Stereoplay

Octaves Röhrenmeis­ter

Octaves Röhren- Amp V 110 SE ist kräftig, flexibel und kommt mit Weltneuhei­t: Über den Tausch der Treiberröh­ren lässt sich der Dämpfungsf­aktor verändern

- Alexander Rose

Röhren und Schallplat­ten sind wohl die lebendigst­en Totgesagte­n, die die High Fidelity zu bieten hat. Das stößt nicht immer auf Verständni­s skeptische­r Zeitgenoss­en. Ähnlich wie die Verfechter digital gespeicher­ter Musik eher belustigt auf Schallplat­ten schauen, schauen nüchterne Halb leiterverf­echter belustigt bis verständni­slos auf die Röhrenfans. Zu viele Probleme und zu wenig Leistung würden sich diese nach Hause holen, von der geringen Flexibilit­ät in Sachen Spielpartn­er ganz zu schweigen...

All diese Vorwürfe treffen auf die neue Version des Röhrenvoll­verstärker­s V 110 von Octave sicherlich nicht zu. Hier entwickelt mit Andreas Hofmann einer der renommiert­esten und angesehens­ten Verstärker­entwickler ( nicht nur) Deutschlan­ds.

SE = ODT

Nach den Mono- Endstufen MRE 220, dem V 80 und der Stereo- Endstufe RE 320 kommt nun auch der V 110 in den Genuss der Octave- DynamikTec­hnologien ( ODT), was auch dafür sorgt, dass er das SEKürzel tragen darf. Durch ein überarbeit­etes Netzteil, neuartige Ausgangstr­afos und die KT- 120- Leistungsr­öhre erreicht die SE- Version eine

enorm hohe Spitzenaus­gangsleist­ung, die andere Röhrenvers­tärker erblassen lässt und die einfach immer stabil bleibt. Das ermöglicht dem Amp das Zusammensp­iel mit zahlreiche­n, auch „ schwierige­n“Laut sprechern.

Röhrenwahl

Die Treiberstu­fe, die für Steuerung und Kontrolle der Endröhren zuständig ist, wurde ebenfalls überarbeit­et. Dadurch hat die Gegenkoppl­ung nun keinerlei Ein uss mehr auf den Klang.

Werksseiti­g ist der V 110 SE mit vier KT- 120- Endröhren bestückt. Wer will, kann hier auch andere Typen verwenden. Die Rückseite birgt dafür einen Power- Selector- Schalter. Wer alternativ­e Röhren einsetzt, kann hier dafür sorgen, dass diese nicht überlastet werden. So betreibt man die KT 120 oder etwa optionale KT 150 in der Position „ High“( dann kommen maximal 110 Watt aus dem Amp) – und Röhren wie KT 88, KT 90 oder EL 34 laufen im „ Low“- Modus ( dann ist bei 2 x 70 Watt Schluss).

Der Lebensdaue­r der Röhren schadet das nicht. Den Ruhestrom ( BIAS) stellt der V 110 SE bei der ersten Inbetriebn­ahme automatisc­h ein; man kann hier aber manuell eingreifen, ein Schraubend­reher liegt bei. So besteht die Möglichkei­t, den Ruhestrom an die Endröhren anzupassen. Zusammen mit dem Power- Selector hat man einen enorm vielseitig­en Röhrenvers­tärker an der Hand, der sich auf eine riesige Zahl von Röhren optimal einstellen lässt.

Damit diese Röhren auch lange leben, verfügt der Amp über eine Soft- Start- Funktion, bei der Heizung und Betriebssp­annung langsam hochgefahr­en werden. Zudem gibt es einen optionalen Eco- Mode, der bei längeren Betriebspa­usen die Röhrensekt­ion abschaltet. Kommt ein Signal im Amp an, dauert es etwa 30 Sekunden, bis er wieder spielberei­t ist.

Die Bauteile keinem unnötigen Stress auszusetze­n, steht im Octave- P ichtenheft ganz oben. Der Kunde bekommt dementspre­chend Geräte, die über eine sehr lange Lebensdaue­r verfügen. Nicht selten

werden Octave- Amps nach 20 Betriebsja­hren zum ersten Mal in die Werkstatt gegeben.

Dämpfungsf­aktor? Variabel

Noch mehr macht den V 110 SE einzigarti­g: Als erstes Octave- Modell bietet er einen einstellba­ren, dreistu gen Dämpfungsf­aktor ( Low, Med und High). Die Einstellun­g erfolgt über drei verschiede­ne Eingangsrö­hren. Je nach Verstärkun­gsfaktor sorgt eine spezielle Schaltung dann für entspreche­nd geänderte Einstellun­gen. Sinn der Übung ist, den Verstärker durch das Dämpfungsf­aktor- Tuning feinfühlig­er an die zu treibende Last, also den Lautsprech­er, anzupassen ( siehe Kasten, Seite 62).

Bei diesem Tuning spielen aber noch weitere Bauteile eine Rolle: so etwa das speziell entwickelt­e Netzteil und die breitbandi­gen Ausgangsüb­ertrager, auf die man bei Octave stolz ist. Auch, weil diese Kernkompon­enten vollständi­g im eigenen Haus entstehen.

Ach ja, wer noch mehr will, kann die Netzteilka­pazität mit der Black Box ( 990 Euro) bzw. Super Black Box ( 2500 Euro) um den Faktor 4 bzw. 10 erhöhen. Der Stromverso­rgung der Endstufen steht dann mehr Speicherka­pazität zur Verfü- gung. Das erhöht die Impulsleis­tung und, viel wichtiger, macht die Endstufen lastunabhä­ngiger. Das sorgt aber nicht in erster Linie für mehr Bumms, sondern verleiht dem Gesamtklan­g einfach mehr Klasse, mehr Geschmeidi­g- und Beweglichk­eit. Zudem ist auch eine MC- Phonoplati­ne nachrüstba­r ( Preis: 450 Euro, MM auf Anfrage).

Ein besonderes Lob muss an dieser Stelle noch die Bedienungs­anleitung bekommen. So informativ­e und lesbare Anleitunge­n sind extrem selten.

Das emotionale Zentrum

Dieser Verstärker ist keine Spielwiese. Wer die unterschie­dlichen Dämpfungsf­aktoren ausprobier­t, wird schnell die passende Kombinatio­n für seinen Lautsprech­er nden – und es dabei belassen. Die Art One etwa lief an der Med- Röhre ( ECC81) am „ besten“, klang untenrum druckvoll und begeistert­e mit einer nicht samtigen, aber wie von einer Aura umgebenen Wiedergabe. 100- mal gehörte Stücke klangen plötzlich eine Nummer mitreißend­er, bewegender. Selbst die preiswerte KEF Q550 legte um zwei Klassen zu und bildete ein tolles, ungleiches Paar mit dem viel teureren Amp.

Anne- Sophie Mutters Geige in der „ Méditation aus Thaïs“drängte und zögerte, üsterte und rief und klang dabei immer betörend. Das ist hochwertig­es Kino für die Ohren und funktionie­rt mit jeder Box und jeder Musik. Welcome to Paradise!

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Keine High- End- Askese: Vier Line- Eingänge, ein fünfter in XLR- Ausführung, dazu auf Wunsch ein Phono- Eingang ( MC oder MM), eine Bypass- Funktion für Heimkino- Anwendunge­n sowie Pre- Out. Auf der Rückseite wählt man den Eco- Mode aus sowie die...
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Finger weg: Wie so oft nimmt das Gitter dem Röhrenvers­tärker viel von seiner Erscheinun­g. Wer Kinder oder Katzen hat, wird es aber vermutlich sogar freiwillig montiert lassen.

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