Der blaue Himmel über Wien
„ Der erste Satz beginnt – als ob er nicht bis drei zählen könnte – dann aber geht es gleich ins große Einmaleins und zuletzt wird schwindelnd mit Millionen und Abermillionen gerechnet.“So der Kommentar von Gustav Mahler zum unerwartet heiteren, ja kindlichnaiven Ton, den seine im Sommer 1900 vollendete vierte Sinfonie gleich vom ersten Takt an mit Schellengebimmel und kinderlied- artiger Motivik anschlägt – und der ganz im Gegensatz zum hochtrabenden Pathos seiner ersten drei Sinfonien den Zuhörer in die schauerliche- schöne Fantasiewelt der Kinder entführt, mit Engeln, Teufeln und allerlei Zauberwesen. Gleichzeitig belässt er den Hörer in seltsamer Ungewissheit: Fast alles in dieser schwerelosen Sinfonie ist mit dem ironischen Siegel des Anführungszeichens, des nicht immer Ernst gemeinten und Doppelbödigen versehen; wir erleben eine „ sinfonische Humoreske des himmlischen Lebens nach dem Tode“, also die naive Vision des Schlaraffenlandes nach dem irdischen Jammertal. Nachdem Iván Fischer seinen Budapester Mahler- Zyklus fast vollen- det hat, plant nun auch sein älterer Bruder Adam in Düsseldorf eine Gesamteinspielung der Sinfonien des letzten österreichischen Romantikers und hat da schon im letzten Jahr mit einer überraschend transparenten und schlanken Siebten klare Akzente einer aufklärerischen, strukturerhellenden Mahler- Auffassung gesetzt. Dass er diesen klassizistischen Mahler- Kurs nun mit der „ himmelblauen“Vierten fortsetzt, scheint da fast naheliegend, und so verortet er sie im Booklet- Text ausdrücklich in der Wiener Musiktradition, zu der er als ausgewiesener Mozart- und Haydn- Experte ohnehin eine besondere Affinität hat. Und man staunt wirklich über die fantastische Transparenz, Präzision und polyphone Klarheit seiner exzellent eingestellten Düsseldorfer Symphoniker, die die ätherische Schwerelosigkeit dieser „ Pastorale“Mahlers im hell leuchtenden Farbenspiel eines konturenreichen Stimmengeflechts in die Lüfte malen. Zugleich animiert Fischer seine Musiker zu einer dezidiert „ Wienerischen“Spielweise und beschwört mit charakteristischen Glissandi ein typisch „ kakanisches“Lebensgefühl. Das verleiht dem Werk von Anfang an ein besonderes Flair des Authentischen und Anmutigen. So findet Fischer, der gebürtige Budapester, mit großer Sensibilität eine schöne Balance zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Naivität und feiner Ironie: Das trifft auch für das enigmatische Lied- Finale zu, in dem Hanna- Elisabeth Müller frisch und unbefangen Mahlers Jenseits- Phantasien verkündet.