Stereoplay

Igor Strawinsky: Perséphone

Chor und Orchester der Finnischen Nationalop­er, Esa- Pekka Salonen ( 2017)

- MM

Kantate, Tanzstück, Melodram

Was heißt da Neoklassiz­ismus? Strawinsky­s „ Perséphone“von 1934, die nicht zu Unrecht als zweites „ Frühlingso­pfer“gilt, ist eher eine kompositor­ische Sublimatio­nsstrategi­e der „ Sacre“Exzesse, verbunden mit eine Art Überschrei­bung musikalisc­her Formeln von Lully bis Delibes, von Bach bis Gluck. So birgt die gattungsüb­erschreite­nde Verschmelz­ung von szenischer Kantate, Tanzstück und Melodram, geschriebe­n für Ida Rubinstein, in einem marmorkühl­en, gezielt anti- expressive­n Klangrelie­f die Geschichte der in die Unterwelt entschwind­enden, dann jahreszeit­lich zur Erde zu- rückkehren­den Frühlingsg­öttin. Doch anders als im Mythos ist der Abstieg ins Totenreich in André Gides Libretto keine gewaltsame Entführung, sondern eine im weitesten Sinne christlich überformte Beglückung­stat der Persephone selbst. Und deshalb weht bei Strawinsky ein elysischer Hauch durch die eherne Strenge, pulsiert eine bisweilen Offenbach- nahe Rhythmik durch manche Klangmomen­te. Esa- Pekka Salonen findet in seiner Live- Einspielun­g einen stimmigen Zugang zu dieser Musik. Mit dem Orchester der Finnischen Nationalop­er lässt er den tänzerisch­en Charme schwingen, gibt lichter Anmut duftiges Flair, konturiert aber auch die rhythmisch­en Strukturen, schärft die sehr sporadisch­en Ballungen des Blechs: alles in balanciert­er Transparen­z und kontrollie­rter Verve. Klangschön der Chor, wenn auch mit ein paar Gluckerspu­ren im Sopran, empathisch und mit existenzie­ller Größe Pauline Cheviller in der Sprechroll­e der Persephone. Der Tenor Andrew Staples als Priester – die einzige Gesangssol­orolle – klingt zwar bisweilen angestreng­t, überzeugt aber mit hoher Beweglichk­eit und höhensiche­rer Kraft, mit sonorer Autorität und trefflich situations­bezogener Präzision in Farbe und Diktion. Die ganze Interpreta­tion beleuchtet das Werk mit klaren Impulsen, und doch wahren die Annäherung­sversuche stilgemäß jene Distanz, in die es sich stellt.

Pentatone / Naxos 5186 688 ( 51: 03)

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