales Community lässt sich nicht so leicht entmutigen. Statt nach einer gescheiterten Bewerbung für die Austragung des Worldpride 2021 den Kopf hängen zu lassen, widmet sich die Stadt einem neuen Projekt. Schon 2020 soll hier der erste Pride of the Americas stattfinden, eine Adaption des Europride-prinzips,das es so für Nord-, Mittel- und Südamerika noch nicht gab. Vom 17. bis 26. April sollen vor allem Besucher des amerikanischen Kontinents, aber auch aus anderen Teilen der Erde, nach Fort Lauderdale kommen, um gemeinsam zu feiern. Die Entscheidung für einen Ortswechsel des Fort Lauderdale Pride samt Parade im Jahr 2018 an den Strand war ein voller Erfolg. Der Pride of the Americas möchte im kommenden Jahr bis zu 350.000 Besucher begrüßen, auf die neben der Parade und einem Beach Festival eine ganze Woche voller Aktivitäten, Ausstellungen, eine Menschenrechtskonferenz sowie Konzerte und Partys warten. Und eines ist sicher: Der Strand von Fort Lauderdale wird an diesen Tagen schwuler denn je.