Das Driften der Akkorde
Klaus Schulze macht das, was sich viele Keyboarder nicht trauen: Er setzt sich an seine Geräte und lässt es laufen. Große Chöre, die durch den Raum schweben. Synthetische Motive, Sequenzer, die irrlichtern, kurz in Dissonanzen verharren, sich wieder großräumlich auflösen. Rhythmen, die sich andeuten, minimalistisch entfalten, mit Melodiefragmenten in Beziehung treten, hinwegpulsieren. Es sind Sinfonien des Künstlichen, die der Berliner Komponist und Klangarchitekt entwickelt, akustische Impulsströme, denen er das Wachsen mitunter selbst überlässt. „ Es gibt Ebenen in der Musik, die man fast greifen kann, die durch den Raum gehen“, philosophiert er im Umkreis seinen Albums „ Silhouettes“über seine Vorgehensweise. „ Allerdings muss man den Krach im eigenen Kopf erst zur Ruhe kommen lassen, damit die Musik dahinter hörbar wird. Die kann ganz einfach sein und damit höchst komplex, je nachdem, wie weit man da hineingehen mag.“Für die vier Soundbilder des Albums heißt das auch, dass der Flow nicht unbedingt in eine Richtung gehen muss, sondern mal zirkulär, mal sich klangräumlich ausdehnend dem Hörgeschehen Anregungen gibt, ohne den Prozess der Wahrnehmung allzu klar zu bestimmen. Es ist Musik wie aus der Lavalampe: ein pendelndes, strömendes Ineinander oft mollgefärbter Harmonien, die Schulze in den Monaten rund um seinen 70. Geburtstag im vergangenen Herbst in seinem Studio aufgenommen hat. „ Es ging mir darum, in der Tiefe der Flächen, der Klangfelder der Spannung und der Stimmung die Bilder zu malen“, meint er weiter, ein wenig enigmatisch wie jeder Künstler, der seinem Gegenüber möglichst viel Raum für eigene Deutung lassen will. Und als Pionier der elektronischen Musik sorgt Klaus Schulze dafür, dass das Hörbild als irisierende Option trotz Künstlichkeit an die Emotionen anknüpft. Denn letztlich geht es ihm um die Kraft des Zusammenwirkens im Driften der Akkorde.