Focal Kanta No. 2
Drei Lautsprecher, drei Zielgruppen, drei Volltreffer
Den Begriff „ Nouvelle Vague“( auf Deutsch: „ neue Welle“) kennt man heute vor allem im Zusammenhang mit dem französischen Kino. Regisseure wie Jean- Luc Godard, François Truffaut und andere gingen das Wagnis ein, mit handwerklich und monetär beschränkten Mitteln die Kunstform Film neu zu er nden.
Ähnliche Gedanken scheinen auch die französischen Lautsprecherspezialisten von Focal gehabt zu haben. Während sie bei ihrer aktuellen Utopia- EVO- Serie hinsichtlich Komplexität und Budget aus dem Vollen schöpfen konnten und auch das Konzept der Sopra- Serie eher auf betuchte Kundschaften zielt, sollte die Kanta No. 2 noch klar vierstellig bleiben. Letzten Endes wurden es 7500 Euro pro Paar, für das der frankophile Audiophile eine durchaus stattliche Box bekommt.
Crossover der Technik
Die ist im Hochtonbereich mit Weihen aus ganz anderen Preisklassen ausgestattet. Der Hochtöner aus dem Wunder- Leichtmetall Beryllium tut mit komplexerem Volumen und anderem Antrieb auch in der MaestroEVO- Serie seinen Dienst, in der eine quantitativ ähnlich bestückte Standbox mal eben mit 32.000 Euro zu Buche schlägt. Die etwas über 25 mm messende Inverskalotte wird dabei unter schwierigsten Bedingungen im eigenen Haus tiefgezogen und mit einer kleinen 19-mmSchwingspule verklebt, was technisch schon in Richtung Konus geht und einen gleichmäßigen Antrieb der Schwing äche sichert.
Seitlich wird sie von einer Schaumstoffsicke gehalten, die etwaige Resonanzen und Re exionen zuverlässig eliminiert. Nach hinten arbeitet der Hochtöner auf ein aufgeweitetes, mit Dämmmaterial gestopftes Volumen, das eine Weiterentwicklung von der Electra- BE- Serie darstellt. Damit liegt die Eigenresonanz des Hochtöners etwas über den Konstrukten von Utopia und Sopra, weshalb die Mittel-/ HochtonTrennung der Kanta auch erst bei 2700 Hz erfolgt.
Umso höhere Ansprüche werden an den Mitteltöner gestellt, der nicht mit dem WSandwich der Serien Utopia und Sopra ausgestattet ist, sondern auf der Naturfaser Flax wie bei der nächstgünstigeren AriaSerie basiert. Eine Lage paralleler Leinenfasern, die für innere Dämpfung sorgt und Materialresonanzen vollständig vermeidet, wird mit zwei Lagen Glasfasermatten in einem
speziell austarierten Prozess verbacken. Das ist durchaus nicht trivial, müssen doch auch Masse, Stei gkeit und Dichtigkeit strengster Serienkonstanz genügen, doch der Focal- Produktion ist es gelungen, Membranen aus dem Naturmaterial ohne Nachteile in Serie zu produzieren. Antriebs- und Sickenkonstruktion des 18er- Mitteltöners sind dabei wiederum der höherpositionierten Sopra entlehnt, so etwa der inverse mittige Phaseplug aus Alu und die speziell auf die Membran berechnete Sicke mit doppeltem Massedämpfungsring gegen Re exionen am Sickenrand.
Gleich zwei Tieftöner im identischen 18- ZentimeterFormat, ebenfalls mit FlachsSandwich- Membran, aber größerer Schwingspule, sorgen unterhalb 260 Hz für entsprechende Luftbewegung, die – ungewöhn licherweise – von zwei Bass re exrohren unterstützt werden. Eines sitzt frontseitig, eines auf der Rückwand; beide werden vom selben Luftvolumen angetrieben, sind aber auf eine andere Tuning- Frequenz abgestimmt. Die Idee dahinter: Der Übergang im Bass charakter zwischen direkt spielenden Konen und Re exrohren erfolgt sanfter, und selbst bei etwaigen Raumresonanzen wird der Bass nicht schmalbandig zu fett klingen.
Neue Wege beim Gehäuse
Völlig neue Wege sind die Focalisten bei der Gehäusekonstruktion gegangen: Vollständig getrennte und im Winkel angeordnete Volumina wie bei So pra und Utopia wurden der Kanta zwar nicht zuteil, aber intern ist das Volumen entsprechend abgeteilt. Das Prinzip der „ bananenförmigen“Schallwand, das einen identischen Abstand aller Treiber zum Ohr des Hörers garantiert und Zeitfehler durch den Laufweg eliminiert, wurde von der Sopra übernommen und ist hier durch eine einzige, gebogene und bis zu 55 mm dicke Frontplatte dargestellt, die das Hauptgehäuse überragt.
Sie ist an den Seiten verrundet, um Kantenre exionen zu verringern, zudem weist sie rund um den Hochtöner eine ganz leichte Schallführungsmulde auf. Front und Hauptvolumen sind in verschiedensten Lack- und Furnierkombinationen lieferbar, wobei der Vierfach- Ausleger mit den Spike- Füßen immer schwarz bleibt und mit dem hinteren Hauptvolumen verbunden ist – ein weiterer Trick, Körper- schallübertragungen von Chassis und Schallwand auf den Boden zu verringern.
Französischer Charme
Die Erwartungen der Tester an eine neue Focal- Standbox waren nach dem Siegeszug des aktuellen Maestro- EVO- Modells natürlich extrem hoch. Und siehe da, bei John
Williams’ „ Imperial March“( dirigiert von Erich Kunzel, Label telarc) zeigte die Kanta die gleichen audiophilen Stärken: einen traumhaft homogen eingebundenen, nie nervigen Hochtonbereich, eine weiträumig dreidimensionale, doch nicht zu hohe Bühnenabbildung mit geradezu sensationeller Ausleuchtung und einen kräftigen, doch immer impulsfreudigen und nie schwammigen Bass. Die überbordende Plastizität und Au ösung ihrer großen Schwesterbox war nur in Ansätzen zu erkennen, der Grundcharakter der Kanta tendierte etwas ins Warme. Warm bedeutet bei Tom Waits’ „ Back in the Good Old World“: Sonorität, Klangfarbenvielfalt und einen schummerig- atmosphärischen Grundcharakter, jedoch kein zu dunkles Klangbild oder gar ein Verschlucken von Details. Da- für verlangte die Focal nach einer entsprechend freien Aufstellung, wandnah kippte die tonale Balance schon einmal zugunsten des Oberbasses.
Ihre Stärken spielte sie besonders überzeugend bei tendenziell schlanken Aufnahmen aus: Angelo Badalamentis Soundtrack aus „ Twin Peaks“klang auf einmal großorchestral wuchtig, mit einer atmosphärischen Wärme und Dichte, die man sonst nur in Verbindung mit den surrealistischen Filmszenen von David Lynch wirklich spüren kann. Das Saxofon klang vielleicht eine Spur weniger aggressiv und attackierend als gewohnt, dafür besonders sonor und verloren im weiten Raum. Zum Schluss gönnten sich die Tester etwas Deftiges: Prongs Doors- Cover „ Strange Days“fehlte vielleicht etwas der Punk, dafür klang es umso satter und genießbarer. Womit die Focal sich bestens als typische französische Genießerbox emp ehlt.