Spatial M4 Triode Master EU
Spatials „ Triode Edition“bietet nicht nur freien Blick auf die Chassis. Ihre Kombination aus Dipol plus Horn liefert auch irrwitzige Dynamik bei höchster Auflösung – und Röhrentauglichkeit.
Begibt man sich als neues Mitglied des Geheimbundes der Triodenbesitzer auf die Suche nach einem passenden Lautsprecher, der mit den wenigen Watt ein Dynamikfeuerwerk entfesselt, denken die meisten HiFiisten und Händler an Breitbänder oder Hörner. Die Idee, einen Dipol nach dem Open- BafflePrinzip, zudem noch mit kompakten Maßen, als erste Partnerwahl zu präferieren, liegt aus technischer Sicht nicht nahe. Ruft doch die Überwindung des dabei anfallenden näherungsweisen akustischen Kurzschlusses nach hoher Leistung und schmälert zumeist erheblich den für die Trioden so wichtigen Wirkungsgrad.
Doch wenn ein ausgewiesener Kenner der Materie wie Spatial- Chef Clayton Shaw seine kleinste Nichtbox M4 in einer Sonderversion als „ Triode Master“auf den Markt bringt, dann sollten auch Traditionalisten aufhorchen. Zumal der deutsche Vertrieb, namentlich dessen Chef Robert Andorf, mit Trioden als besonders erfahren gilt, und der Kennschalldruck auf dem Datenblatt der 4500 Euro das Paar kostenden Sonderversion mit stolzen 93 Dezibel angegeben wird.
Freier Bass
Wer an die Frage ausschließlich technisch herangeht, wird angesichts der niedrigen Minimalimpedanz im Oberbass nun seine Zweifel bekommen. Da die beiden hart aufgehängten 12- Zöller auf Basis von bestens beleumundeten Chassis aus dem Profibereich tatsächlich in einer offenen, mit über 60 Millimetern aber sehr dicken Schallwand spielen, muss irgendwoher der Antrieb kommen, mit dem die akustische Auslöschung ausgehebelt wird.
Die beiden Tiefmitteltöner spielen übrigens parallel und erzeugen dabei im Mitteltonbereich allein durch ihre schiere Membranfläche eine Bündelung, die im Bass durch das Dipol- Prinzip erzeugt wird: beste Voraussetzungen für eine ingesamt ausgewogene Schallleistung im Raum also, aber auch tendenziell eine hohe Bündelung, die Besitzer wenig bedämpfter Räume oder Freunde größerer Hörabstände freu-
Die M4 verbindet die Tugenden von Breitbänder, Koax und Dipol – mehr energetische und livehaftig- knallige Dynamik geht wohl nicht.
en dürfte. Zumal, weil der Schallwandler im Vergleich zu ähnlich bündelnden Hörnern und Flächenstrahlern ausnehmend schlank, kompakt und wohnraumfreundlich dimensioniert ist.
In der Sonderversion übernimmt bereits bei 700 Hz ein Hochtonhorn, das durch die Polkernbohrung des oberen Konus hindurch koaxial Richtung Hörer spielt. Damit diese Konstruktion ohne Einbrüche im Frequenzgang und ohne unerwünschte Resonanz- und Modulationseffekte gelingen kann, muss die Formgebung des gesamten Schallkanals optimiert werden, und genau dies stellt Casey mit einer Doppelkonstruktion aus innen liegendem, festem Hornmund und auf die Konusmembran aufgeklebter Schallführung her, die das berüchtigte Tröten solcher Konstruktionen verhindern soll.
Offen für alle
Doch damit enden die Besonderheiten der Konstruktion wie auch der Sonderversion noch nicht: Die bei Spatial mit einer speziellen Beschichtung versehene Titan- Inverskalotte, die ab 700 das gesamte Hörspektrum reproduziert, arbeitet nach vorne auf eine Druckkammer und die bereits angesprochene Hornkonstruktion. Nach hinten jedoch bleibt sie – ganz im Sinne eines Vollbereichdipols – offen und sorgt mit einem wirkungsgradsteigernden Waveguide dafür, dass auch genug Hochtonenergie in den Raum abgegeben wird und das Klangbild entsprechend räumlicher und luftiger wird als bei ausschließlicher Reproduktion über das Horn, dessen Abstrahlwinkel sich zu hohen Frequenzen hin naturgemäß verengt.
Im Übergangs- und Hochtonbereich wurde die Impedanz übrigens mit einem Korrekturglied entzerrt, womit entsprechend impedanzempfindliche Verstärker zumindest hier eine weitgehend ähnliche, in diesem Fall sehr hohe Last sehen und die lastabhängigen Verfärbungen reduziert werden.
Der offene Lautsprecher fand nicht nur in der Sonderversion für Triode, sondern auch in der „ EU- Version“seinen Weg zum stereoplay- Test, denn die Schallwandentwürfe mit dem schlankeren Standsockel sind ebenso wie die Endfertigung vom deutschen Ver
trieb MachOne Classics verantwortet. Wer die M4 nur von Bildern her kennt, dem sei gesagt: Diese Klangskulptur ist nicht nur technisch- edel und hervorragend verarbeitet, sondern wirkt wegen ihrer geringen Höhe ( kaum über 90 cm) und optisch praktisch nicht vorhandener Tiefe auch äußerst wohnraumfreundlich.
Als Hybrid aus Dipol und Horn muss man freilich gewisse Regeln bei der Aufstellung beachten, so sind geringe Wandabstände ebensowenig einer guten Balance aus Raum und Bass zuträglich wie zu geringe Hörabstände oder allzu stark bedämpfte Räume, denn die doppelte Bündelung sorgt für einen Überschuss an direktem Schall gegenüber indirektem Raumklang.
Am Transistor Dynamik
Bei der ersten Hörrunde mit einem Transisor, dem klassischen Yamaha A- S2100, legte die Spatial dann in den üblichen 3,5 Metern los wie ein ganzes Orchester von Speedmetallern, denen man vier Wochen lang den Zugang zu ihren Instrumenten verwehrt hat. Dream Thea- ters „ Metropolis Pt. 1“(„ Images & Words“) vermittelte nicht ganz das satte Fundament, dafür aber eine weltrekordverdächtige Dynamik und ein zwar enorm druckvolles, zugleich aber spielend leichtes und durchhörbares Klangbild.
Peter Gabriels „ Biko“vom Studioalbum haute den Zuhörern die Sounds nur so um die Ohren, vermittelte eine knallharte Dynamik und einen nicht ganz so tiefen, aber markerschütternd harten Bass, sodass der Song den ganzen politischen Schmerz der 1980er- Jahre noch einmal hervorholte.
Die Direktheit, mit der die M4 die ganze Batterie der Orchesterinstrumente im Finale von Bruckners 8. Sinfonie ( dirigiert von Young) wiedergab und besonders Blechbläsern eine überenergetische Durchschlagskraft verlieh, war selbst ausgewiesenen Partiturlesern an Auflösung zuweilen zu viel des Guten, weshalb eine weniger auf den Hörer gerichtete Einwinklung und ein größerer Hörabstand die gewünschte Luftigkeit wiederherstellten. Dabei erstaunte die M4 mit einer schon studiomonitorhaften Detailauf- lösung, die unter Hörnern ihresgleichen suchen dürfte.
An der Röhre Wohlklang
Diese Kombination aus ultimativem Timing und hoher Auflösung mag beeindrucken, ist aber oft nicht die beste Wahl bei langen Hörsessions. Eine sorgsam ausgesuchte Röhre vermag laut Vertriebler und Spatial- Vorkämpfer Robert Andorf auch das entsprechende Mehr an Wohlklang zu vermitteln. Die hauseigene EL34 von Audion machte gleich einen großen Schritt in diese Richtung, bremste die dynamische Energie der M4 zwar etwas ein, aber vermittelte bei SaraK‘s„A Whiter Shade of Pale“eine intimere und stimmlich reifere Vorstellung als der Transistor, beeindruckte dabei mit einer dreidimensional- holografischen Darstellung, die den Hörern das Gefühl vermittelte, die Instrumente nicht nur vor sich stehen zu sehen, sondern förmlich deren Arbeit und Schallerzeugung körperlich spüren zu können. Bei gehobenen Pegeln fehlte es vielleicht minimal an Fundament, doch das machte die Transparenz allemal wett.
In eine charmantere und souveränere, um nicht zu sagen besser klingendere Richtung schritt die Spatial mit der 845er von Cayin: Obwohl Stimmen aufs erste Reinhören etwas schlanker klangen, weckte die Triode Souveränität und Gelassenheit der Hörner und verband bei EricClap tons und B. B. Kings „ Riding with the King“die koax- typische holografische Abbildung mit einer etwas distanzierteren Session- Atmosphäre, die jeden Hörer in ihren Bann zog. Ein Lautsprecher für Kenner, die höchste Auflösung und den Dynamik- Kick zu schätzen wissen.