KSdigital C88
Manchmal ist es geradezu unverständlich, warum zwischen Tonstudio- und HiFiTechnik oft ein gefühlter tiefer Graben verläuft. Schließlich hat man auf beiden Seiten das Ziel, eine möglichst authentische Musikwiedergabe zu realisieren. Allerdings fasst man dieses Ziel auf beiden Seiten etwas anders auf, was aber zumindest einige Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Bereichen ein Stück weit erklärt.
Die Aktiv- Spezialisten von KSdigital gehören zu jenen, die den Graben überbrücken wollen, und bieten teils identische Produkte für beide Segmente an. Nebenbei pro tieren sie noch vom Aktiv- Know- how der in audiophilen Kreisen bestens beleumundeten beleumundeten Marke B& M. Die dezidierten Studiomonitore tragen dabei den Markennamen KSdigital, die Heimmodelle werden kurz als KSD be- zeichnet. Die C- Linie, die kürzlich komplett überarbeitet wurde, trägt als Monitorserie die Zusatz bezeichnung „ Reference“auch stolz in allen Modellnamen. Allen drei Modellen der Serie ist der koaxiale Aufbau des Haupttreibers gemeinsam, der die Lautsprecher speziell für Nahfeldanwendungen tauglich machen soll.
Wenig Raumeinfluss
Hier liegt auch einer der größten Unterschiede zwischen Tonstudio- und HiFi- Technik. Nicht immer haben Toningenieure ein so großzügiges Studio zur Verfügung, wie es zum Beispiel im Bild auf Seite 32 zu sehen ist, wo sich die Hauptmonitore in relativ großer Entfernung zum Arbeitsplatz am Mischpult oder an der DAW be nden – DAW ist die Abkürzung für „ Digital Audio Workstation“; das ist, vereinfacht gesagt, ein PC, der speziell für die Audiobearbeitung kon guriert wurde. Stattdessen stehen oder liegen die Lautsprecher meist recht nahe am Arbeitplatz, und der Toningenieur hört praktisch nur den von den Lautsprechern abgegebenen Direktschall. Anders als im HiFi- Bereich spielt der Raumein uss kaum eine Rolle und die Abhördistanz ist viel kürzer. Aber auch bei größeren Hörabständen sorgt man in Tonstudios durch aufwendige raumakustische Maßnahmen dafür, dass Raumein üsse möglichst minimiert werden und das am Hörplatz wahrnehmbare Klang bild überwiegend vom Direktschall der Lautsprecher geprägt wird.
Die C88 wurde zwar als Hauptmonitor konzipiert, kann aber laut KSdigital bereits ab einem Hörabstand von etwa 1 m eingesetzt werden. Möglich ist das durch den Koaxialtreiber, der aus einem äußeren 8- ZollTiefmitteltonkonus mit einer Membran aus Karbonge echt besteht, in dessen Zentrum eine 1- Zoll- Hochtonkalotte spielt.
Die Anordnung der Treiber auf einer Achse erzeugt ein de niertes akustisches Zentrum und verhindert, dass zwischen den zwei Wegen Laufzeitunterschiede auftreten, die sich bei einem kurzen Hörabstand viel stärker auswirken. Bei Nahfeldmonitoren kann das besonders kritisch sein, da nicht nur die räumliche Abbildung darunter leidet, sondern im schlimmsten Fall sogar die einzelnen Treiber geortet werden können.
Anders als bei den beiden kleineren Brüdern C5, bei denen der Koax- Treiber nur 6 Zoll misst, und beim C8, der denselben 8- Zoll- Koax benutzt, wird das Koaxialsystem der C88 durch einen zusätzlichen 8- Zöller erweitert, der dem Lautspre-
cher deutlich mehr Kraft im Bass verleiht. Dadurch erreicht die C88 einen höheren Maximalpegel, ist zudem problemlos in größerem Abstand einsetzbar und damit auch bestens wohnzimmertauglich.
Digital entzerrt
Da Studiolautsprecher in erster Linie als Kontrollwerkzeuge dienen, legt man außer auf eine korrekte räumliche Abbildung auch großen Wert auf klangliche Neutralität. Um das zu erreichen, setzt KSdigital bei der C88 auf digitale Filter, die mit der patentierten FIRTECHTechnologie arbeiten.
Das Eingangssignal wird zu- zu erst analog- digital gewandelt und läuft dann in einen digitalen Signalprozessor. Die Signalverarbeitung besteht im Wesent- lichen aus zwei Schritten: Zum einen ist die Frequenzweiche digital realisiert und trennt die Wege mit linearer Phase, was ein zeitrichtiges Verhalten über den gesamten Frequenzbereich garantiert. Zum anderen wird mit einem sogenannten System- System lter der Lautsprecher digital entzerrt. Dafür werden alle Schallwandler individuell vermessen, sodass auch spezi sche Unterschiede erfasst und korrigiert werden können. So lassen sich beispielweise Fertigungstoleranzen ausgleichen. Laut Hersteller wird aber bei der Optimierung des Lautsprechers nicht nur das Übertragungsverhalten im Frequenzbereich, son- son dern auch das Impulsverhalten im Zeitbereich berücksichtigt.
Durch diese beiden ausgeklügelten Signalverarbei-
tungsschritte kann die C88 mit einer hohen tonalen Neutralität und einer zeitrichtigen Wiedergabe glänzen.
Liegend und stehend
Der Lautsprecher kann laut Herstellerangabe sowohl waagrecht liegend als auch senkrecht stehend platziert werden. Die Beschriftung der Rückseite und das Logo auf der Front deuten allerdings schon an, dass er vorrangig zum Hinlegen konzipiert wurde. Um eine symmetrische Aufstellung zu garantieren, gibt es zwei verschiedene Ausführungen mit spiegelverkehrt eingebauten Treibern. Man stellt die Lautsprecher dann üblicherweise so auf, dass die beiden Koaxial chassis jeweils außen liegen. Mit ihrem akustischen Zentrum de nieren sie dabei das Stereodreieck.
Wenn man die C88 lieber senkrecht stehend nutzen will, emp ehlt der Hersteller, die Box so zu drehen, dass der Koax- Treiber entgegen aller Gewohnheit unter dem Basstreiber liegt. Im Hörtest entschieden wir uns aber für die liegende Aufstellung und probierten zuerst eine relativ kurze Abhördistanz aus. Schnell zeigte sich, dass der Lautsprecher im Nahfeld zwar überraschend gut klarkommt, ihm ein mittlerer Hörabstand aber mehr liegt. Dann wirkt er deutlich stimmiger und kann sein volles Potenzial besser ausreizen.
Mit Hörtestklassikern wie Jacques Loussiers Jazz- Interpretation der kleinen Fuge in g- Moll von Johann Sebastian Bach ( von der stereoplay- CD
„ Perfektes Timing, Vol. 1“, 06/ 2015) konnten wir diesen Pro nicht schocken. Dynamik und Timing stimmten perfekt; die satten Schläge auf die Toms, die andere Lautsprecher oft das Fürchten lehren, steckte die C88 mühelos weg. Das mit reichlich Hall aufgenommene Klavier rückte er ein wenig in den Vordergrund und bildete es ebenso plastisch wie stabil ab. Für einen Studio monitor gab er dem Bass etwas viel Gewicht, was ihn vielleicht nicht perfekt neutral, aber insgesamt etwas runder und durchsetzungsstärker macht – bei geringen Abhörpegeln perfekt.
Sympathisch zeigte sich die C88 auch bei „ Come Dance With Me“. Das von Claire Marlo und Ray Gelato im Duett gesungene Stück ( von der ste
reoplay- CD „ High End Reference Tracks“, 06/ 2017) formte sie zu einem gefälligen und sehr konturenreichen Klangbild mit zwei überwältigend realistisch dargestellten Sängern, wobei jedes Detail stimmschön herausgearbeitet wurde.
Herausragend anders
Am Ende wäre aber auch im
stereoplay- Hörraum beinahe noch die Frage nach HiFi- und Tonstudio- Hörgeschmack aufgekommen. Die C88 polarisierte mit ihrer bis ins Feinste gestaffelten Abbildung und der sehr nah zum Hörer rückenden virtuellen Bühnenkante, die durch großen Hörabstand etwas distanziert- gefälliger wurde. Echte Studiomonitorfans dürften mit dem etwas prägnanteren Tiefton ihre Probleme haben, doch letztlich muss die Darstellung im Heim gefallen und nicht als Abhörgrundlage dienen. Letztlich freundeten sich beide Seiten mit der C88 gerade wegen ihres livehaftigen Charakters, perfekten Timings und der hervorragenden Au ösung an.