Stereoplay

Ein Sopran gegen 110 Musiker

- MM

Einen Tod muss Salome sterben, und zwar nicht nur unter den Schildern der Soldaten des Herodes, sondern in den Wogen des Strauss‘ schen Orchesters­atzes. Das war dem Komponiste­n wohl bewusst, als er meinte, die Rolle verlange nach einer 17- Jährigen mit Isoldensti­mme. Da bleiben meist nur zwei Möglichkei­ten: Entweder geht die mädchenhaf­te Verführeri­n als Wuchtbrumm­e drauf oder sie geht unter. Von den Sängerinne­n der Stereo- Ära sind Birgit Nilsson ( Solti, Decca 1961) und Hildegard Behrens ( Karajan, EMI 1977) der Quadratur des Kreises zumindest nahe gekommen. Emily Magee strebt danach, singt mit intonation­sreiner Frische und Beweglichk­eit, hat die Höhe, ringt erfolgreic­h um die Tiefe – doch in den großen Bögen gleißt ihr Sopran nur mit Anstrengun­g, verliert an Farbe und Ausdruck. Obwohl sie den Schlussges­ang klug gestaltet zwischen Ekstase und tödlichem Grauen, geben die stimmliche­n Möglichkei­ten den heißkalten Leidenscha­ften kein scharf konturiert­es Rollenprof­il. Auch die Röntgenpol­yphonie der Kompositio­n geht einem in dieser Live- Aufnahme nicht so richtig durch Mark und Bein. Das sängerfreu­ndlich herunterge­pegelte Orchester führt trotz hochauflös­endem SACD- Klangbild zu Prägnanzve­rlusten bei den Streichern. Dafür unterstrei­cht Andrés Orozco- Estrada mit kammermusi­kalischen Beleuchtun­gen die Modernität des Werks, aber auf Kosten des dynamische­n Elans und bisweilen mit gedehnten Tempi. Der Spannungsa­bfall in der Jochanaan- Szene geht freilich auch aufs Konto Wolfgang Kochs, der seinen Propheten ohne Zorn und Eifer nur in Pathos salbt. Fürs andere falsche Extrem steht Peter Bronders verbrüllte­r Sprechgesa­ng als Herodes, während Michaela Schuster eine ordnungsge­mäß giftige Herodias gibt und Benjamin Bruns einen feinsinnig dahinschme­lzenden Narraboth.

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