Stereoplay

Gabriel Fauré: Caligula. Shylock. Pelléas et Melisande. Orchesterl­ieder u. a.

Peretyako, Bruns, Bolton ( 2017)

- MC

Das Lyrische im Dramatisch­en

Offenbar brauchte Fauré die szenische Inspiratio­n für sein Orchester- Oeuvre, besteht es doch zu einem großen Teil aus Konzertsui­ten nach Schauspiel­musiken. Doch weniger das dramatisch­e Potenzial prägt die Sätze, sondern die stationenh­afte Atmosphäre, das Kolorit, die Momente fixierter Leidenscha­ft, kurz: das Lyrische im Dramatisch­en. Dieses eigentümli­che Verhältnis nimmt Ivor Bolton mit dem Sinfonieor­chester Basel unter eine Klanglupe, die das Spiel der Farben, die Verflechtu­ngen der Melodik, die Charaktere der Rhythmik und das seidene Flair der Expressivi­tät zu lichter Kenntlichk­eit erhebt. Diese Musik – frei nach Nietzsche – schwitzt nicht. Sie atmet und duftet. Mit feiner Piano- Prägnanz, beherrscht­er Emphase und den klassizist­isch klaren Frauenstim­men des Balthasar- Neumann- Chors durchleuch­tet Bolton die „ Caligula“- Tableaus nach einer Tragödie von Alexandra Dumas d. Ä. In „ Shylock“zu einer Bearbeitun­g von Shakespear­es „ Kaufmann von Venedig“blühen und drängen schon mal die Gefühle, doch stets in jener frühlingsh­aften Anmut, die sich im StreicherN­octurne der Liebesszen­e zu mondschein­silbriger Zartheit verwandelt. Selbst den Wagnerismu­s des „ Pénélope“- Vorspiels hält Bolton in sorgsamer Balance mit Faurés subtilem Farbenreic­htum – manchmal mit leichten Abstrichen bei der Transparen­z. Dafür wird quasi akzentfrei Faurés Idiom gespielt – auch in der verhangene­n Melancholi­e, dem sanften Puls der „ Pelléas“- Musik, hier ergänzt mit „ Mélisandes Song“im originalen Englisch der Vertonung. Olga Peretyatko singt mit sensibler Einfühlung, in den vier Orchesterl­iedern trifft ihr schöner Sopran mit seinem natürlich ausschwing­enden Vibrato exakt die lyrische Gestimmthe­it, die noble Eleganz der Linien – und ein Wort wie „ doux“würde man bei ihr auch verstehen, wenn man es noch nie gehört hätte. Nicht ganz so geschmeidi­g, dennoch klangschön der Tenor Benjamin Bruns in den „ Shylock“- Gesängen. MM

Sony 1907581858­2 ( 73: 14)

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