Octaves Röhrenmeister
Octaves Röhren- Amp V 110 SE ist kräftig, flexibel und kommt mit Weltneuheit: Über den Tausch der Treiberröhren lässt sich der Dämpfungsfaktor verändern
Röhren und Schallplatten sind wohl die lebendigsten Totgesagten, die die High Fidelity zu bieten hat. Das stößt nicht immer auf Verständnis skeptischer Zeitgenossen. Ähnlich wie die Verfechter digital gespeicherter Musik eher belustigt auf Schallplatten schauen, schauen nüchterne Halb leiterverfechter belustigt bis verständnislos auf die Röhrenfans. Zu viele Probleme und zu wenig Leistung würden sich diese nach Hause holen, von der geringen Flexibilität in Sachen Spielpartner ganz zu schweigen...
All diese Vorwürfe treffen auf die neue Version des Röhrenvollverstärkers V 110 von Octave sicherlich nicht zu. Hier entwickelt mit Andreas Hofmann einer der renommiertesten und angesehensten Verstärkerentwickler ( nicht nur) Deutschlands.
SE = ODT
Nach den Mono- Endstufen MRE 220, dem V 80 und der Stereo- Endstufe RE 320 kommt nun auch der V 110 in den Genuss der Octave- DynamikTechnologien ( ODT), was auch dafür sorgt, dass er das SEKürzel tragen darf. Durch ein überarbeitetes Netzteil, neuartige Ausgangstrafos und die KT- 120- Leistungsröhre erreicht die SE- Version eine
enorm hohe Spitzenausgangsleistung, die andere Röhrenverstärker erblassen lässt und die einfach immer stabil bleibt. Das ermöglicht dem Amp das Zusammenspiel mit zahlreichen, auch „ schwierigen“Laut sprechern.
Röhrenwahl
Die Treiberstufe, die für Steuerung und Kontrolle der Endröhren zuständig ist, wurde ebenfalls überarbeitet. Dadurch hat die Gegenkopplung nun keinerlei Ein uss mehr auf den Klang.
Werksseitig ist der V 110 SE mit vier KT- 120- Endröhren bestückt. Wer will, kann hier auch andere Typen verwenden. Die Rückseite birgt dafür einen Power- Selector- Schalter. Wer alternative Röhren einsetzt, kann hier dafür sorgen, dass diese nicht überlastet werden. So betreibt man die KT 120 oder etwa optionale KT 150 in der Position „ High“( dann kommen maximal 110 Watt aus dem Amp) – und Röhren wie KT 88, KT 90 oder EL 34 laufen im „ Low“- Modus ( dann ist bei 2 x 70 Watt Schluss).
Der Lebensdauer der Röhren schadet das nicht. Den Ruhestrom ( BIAS) stellt der V 110 SE bei der ersten Inbetriebnahme automatisch ein; man kann hier aber manuell eingreifen, ein Schraubendreher liegt bei. So besteht die Möglichkeit, den Ruhestrom an die Endröhren anzupassen. Zusammen mit dem Power- Selector hat man einen enorm vielseitigen Röhrenverstärker an der Hand, der sich auf eine riesige Zahl von Röhren optimal einstellen lässt.
Damit diese Röhren auch lange leben, verfügt der Amp über eine Soft- Start- Funktion, bei der Heizung und Betriebsspannung langsam hochgefahren werden. Zudem gibt es einen optionalen Eco- Mode, der bei längeren Betriebspausen die Röhrensektion abschaltet. Kommt ein Signal im Amp an, dauert es etwa 30 Sekunden, bis er wieder spielbereit ist.
Die Bauteile keinem unnötigen Stress auszusetzen, steht im Octave- P ichtenheft ganz oben. Der Kunde bekommt dementsprechend Geräte, die über eine sehr lange Lebensdauer verfügen. Nicht selten
werden Octave- Amps nach 20 Betriebsjahren zum ersten Mal in die Werkstatt gegeben.
Dämpfungsfaktor? Variabel
Noch mehr macht den V 110 SE einzigartig: Als erstes Octave- Modell bietet er einen einstellbaren, dreistu gen Dämpfungsfaktor ( Low, Med und High). Die Einstellung erfolgt über drei verschiedene Eingangsröhren. Je nach Verstärkungsfaktor sorgt eine spezielle Schaltung dann für entsprechend geänderte Einstellungen. Sinn der Übung ist, den Verstärker durch das Dämpfungsfaktor- Tuning feinfühliger an die zu treibende Last, also den Lautsprecher, anzupassen ( siehe Kasten, Seite 62).
Bei diesem Tuning spielen aber noch weitere Bauteile eine Rolle: so etwa das speziell entwickelte Netzteil und die breitbandigen Ausgangsübertrager, auf die man bei Octave stolz ist. Auch, weil diese Kernkomponenten vollständig im eigenen Haus entstehen.
Ach ja, wer noch mehr will, kann die Netzteilkapazität mit der Black Box ( 990 Euro) bzw. Super Black Box ( 2500 Euro) um den Faktor 4 bzw. 10 erhöhen. Der Stromversorgung der Endstufen steht dann mehr Speicherkapazität zur Verfü- gung. Das erhöht die Impulsleistung und, viel wichtiger, macht die Endstufen lastunabhängiger. Das sorgt aber nicht in erster Linie für mehr Bumms, sondern verleiht dem Gesamtklang einfach mehr Klasse, mehr Geschmeidig- und Beweglichkeit. Zudem ist auch eine MC- Phonoplatine nachrüstbar ( Preis: 450 Euro, MM auf Anfrage).
Ein besonderes Lob muss an dieser Stelle noch die Bedienungsanleitung bekommen. So informative und lesbare Anleitungen sind extrem selten.
Das emotionale Zentrum
Dieser Verstärker ist keine Spielwiese. Wer die unterschiedlichen Dämpfungsfaktoren ausprobiert, wird schnell die passende Kombination für seinen Lautsprecher nden – und es dabei belassen. Die Art One etwa lief an der Med- Röhre ( ECC81) am „ besten“, klang untenrum druckvoll und begeisterte mit einer nicht samtigen, aber wie von einer Aura umgebenen Wiedergabe. 100- mal gehörte Stücke klangen plötzlich eine Nummer mitreißender, bewegender. Selbst die preiswerte KEF Q550 legte um zwei Klassen zu und bildete ein tolles, ungleiches Paar mit dem viel teureren Amp.
Anne- Sophie Mutters Geige in der „ Méditation aus Thaïs“drängte und zögerte, üsterte und rief und klang dabei immer betörend. Das ist hochwertiges Kino für die Ohren und funktioniert mit jeder Box und jeder Musik. Welcome to Paradise!