Spartacus Traveler

West Hollywood

Schwuler Kosmos

- Text: Dirk Baumgartl

Wer an die schwule Szene von Los Angeles denkt, hat meist West Hollywood im Kopf. Die kleine progressiv­e Stadt am Fuße der Hollywood Hills ist ein Mikrokosmo­s der sie umgebenden Megametrop­ole, in der sich auch Superstars oft ungestört bewegen können.

Wer an die schwule Szene von Los Angeles denkt, hat meist West Hollywood im Kopf. Die kleine progressiv­e Stadt am Fuße der Hollywood Hills ist ein Mikrokosmo­s der sie umgebenden Megametrop­ole, in der sich auch Superstars oft ungestört bewegen können.

Lust auf einen Smoothie mit Justin Bieber im Urth Caffe? Oder wie wäre es mit einem Abendessen bei Craig’s an einem Tisch neben Ozzy Osbourn und Elton John? In West Hollywood, auch Weho genannt, ist alles möglich. „Wer Stars sehen will, begibt sich am besten an die Kreuzung von Melrose Avenue und Robertson Boulevard und achtet auf die Paparazzi, die sich regelmäßig hier versammeln.“Danny Roman muss es wissen. Seit 2005 lebt der schwule Selfmade-unternehme­r mit kroatische­n Wurzeln in der Stadt. Seine Firma Bikes & Hikes bietet Rad- und Wandertour­en, etwa zum berühmten Hollywood-schild, oder eine Celebrity Bike Tour an, die vorbei an den Häusern und bevorzugte­n Plätzen der Reichen und Schönen führt. Die beliebtest­e Tour ist zugleich die härteste: Die gut fünfzig Kilometer lange und sechs Stunden dauernde „LA in a Day“-tour führt täglich um 10 Uhr von seinem Laden am Santa Monica Boulevard über Beverly Hills und die Greystone Mansion zum Strand nach Santa Monica, von dort nach Venice mit dem berühmten Muscle Beach, zu den Studios von Culver City und über den hippen Robertson Boulevard zurück nach West Hollywood. „Insbesonde­re für Leute, die gerade aus Europa angekommen sind, ist die Tour ideal, um den Jetlag zu bekämpfen. Es gibt nichts Besseres, als den Körper am Tag nach einem Langstreck­enflug an der frischen Luft auszupower­n“, so Danny. „Natürlich haben wir auch E-bikes“, fügt der

42-Jährige lachend hinzu. Auf die Frage, was ihm an West Hollywood so gefällt, hat er schnell die Antwort parat: „West Hollywood ist das eigentlich­e Herz von Los Angeles. Weho trifft genau jenes Gefühl, das man sich als Tourist von Los Angeles vorstellt: tolle Restaurant­s, der Glamour, die Einkaufsme­ilen Melrose Avenue und Rodeo Drive, der Sunset Strip, die luxuriösen Häuser in den Hollywood Hills – und natürlich Boystown entlang des ‚The Strip‘ genannten Santa Monica Boulevard.“

Kleinstadt-feeling

Auf nicht einmal fünf Quadratkil­ometern, die das Stadtgebie­t von West Hollywood umfasst, findet man alles, was man beim Gedanken an Los Angeles vor Augen hat. Und alles andere liegt oft nur wenige Kilometer entfernt. Sei es der Hollywood Walk of Fame mit dem Graumens Chinese Theatre, das Griffith Observator­y in den Hollywood Hills, die Universal Studios, das Getty Museum oder die Strände von Santa Monica und Venice Beach. All diese Sehenswürd­igkeiten lassen sich in relativ kurzer Zeit erreichen.

„Irgendwie hat es West Hollywood geschafft, sich den Charakter einer Kleinstadt zu bewahren.“Vor sieben Jahren zog Gerry Conedy von San Diego hierher und arbeitet inzwischen als Direktor für die im Design District Beverly Boulevard gelegene Kunstgaler­ie Art Angels. Die Galerie vertritt internatio­nale, aber auch lokale Künstler, deren oft poppig-bunte Werke ins Auge fallen, und ist mit ihrem ständig wechselnde­n Programm immer einen Besuch wert. „Je länger man hier lebt, desto mehr wird einem die Vielfalt West Hollywoods bewusst“, so Gerry. „Viele Leute, die in Weho arbeiten, leben auch hier. Die Community ist unglaublic­h stark. Viele meiner Freunde wohnen gleich um die Ecke, andere arbeiten als Tänzer oder Barkeeper am Strip.“Der Santa Monica Boulevard ist so etwas wie die Lebensader von West Hollywoods schwuler Szene, beziehungs­weise der von ganz Los Angeles. Der LA Pride findet dort ebenso statt wie die furiose Straßenpar­ty zu Halloween. Hier reiht sich eine Bar neben die andere, angefangen von der Fiesta Cantina, in der man die billigsten Drinks bekommt, über die Sportsbar Hi Tops bis zu den Klubs Micky’s oder dem für seine tanzenden Cowboys bekannten Flaming Saddles. „Wenn ich ausgehe, dann meistens in The Chapel oder Revolver, dort treffe ich eigentlich immer auf Bekannte“, so Gerry. Die kleine Bar The Chapel sieht tatsächlic­h wie eine Kapelle aus und schließt direkt an West Hollywoods bekanntest­e Bar The Abbey an. Mit ihrer großen Außenterra­sse und der im Inneren liegenden Bar mit Tanzfläche lockt The Abbey auch schon um die Mittagszei­t die ersten Besucher an. Auf der Speisekart­e stehen Burger, Pasta, Salate und kleine Snacks wie die Firecracke­r Shrimps. Genauso für das leibliche Wohl sorgt eine Filiale des schwulen Burgerbrut­zlers Hamburger Mary’s, die sich ebenfalls am Santa Monica Boulevard befindet. Direkt gegenüber liegt das Restaurant Conservato­ry, das als eine der derzeit angesagtes­ten Adressen gilt. Ebenfalls nicht weit entfernt ist die Fubar, Wehos wohl wildeste Kneipe, deren donnerstäg­licher Event „Big Fat Dick“(BDF) die älteste Partyreihe der Stadt ist und ein hip-alternativ­es Publikum bedient.

Himmel für Dragqueens

Schon vor Rupaul’s Drag Race war West Hollywood in der Szene bekannt für seine furiosen Dragshows, und das nicht nur, weil Rupaul und Chi Chi Larue hier leben. Seit der Fernsehsho­w sind die Queens eine der Hauptattra­ktionen der Stadt, die Drag-fans aus aller Welt anlocken. Kaum eine Bar kommt ohne wöchentlic­he Dragshow aus, bei der sich die Drag-race-stars die Klinke in die Hand geben. Daneben gibt es bei Hamburger Mary’s und The Abbey an den Wochenende­n einen Drag Brunch, in der Bücherei von Weho lesen Dragqueens regelmäßig für Kinder, und beim Drag Bingo im The Den oder bei Hamburger Mary’s geht es verdammt lustig zu. Dass es sich bei den Gästen in den Bars und Klubs nicht nur um Touristen oder Gäste aus dem Großraum LA handelt, hat einen guten Grund: „Im Gegensatz zu vielen anderen schwulen Szeneviert­eln wie The Castro in San Francisco oder Chelsea in New York leben die Schwulen in Weho immer noch in unmittelba­rer Nähe der Bars und wurden nicht von einer Gentrifizi­erung hinweggefe­gt“, weiß Danny Roman. Die Szene kann auf die Unterstütz­ung der Stadt zählen. „Der gegenwärti­ge Stadtrat besteht aus drei schwulen Männern und zwei Frauen, die Schwule lieben“, so Danny. Die Stadt sorgt für moderate Mietpreise und kümmert sich zudem um schwule Senioren. „Wenn du als alleinsteh­ender Rentner Hilfe beim Einkaufen oder eine Fahrt zum Arzt brauchst, wählst du eine Nummer und wirst abgeholt“, so Danny. Auch in an

derer Hinsicht ist West Hollywood progressiv: Bereits seit 2012 gilt im Stadtgebie­t ein Verbot von Plastiktüt­en – als Ersatz gab es für jeden Bewohner wiederverw­endbare Tragetasch­en. Und beim Thema Tierschutz meint es die Stadt ebenfalls ernst. Obwohl sich etliche LuxusModeg­eschäfte in West Hollywood befinden, setzte die Stadt 2013 ein Verbot für den Verkauf und Handel mit Pelzwaren durch, zudem ist Tierfachge­schäften der Verkauf von Hundeund Katzenwelp­en nicht erlaubt und Haustiere gelten nicht als Sache, sondern genießen als Familienmi­tglieder besondere Rechte.

Pool oder Strand?

Ein Besuch von West Hollywood wäre nicht komplett ohne eine Fahrt an den Strand. Je nach Verkehrsla­ge braucht man von West Hollywood bis nach Venice Beach oder Santa Monica zwischen dreißig und fünfzig Minuten. Zwischen den beiden Orten kann man wunderbar mit einem Leihfahrra­d pendeln und sich seine Zeit etwa am Muscle Beach in Venice oder auf der mit kleinen Vergnügung­sgeschäfte­n versehenen Santa Monica Pier vertreiben. Kurz vor der Pier endet übrigens die historisch­e Route 66, jene legendäre Straße, die einst Chicago mit der Westküste Kalifornie­ns verband. Mit dem Fahrrad dauert es von hier noch einmal zehn Minuten Richtung Norden, bis man den schwulen Strand von Los Angeles erreicht. Vor allem an Wochenende­n ist am Will Rogers Beach State Park einiges los – auch wenn die Wassertemp­eraturen eher für hartgesott­ene Badefreund­e geeignet sind. Eine Alternativ­e sind die Pools der zahlreiche­n Hotels, die sich in West Hollywood befinden. Einen der schönsten gibt es auf dem Dach des Hotels Andaz, das direkt am Sunset Boulevard liegt. Von hier aus blickt man nicht nur auf einige schicke Häuser in den Hollywood Hills, sondern schaut auf das gesamte Tal, in dem sich in der Ferne die Skyline von Downtown Los Angeles erhebt. ■

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 ??  ?? Baden mit Aussicht: Pool des Andaz West Hollywood
Baden mit Aussicht: Pool des Andaz West Hollywood
 ??  ?? Bikes & Hikes-inhaber Danny Roman
Bikes & Hikes-inhaber Danny Roman
 ??  ?? Teilnehmer des LA Pride
Teilnehmer des LA Pride
 ??  ?? Tänzer im Flaming Saddles
Tänzer im Flaming Saddles
 ??  ?? Galerie-direktor Gerry Conedy
Galerie-direktor Gerry Conedy
 ??  ?? Hamburger Mary’s
Hamburger Mary’s
 ??  ?? Teilnehmer des LA Pride
Teilnehmer des LA Pride
 ??  ?? Santa Monica Boulevard
Santa Monica Boulevard
 ??  ?? Sportler am Muscle Beach in Venice
Sportler am Muscle Beach in Venice

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